In der Filmgeschichte gibt es zahlreiche Beispiele für Filme, die nie ihren Weg auf die Leinwand fanden, sondern stattdessen in den sprichwörtlichen Giftschrank gesperrt wurden: Zuletzt machte etwa der Comic-Riese DC Schlagzeilen, nachdem er beschloss, den bereits abgedrehten Superhelden-Film „Batgirl“ aus wirtschaftlichen Gründen nicht ins Kino zu bringen. Ob wir ihn jemals zu sehen bekommen, ist unklar.
Das galt lange Zeit auch für den 1972 gedrehten „The Day The Clown Cried“, der über die Jahrzehnte einen geradezu mythischen Status erlangte, gerade weil ihn kaum ein Mensch jemals zu Gesicht bekommen hat. In dem Film verkörpert der legendäre Komiker Jerry Lewis (der auch Regie führte und das Drehbuch schrieb) einen Clown, der in ein Konzentrationslager kommt, nachdem er Adolf Hitler verspottet hat. Dort soll er seine Fähigkeiten dazu einsetzen, jüdische Kinder in die Gaskammer zu locken...
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass man sich an einer solch gewagten Prämisse leicht verheben kann. Doch die Probleme begannen bereits während der Produktionsphase: Denn zwischen Lewis und dem Produzenten Nat Wachsberger kam es immer wieder zu Zerwürfnissen, weil letzterer seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen sein soll – so schrieb Lewis etwa in seinen Memoiren, dass er einen Teil der Kosten aus eigener Tasche bezahlen musste, nachdem die von Wachsberger ausgestellten Schecks allesamt geplatzt waren. Lewis verlor zwei Millionen Dollar und brach die Arbeiten an „The Day The Clown Cried“ schließlich frühzeitig ab, sodass bis heute nur eine unvollständige Version des Films existiert.
Niemand sollte den Film je zu Gesicht bekommen – einer hat ihn trotzdem gesehen
Lewis verfügte, dass niemand das Material zu sehen bekommen sollte. 1982 gab der „The King Of Comedy“-Star in seiner Autobiografie zu Protokoll: „Ich war schlecht, und zwar deshalb, weil ich den Zauber verloren habe. Niemand wird [den Film] je sehen, weil ich mich für meine schlechte Arbeit schäme.“
Einer soll im Jahr 1979 trotzdem eine Rohfassung des Films gesehen haben: Schauspieler und Simpsons-Sprecher Harry Shearer, der in einem Interview mit dem Spy Magazine von seiner Seherfahrung berichtete. „Der Film ist ein perfektes Objekt. Er ist so drastisch falsch, sein Pathos und seine Komik sind so wild deplatziert, dass die Vorstellung, wie er sein könnte, nicht besser sein kann als das, was er am Ende wirklich ist. ,Oh mein Gott' – das ist wirklich alles, was man sagen kann.“
Dieses Zitat befeuerte den Mythos um „The Day The Clown Cried“ zusätzlich, und viele Filmfans würden einiges dafür geben, zu den wenigen Glücklichen zu gehören, die sich ein eigenes Bild von dem legendär verrufenen Holocaust-Drama machen können. 2014 konnten sie zumindest vorsichtig aufatmen: Lewis überließ der Library Of Congress eine Kopie des Films – unter der Bedingung, dass er nicht vor 2024 zur Aufführung kommen dürfe. Also in diesem Jahr!
Lewis wird nicht mehr miterleben, wie das Publikum auf „The Day The Clown Cried“ reagiert, falls er in den kommenden Monaten tatsächlich öffentlich gezeigt wird: 2017 verstarb er im Alter von 91 Jahren. Wann, wo und in welcher Form der Film seine verspätete Premiere feiert, ist bislang nicht bekannt. Doch man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass es ein Ereignis wird.
Dieser Artikel ist in ähnlicher Form bei unserer spanischen Schwesternseite Espinof.com erschienen.