Mit „Dahmer – Monster“ ist Netflix 2022 ein echtes Serienphänomen gelungen. Das Format über den realen Serienkiller Jeffrey Dahmer, der seine männlichen Opfer nicht nur getötet hat, sondern auch durch seinen Hang zur Nekrophilie und Kannibalismus schaurige Berühmtheit erlangen konnte, überzeugte als subtiles Protokoll einer geschundenen Seele. Am Ende hielt sich „Dahmer“ nicht nur über Wochen in den internen Netflix-Charts und erfuhr jede Menge Lob (aber auch Kritik), sondern brachte Hauptdarsteller Evan Peters auch seinen ersten Golden Globe ein.
Mit „Dahmer – Monster“ wurde euer Interesse an Serienkiller-Stoffen geweckt? Ihr habt aber dennoch nicht viel Lust darauf, große Blutbäde oder sonstige Gewaltexzesse zu sehen? Dann seid ihr bei Netflix erneut an der richtigen Adresse. Dort steht mit „The Clovehitch Killer“ nämlich ein Film im Abo zur Verfügung, der genau nach eurem Geschmack sein dürfte. Anstatt auf billige, sehr vordergründig gehaltene Schockeffekte zu setzen, beobachtet Duncan Skiles in seinem von Tatsachen inspirierten Geheimtipp vielmehr auf zurückhaltende Art und Weise, wie eine Kleinstadt in stetiger Angst vor sich hin schmort.
Darum geht’s in The Clovehitch Killer
Der 16-jährige Tyler Burnside (Charlie Plummer) wächst in einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA als unbescholtener Junge auf. Über dem Ort liegt immer noch der schwarzen Schatten des sogenannten Clovehitch Killers, der hier vor zehn Jahren sein Unwesen getrieben hat und die Stadt in ihren Grundfesten erschütterte. Dieser tötete damals mehrere Frauen auf sehr bestialische Weise, hörte damit aber plötzlich auf und wurde nie gefasst.
Eines Tages entdeckt Tyler während eines Dates mit Katti (Madisen Beaty) ein altes, verstörendes und pornografisch wirkendes Foto im Auto seines Vaters (Dylan McDermott). Er fängt daraufhin an, ein wenig weiter herumzuschnüffeln – und stößt neben einigen Sado-Maso-Magazinen auch auf einen Bauplan des Familienhauses, auf dem ihm völlig unbekannte Kellerräume eingezeichnet sind. Bald keimt ein schrecklicher Verdacht in ihm auf: Ist sein eigener Vater etwa der gesuchte Serienkiller?
Inspiriert von wahren Ereignissen
In „The Clovehitch Killer“ hat man sich den wahren Fall von Dennis Rader als Inspiration herangezogen, der als BTK-Killer über Jahrzehnte hinweg grausame Berühmtheit erlangte. Zwischen 1974 und 1977 sowie 1985 und 1991 hat dieser mindestens zehn Menschen umgebracht. Seine Vorgehensweise ergibt sich dabei direkt aus den Initialien seines Namens: Bind (fesseln), Torture (foltern), Kill (töten). Besonders an diesem Fall ist auch, dass der BTK-Killer immer wieder über Jahre pausierte, bevor er weiter mordete. Gefasst wurde er schließlich 2005, als die Polizei einen letzten nötigen Hinweis erhalten hat. In der zweiten Staffel von Netflix' „Mindhunter“ wurde der Fall ebenfalls angeschnitten.
„The Clovehitch Killer“ aber bemüht sich nun nicht um eine akkurate Rekonstruktion der Vorfälle, sondern hat sich – wie gesagt – lediglich vom BTK-Killer inspirieren lassen. Duncan Skiles und Drehbuchautor Christopher Ford („Spider-Man: Homecoming“) geht es in diesem Fall auch weniger darum, die Faszination für Serienkiller greifbar zu machen (so wie es „Dahmer – Monster“ auf Netflix etwa getan hat). Vielmehr versucht man sich hier daran, eine Mischung aus Kleinstadt-Porträt, Coming-Of-Age-Geschichte und Vater-Sohn-Beziehung zu behandeln. Nicht der Schrecken selbst steht im Vordergrund, sondern eher die Art und Weise, wie die Schrecken seinen Platz im Alltag findet.
Nach klassischen Genre-Parametern funktioniert „The Clovehitch Killer“ erst dann, wenn Tyler immer stärkeren Verdacht dahingehend hegt, dass sein Vater (der famos von Dylan McDermott verkörpert wird) womöglich der berühmt-berüchtigte Serienkiller ist. Skiles' entschleunigte, sehr umsichtige Inszenierung bleibt dabei bis zum Ende vor allem in beobachtender Position. Die Gewalt, die immer mehr Einzug in den Film erhält, wird nicht voyeuristisch ausgebeutet. Am Ende geht es „The Clovehitch Killer“ um das große Ganze.
Es heißt ja, dass Serienkiller immer darauf hinweisen, was in seiner Gesellschaft momentan falsch läuft. Im Falle von „The Clovehitch Killer“ ist der Serienkiller auch das verstörende Symbol einer konservativ-christlichen Gemeinde, die durch ihre rückständige Fassade erst den geeigneten Nährboden für extreme menschliche Abgründe liefert. Und da treffen sich „The Clovehitch Killer“ und „Dahmer – Monster“ letztlich endgültig: Es gibt hier nicht um das Wie, sondern immerzu um das Warum.
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