Bei True-Crime-Thrillern geht es oftmals vor allem darum, aufzuzeigen, wie Mörder, Täter und Co. überführt wurden – oder es eben schaffen konnten, den Ermittler*innen durch die Lappen zu gehen. „Auto Focus“ von Paul Schrader („Master Gardener“) weicht von dieser Formel jedoch ab, obgleich er auch vom bis heute ungeklärten Mord des „Ein Käfig voller Narren“-Stars Bob Crane erzählt. Ihm geht es aber weniger darum, ein kriminalistisches Narrativ zu bedienen, als vielmehr in das Innenleben seines ambivalenten Protagonisten einzutauchen.
Ihr habt „Auto Focus“ bislang noch nicht gesehen? Bei Amazon Prime Video könnt ihr euch den Film mit Greg Kinnear („Besser geht’s nicht“) in der Hauptrolle für einen schmalen Taler leihen. Alternativ steht dort auch eine Kaufversion zur Verfügung. Die DVD zum Film ist leider schon seit Jahren vergriffen – und eine deutsche Blu-ray ist bislang noch nicht erschienen.
Darum geht’s in "Auto Focus"
Der Erfolg der Kriegs-Sitcom „Ein Käfer voller Helden“ bringt dem ehemaligen Radio-Moderator Bob Crane (Greg Kinnear) in den 1960er-Jahren schlagartig großen Ruhm ein. Als Hauptdarsteller der beliebten Serie kann er die angenehmen Seiten des Lebens in vollen Zügen genießen. Die Freundschaft zum Videotechniker John Carpenter (Willem Dafoe) scheint schließlich den Abstieg in Cranes Leben einzuleiten.
Carpenter verführt ihn dazu, seine sexuellen Fantasien auszuleben und diese auch auf Video zu dokumentieren. Crane verfällt mehr und mehr den Abgründen seiner Sexsucht. Sein Privat- und Berufsleben entgleitet ihm zusehends, nachdem „Ein Käfer voller Narren“ eingestellt wird. Seine Bemühungen, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, erweisen sich als vergeblich. Und dann zerstreitet er sich auch noch mit John Carpenter. Am 29. Juni 1978 wurde Bob Crane dann tot in seinem Bett vorgefunden. Er wurde mit einem Videostativ erschlagen...
Kein typischer True-Crime-Thriller
Obgleich „Auto Focus“ letztlich auf den bis heute ungeklärten Mord an Bob Crane hinausläuft, ist Paul Schrader nicht daran interessiert, die klassische Erzählformel von True-Crime-Thrillern zu bedienen. Ihm geht es vielmehr darum, den Blick auf eine Gesellschaft zu richten, der die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Abgründe nun auch dank der damals neumodischen Autofokus-Technik scharf zu ziehen.
In „Auto Focus“ geht es einmal mehr um Männer, die sich immerzu ihrer eigenen Potenz vergegenwärtigen müssen. Das kennen wir auch von anderen Arbeiten Schraders („Taxi Driver“ ist dafür wohl ein Paradebeispiel). Es wird für Bob und John nicht nur zur Obsession, sich die Aufnahmen ihrer sexuellen Eskapaden immer wieder anzuschauen (und dazu zu masturbieren), sondern auch zu einer Art virilen Rückversicherung. Das Erforschen fragiler Maskulinität ist – wie üblich bei Schrader – auch hier tonangebend.
Greg Kinnear, den man wohl am ehesten mit komödiantischen Arbeiten in Verbindung bringt, ist die Paradebesetzung für Bob Crane, der wie ein kleiner, naiver Junge überhaupt nicht mitbekommt, dass er sich selbst zerstört – und sein Leben im Prinzip schon beendet hat, noch bevor ihm der Schädel mit einem Videostativ zertrümmert wurde. Quittiert wird dieser Untergang auch formal. Die sonnendurchfluteten Bilder zu Anfang weichen zusehends stärker ausbleichenden Farben. Am Ende wirkt „Auto Focus“ selbst wie ein schmuckloses Home Video.
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