Bislang gab es „The Last Of Us“ in Deutschland nur bei Sky, dem zugehörigen Streamingdienst WOW und als Kauf-VoD zu sehen. Nun ist die überschwänglich gefeierte Videospieladaption auch auf DVD, Standard-Blu-ray und als 4K-Blu-ray erschienen. Anlass genug, um sich noch einmal mit einigen der Darsteller*innen über die Ausnahmeserie auszutauschen. Nach „Tommy“ Gabriel Luna steht uns mit Merle Dandridge ein ganz besonderes Cast-Mitglied Rede und Antwort, hat sie doch sowohl in der Videospiel-Vorlage als auch nun in der Serie die Rolle der toughen Firefly-Anführerin Marlene verkörpert.
Aber auch abseits von „The Last Of Us“ hat Dandridge in der Vergangenheit einigen beliebten Videospielfiguren wie etwa Alyx Vance aus dem Shooter-Hit „Half-Life 2“ ihre markante Stimme geliehen. Warum sie selbst allerdings keine Gamerin ist und ob wir Marlene trotz ihres Schicksals in Staffel 1 in Staffel 2 noch einmal wiedersehen könnten, erklärt sie uns im Interview...
FILMSTARTS: Bist du selbst Gamerin oder war es eher Zufall, dass du im Laufe deiner Karriere gleich mehrere ikonische Videospielfiguren gesprochen und gespielt hast?
Merle Dandridge: Ich wünschte, ich wäre eine Gamerin. Ich habe es so sehr versucht, diese Spiele zu spielen, da sie mir wirklich viel bedeuten. Im Videospielmedium gibt es einige meiner absoluten Lieblingsgeschichten. Und die Videospielfiguren, die ich verkörpern durfte, gehören zu den ausgefeiltesten und wundervollsten Figuren überhaupt. Es war immer eine tolle Erfahrung, das zu machen. Aber aus irgendeinem Grund komme ich trotz meiner guten Hand-Auge-Koordination einfach nicht mit Controllern klar.
FILMSTARTS: Aber auch aus diesem Grund hat die Adaption nun auch für dich sicher einen besonderen Reiz, da ihr diese Geschichte damit für ein neues Publikum öffnet. Ich jedenfalls war sehr froh darüber, diese Erfahrung jetzt endlich mit meiner Freundin teilen zu können, die absolut nichts mit Videospielen am Hut hat...
Merle Dandridge: Das ist fantastisch. So viele Leute, die sich für diese Geschichte und die Figuren eingesetzt haben und eine Leidenschaft dafür haben, haben nun diese Erfahrung, die du beschreibst. Sie können das jetzt mit ihren Liebsten auf eine Weise teilen, die ihnen mehr zusagt, als dir 14 Stunden dabei zuzusehen, wie du das Spiel spielst.
FILMSTARTS: Wie hat es sich eigentlich ergeben, dass du auch in der „Last Of Us“-Serie noch einmal Marlene spielen durftest? Musstest du noch einmal dafür vorsprechen?
Merle Dandridge: Das musste ich, ja. Und dann habe ich einen Anruf von Neil Druckmann, dem Macher des Spiels, bekommen, bei dem er mir mitteilte, dass er sehr glücklich darüber sei, mich erneut als Marlene zu casten. Und es war wichtig, diesen Prozess zu durchlaufen, da ich als Künstlerin zehn Jahre nach dem ersten Spiel anders war. Und die Art und Weise, wie sie Marlene mit dem Input des brillanten [Showrunners] Craig Mazin nun bei der Adaption darstellen wollten, war auch ein wenig anders als damals. Gleichzeitig habe ich mich auch gefragt: Kann ich das überhaupt? Schließlich habe ich sie vorher nur mittels Motion Capture verkörpert. Es war eine aufregende Herausforderung.
FILMSTARTS: Was ist denn für dich der wesentliche Unterschied zwischen der Videospiel-Marlene und der Serien-Marlene? Und hast du dich der Rolle deswegen auf unterschiedliche Weise genähert?
Merle Dandridge: Von ihrer Hintergrundgeschichte ist vieles gleich geblieben. Aber wie ich zu dieser Geschichte als Künstlerin stehe, war mit zehn Jahren mehr Lebenserfahrung etwas anders. Und einige der Kernpunkte dessen, wer sie ist, waren etwas anders, zum Beispiel ihre Beziehung zu Ellie. Im Spiel wird impliziert, dass sie ein Team waren und Ellie sie schon länger als Mutterfigur gekannt hat. In der Serie trifft Ellie nun aber zum ersten Mal auf Marlene.
Aber mit nur einer wundervoll geschriebenen Szene sehen wir, wie die Verbindung zwischen ihnen gefestigt wird, sodass Ellie ihr schließlich ihr Leben anvertraut. Das war ein großes Wagnis und hat dieser Szene viel Gewicht verliehen. Aber von dem Moment an, als ich [Ellie-Darstellerin] Bella [Ramsey] getroffen habe, wusste ich, dass wir es hinkriegen, das Ganze glaubhaft zu machen. Bella ist so eine offene Person, so empathisch, freundlich und gefühlvoll. Wir haben uns sofort super verstanden.
Mehr als nur eine Nacherzählung
FILMSTARTS: Und ihr hattet auch die Möglichkeit, deine Figur noch zu erweitern, wie etwa in der Flashback-Szene mit Ellies Mutter Anna, die von Original-Ellie Ashley Johnson gespielt wird. Wie war das für dich?
Merle Dandridge: Als ich erfahren habe, dass Ashley dabei ist, habe ich vor Freude geweint, einerseits für mich, weil wir gemeinsame Szenen haben, andererseits aber auch für die Fans, die das zu sehen bekommen. Als Hardcore-Videospielfan weiß man, dass an jeder Ecke des Spiels kleine Hinweise auf noch viel mehr Geschichten zu entdecken sind, die nun teilweise ihren Weg in die HBO-Adaption finden und so auch in Zukunft für noch mehr Überraschungen bei den Fans sorgen werden. Wahrscheinlich wussten auch viele Spieler*innen nicht über die Tiefe von Marlenes und Annas Beziehung Bescheid, wenn sie nicht den entsprechenden Hinweis im Spiel gefunden haben. Es war aufregend, eine der schrecklichsten und traumatischsten Erfahrungen auszuarbeiten, die Marlene zu der eisernen Soldatin gemacht hat, die wir kennen.
FILMSTARTS: Du bist tatsächlich die einzige Original-Darstellerin des Spiels, die nun dieselbe Rolle auch in der Serie bekleidet. Was denkst du, ist der Grund dafür?
Merle Dandridge: Ich bin mir sicher, sie hätten 100 fantastische Schauspielerinnen für die Rolle casten können. Aber ich habe eine besondere Verbindung zu ihr, was sich hoffentlich auch auf den Bildschirm übertragen hat. Außerdem hat es den Fans auch deutlich gemacht, dass wir sie wahrnehmen. Und genau genommen bin ich ja eigentlich gar nicht die Einzige, die ihre Rolle aus dem Spiel auch in der Serie spielen durfte. Es gibt da eine gewisse Krankenschwester in der letzten Szene… (lacht)
FILMSTARTS: Du hast völlig Recht, aber das ist ja eher ein verstecktes Easter Egg, anders als bei deiner Rolle.
Merle Dandrige: Das stimmt. Es ist eine weitere Anspielung für die Fans, die zeigt, dass wir die Vorlage genauso sehr lieben wie sie und ihr treu bleiben wollen.
FILMSTARTS: Hattest du denn beim Dreh selbst schon eine Ahnung davon, wie besonders das ganze Projekt ist und dass es so gut ankommen würde? Gerade erst wurdet ihr für zig Emmys nominiert.
Merle Dandridge: Darüber freue ich mich wirklich, das ist so verdient. Als ich die Drehbücher las, konnte ich nicht glauben, wie diese Geschichten auf solch eine Weise umgesetzt wurden, dass es selbst für jemanden wie mich, der die Vorlage so gut kennt, schon beim Lesen so herzzerreißend war. Und dann ins Set zu kommen und zu sehen, mit welcher Kunstfertigkeit jeder Einzelne all das zum Lecken erweckt hat, war einfach toll. Meine Augen sind am Set und dann auch beim Schauen der Serie ständig überall hingewandert, um alles zu erfassen. Ich war gerührt, weil ich gesehen habe, wie sehr es den Leuten am Herzen liegt.
FILMSTARTS: Zum ersten „The Last Of Us“ gibt es ein mittlerweile legendäres „alternatives“ Musical-Ende von den Motion-Capture-Aufnahmen. Gab es ähnlich verrückte Momente auch beim Dreh der Serie, um die bedrückende Stimmung des Stoffes ein wenig aufzuheitern?
Merle Dandridge: Es wurde unfassbar viel herumgealbert, manchmal vielleicht sogar etwas zu viel, da wirklich viel am Set gelacht wurde und alle so viel Spaß hatten. [Joel-Darsteller] Pedro [Pascal] und Bella sind saukomisch. Wirklich besonders war aber der Drehtag mit der Giraffe, bei dem ich mit am Set war. Aber auch die Gelegenheit, in Marlenes Haut zu schlüpfen und wirklich in dieser Welt zu leben und nicht bloß auf einer Motion-Capture-Bühne zu stehen, war für mich ein unerschöpflicher Quell für gute Laune.
Marlene-Flashback in "The Last Of Us" Staffel 2?
FILMSTARTS: Besteht denn vielleicht die Möglichkeit, dass wir Marlene in Staffel 2 wiedersehen? Im zweiten Spiel hat sie ja eine ziemlich wichtige Flashback-Szene.
Merle Dandridge: Das Tolle ist, dass das Storytelling non-linear ist, es wird viel in der Zeit hin und her gesprungen. Die Möglichkeiten, diese Geschichten zu erzählen, sind also endlos. Und ja, Marlene hat eine größere Geschichte im zweiten Spiel, es gibt also noch viel über sie zu erzählen.
Lust auf noch ein weiteres Interview mit Merle Dandridge? Bei unseren Kolleg*innen von GamePro geht es unter anderem um queere Beziehungen in der Serie.
FILMSTARTS: Wie siehst du das kontroverse Ende der ersten „The Last Of Us“-Staffel? Bist du eher auf Joels oder eher auf Marlenes Seite?
Merle Dandridge: (lacht) Das Ende von „The Last Of Us“ steckt so voller Emotionen und bietet einfach die perfekte Vorlage für Diskussionen. Darüber werden Leute noch lange Zeit sprechen. So schrecklich, wie Joel in einigen Momenten erscheint, ist es doch so großartig geschrieben, dass das Publikum Verständnis und Empathie für seinen Schmerz hat. Gleichzeitig fragt man sich, besonders nach einer realen Pandemie, was man opfern würde, um nicht nur sein Umfeld, sondern alle zu retten. Auf wessen Seite stehe ich also? Ich weiß es nicht. Das könnte ich niemals sagen. In einem Moment ist es der eine, im anderen die andere.
Hinweis: Das obige Interview wurde vor dem aktuellen Streik der amerikanischen Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA geführt.
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