Das ist Hollywoods bestbezahlter unbekannter Job: Quentin Tarantino und eine "Star Wars"-Legende hatten ihn

Wenn man in Hollywood hinter der Kamera richtig viel Geld verdienen will, dann verdingt man sich am besten als sogenannter Skriptdoktor bzw. -doktorin. Mehrere Hunderttausend Dollar für wenige Tage oder Wochen Arbeit sind hier keine Seltenheit. 2016 stellte der Hollywood Reporter fest, dass die aktuell begehrtesten Skript-Doktor*innen der Branche pro Woche Arbeit 400.000 Dollar verlangen können. Seitdem dürften die Preise in der Spitze ganz sicher nicht gefallen sein. Doch was machen Skript-Doktor*innen eigentlich? Und welche bekannten Namen, bei denen es euch teilweise überraschen dürfte, haben den Beruf bereits ausgeübt?

Skript-Doktor*in: Hilfe in der Not

Der Name erklärt schon recht viel. Es geht um das Drehbuch und um eine Art von Verarzten. Meist kommen Skript-Doktor*innen zum Einsatz, wenn die Zeit drängt. Es wird in Kürze gedreht oder die Kameras laufen bereits und da fällt auf, dass das Drehbuch noch Schwächen hat. Doch vielleicht haben die ursprünglichen Autor*innen gerade keine Zeit oder man traut es ihnen nicht zu, sind sie doch für die bisherigen Probleme mitverantwortlich. Dann werden (heutzutage gerne auch gleich mehrere) Skript-Doktor*innen gerufen.

Sie überarbeiten normalerweise nicht das ganze Drehbuch, sondern werden regelmäßig punktuell eingesetzt. Müssen vielleicht hier die Dialoge ein wenig aufgefrischt werden? Oder soll noch eine Actionszene eingebaut oder umgeschrieben werden? Braucht es mehr Humor und bessere Gags?

Bei einigen der größten Meisterwerke kamen Skript-Doktoren zum Einsatz

Das hohe Salär für die Skript-Doktor*innen hat nicht nur damit zu tun, dass sie meist unter Zeitdruck arbeiten, nur Tage oder im besten Fall wenige Wochen zur Verfügung haben. Normalerweise müssen sie ihre Arbeit geheim halten und Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen. Dabei geht es nicht nur darum, dass man eventuelle Negativpresse vermeiden will, sondern auch um die komplizierten Regeln der Autorengewerkschaft, wer im Abspann eines Films wie genannt wird.

Skript-Doktor*innen verzichten meist auf diese Nennung, wobei es auch Fälle gab, in welchen ihre Überarbeitungen so umfangreich wurden, dass sie dann doch einen Anspruch auf Drehbuch-Credit durchsetzen konnten. Zudem sind die Übergänge fließend. Es gibt auch Autor*innen, die als gute Skript-Doktor*innen bekannt sind und daher schon frühzeitig verpflichtet werden und am Ende auch ganz offiziell an Bord des Projekts sind.

Das Verpflichten von Skript-Doktor*innen wird gerne erst einmal negativ betrachtet – was aber unberechtigt ist. Das Anheuern spricht nicht dafür, dass es sich um eine „Chaos-Produktion“ handelt oder gerade gewaltig was schiefläuft. Gerade noch rechtzeitig zu erkennen, dass etwas verbessert werden kann, ist schließlich besser als einfach die Augen zu schließen und weiterzumachen. Es gibt so auch große Klassiker wie „Der Pate“ oder „Schindlers Liste“, bei denen es solche Last-Minute-Korrekturen gab. Viele Fälle dürften uns zudem gar nicht bekannt sein – siehe die Verschwiegenheitserklärungen.

Die Geschichte der Skript-Doktor*innen

Doch wer macht diese Jobs? Oft sind es insbesondere jüngere Drehbuchautor*innen und Regisseur*innen, die gerade zwischen eigenen Projekten sind und womöglich noch nicht das große Geld verdient haben, um auch mal mehrjährige Durststrecken ohne eigenen Film zu überstehen. Aber es gab auch immer wieder Autor*innen, die darin ein besonderes Talent zeigten und es lange ausübten.

Als Urvater gilt heute der legendäre Autor Ben Hecht, der mit Regisseuren wie Howard Hawks, Alfred Hitchcock und Ernst Lubitsch arbeitete – wobei es zu seiner Zeit den Begriff „script doctor“ noch nicht wirklich gab. Damals war es ohnehin noch ganz normal, dass Autor*innen kollaborierten, oft standen sie gemeinsam bei Studios unter Vertrag, Filme entstanden in Schreibräumen. Doch Hecht, der Hollywood verabscheute und nur wenige Wochen im Jahr dort verbrachte, war besonders gefragt, wenn es um ein Aufpolieren ging.

Es ranken sich Mythen, an wie vielen Filmen er zusätzlich zu seinen rund 70 Drehbuch-Credits beteiligt war. Nur von wenigen Titeln wie „Vom Winde verweht“ oder „Meuterei auf der Bounty“ ist es durch historische Brieffunde belegt. Konservativere Schätzungen gehen davon aus, dass er an über 50 Drehbüchern zusätzlich beteiligt war, einige halten es sogar für realistisch, dass es über 100 Titel waren.

So richtig bekannt wurde der Begriff aber mit Robert Towne. Als junger Autor hatte er gerade sein zweites Filmskript für einen Western verkauft (das sollte dann - übrigens ohne Nennung für Towne – zu „Der gnadenlose Ritt“ werden). Dies geriet in die Hände von Warren Beatty, der als Hauptdarsteller von „Bonnie und Clyde“ unzufrieden mit dem bisherigen Drehbuch war. Er bat Towne, Hand anzulegen und anschließend machte in Hollywood die Geschichte die Runde, der junge Schreiber habe den zum Hit gewordenen Film gerettet. Nach dem Erfolg von „Bonnie und Clyde“ konnte sich Towne vor ähnlichen Anfragen nicht retten, schnell sechsstellige Beträge für seine Arbeit aufrufen.

Er war der Skriptdoktor bei dutzenden Projekten - u. a. „Der Pate“, was wir wissen, weil ihm Francis Ford Coppola bei der Oscarrede dankte. Obwohl er mit Werken wie „Chinatown“ zu einem der besten und bestbezahlten Drehbuchautoren avancierte, war er bis mindestens in die 2000er auch weiterhin als Skriptdoktor tätig. Towne schätzte an dem Job die Flexibilität und Ungebundenheit. An eigenen Drehbüchern saß er Monate, investierte viel Herzblut und musste am Ende vielleicht mitansehen, wie es aufgrund von Eingriffen durch Studio und Regie nicht so verfilmt wurde, wie er es sich vorgestellt hatte. Als Skript-Doktor konnte er für wenige Tage Hand anlegen, das Geld kassieren und ohne jede emotionale Verbindung zum Projekt wieder seines Weges ziehen.

Berühmte Skript-Doktor*innen – auch ein „Star Wars“-Star ist dabei

Wer in Hollywood ein Talent beim Schreiben von Drehbüchern offenbart, wird auch Angebote bekommen, als Skript-Doktor*in zu arbeiten. Daher kann keine Aufzählung vollständig sein, so gibt es hier nur ein paar exemplarische Namen. Christopher McQuarrie galt zum Beispiel schon lange vor seinem Erfolg mit den jüngeren „Mission: Impossible“-Filmen als der beste Mann, den man sich ranholen kann, wenn eine Actionszene verbessert oder ganz neu eingebaut werden musste. Noch heute bringt ihn Tom Cruise bei quasi jedem seiner Projekte, wenn er es nicht ohnehin mit McQuarrie macht, an Bord. Quentin Tarantino – das dürfte wenig überraschen– wurde früher gerne verpflichtet, um Dialoge zu verbessern, ein Job, den auch Aaron Sorkin immer wieder übernahm.

Aber es finden sich auch überraschende Namen in der Liste. Die 2016 verstorbene „Star Wars“-Legende Carrie Fisher galt sogar viele Jahre als die Beste in diesem Fach, Studios rissen sich Anfang bis Mitte der 90er Jahre förmlich um sie. Die Schauspielerin bezeichnete sich zu jener Zeit selbst einmal, den männlich geprägten Begriff „script doctor“ ablehnend, als „script nurse“, also Skript-Krankenschwester. Sie überarbeitete unter anderem „Hook“, „Lethal Weapon 3“ und „Mr. & Mrs. Smith“.

Sie ist nicht der einzige vor allem als Schauspieler*in bekannte Star mit Skript-Doktor*in-Erfahrung. Auch Donald Glover („Community“) oder „King Of Queens“-Star Patton Oswalt waren eine Zeitlang erfolgreich in diesem Metier tätig. Unter anderem auch Joss Whedon, Charlie Kaufman, Judd Apatow, Michael Arndt, Simon Kinberg, Chris Miller & Phil Lord sowie Shane Black gehören zu den gefragtesten Skript-Doktoren der vergangenen rund zwei Jahrzehnte.

Alle, die nun selbst von der Karriere als Skript-Doktor*in träumen, seien aber gewarnt: Meist sollte man sich vorher schon mit einem eigenen Drehbuch innerhalb der Branche einen Namen gemacht haben (dass es verfilmt wird, ist aber nicht nötig), um überhaupt auf dem Radar der Studios zu sein und Anfragen zu bekommen. Und in der heutigen Zeit gibt es ein Überangebot an talentierten Nachwuchsautor*innen, die um diese Jobs konkurrieren.

Es ist gerade bei mittelgroßen Produktionen wohl sogar verbreite Praxis geworden, gleich verschiedene noch unerfahrenere Skriptdoktor*innen anzuheuern und nur im Erfolgsfall ein Honorar zu zahlen – sprich: Nur wessen Änderungen genommen werden, bekommt die Kohle. Denn nur die richtig großen Namen können 400.000 Dollar pro Woche auch unabhängig vom Erfolgsfall verlangen, die dann gerade bei großen Blockbustern gerne gezahlt werden.

Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.