Severus Snape ist einer der faszinierendsten Charaktere des Harry Potter-Universums. Als Lehrer für Zaubertränke war er eine geheimnisvolle Autoritätsfigur. Als enger Vertrauter Dumbledores mit Todesser-Vergangenheit war er ein ambivalenter Charakter, von dem man sich nie ganz sicher sein konnte, auf wessen Seite er stand. Vor allem war er jedoch eines: Ein Held mit einer tragischen Liebesgeschichte, die ihn fest an Harry Potter band.
Dieses differenzierte Charakterbild war Anlass dafür, dass Alan Rickman sich dafür entschied, in „Harry Potter und der Stein der Weisen“ erstmals Snape darzustellen. Er ließ sich erst nach einem Gespräch mit J.K. Rowling dazu begeistern. In diesem legte sie ihm offen, was sie mit der Figur vorhatte. So konnte Rickman erkennen, dass in Snape mehr steckte als ein einfacher Antagonist. Einen solchen wollte er zu diesem Zeitpunkt nicht verkörpern, da er befürchtete, immer nur für die Rolle des Bösewichts gecastet zu werden.
Zum Glück konnte Rowling ihn überzeugen. Rickman war die perfekte Besetzung für Snape. Dabei hätte es gut sein können, dass er in den kommenden Fortsetzungen auf die Rolle verzichtet hätte. Zum einen hatte er zeitweise wenig Lust auf weitere Potter-Verfilmungen. Zum anderen wurde ihm 2005 Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert, woran er 2016 verstarb. Es wäre möglich gewesen, dass ihm seine Gesundheit ein weiteres Mitwirken nicht erlaubt hätte.
"Zieh es durch. Es ist deine Geschichte"
Anfang letzten Jahres erschien zum 20-jährigen Jubiläum der „Harry Potter“-Verfilmungen das Special „Harry Potter 20th Anniversary: Return to Hogwarts“. In diesem hatten die Schauspieler*innen die Möglichkeit, noch einmal auf diesen großen Lebensabschnitt zurückzublicken und zu erklären, was ihnen Hogwarts bedeutete. Auch für Fans war das ein großes Ereignis, bei dem sie nicht umher kamen, den Stars zu gedenken, die in den letzten Jahren verstorben waren.
Darunter Alan Rickman, der mehr als ein Jahrzehnt vor seinem Tod von seiner Erkrankung wusste. Letztes Jahr erschienen seine Tagebücher unter dem Titel „Madly, Deeply: The Alan Rickman Diaries“. In diesen lässt sich nachlesen, was Rickman dazu brachte, trotz seiner Erkrankung an der Rolle des Severus Snape festzuhalten und sie zu einem Abschluss zu bringen.
The Guardian hat einige Auszüge chronologisch gesammelt und vorab veröffentlicht. Darunter dieses Bekenntnis aus dem Jahr 2006 im Zuge von „Harry Potter und der Orden des Phoenix“: „Die Stimmung ist weder gut noch schlecht. Das Argument, das zählt, ist das, was sagt: Zieh es durch. Es ist deine Geschichte.“ Rickman wollte zu Ende bringen, was er angefangen hatte. Doch das war nicht der einzige Grund.
Einige Monate später schrieb er: „Ich habe das letzte ‚Harry Potter‘-Buch fertig gelesen. Snape stirbt heldenhaft, Potter beschreibt ihn seinen Kindern als einen der mutigsten Männer, die er jemals kannte, und nennt seinen Sohn Albus Severus […] Ein kleiner Hinweis von J.K. Rowling sieben Jahre vorher – Snape hat Lilly geliebt – gab mir eine Klippe, an der ich mich festhalten konnte.“
Alan Rickman bleibt unvergessen!
Die Liebe zwischen Snape und Lilly und der Glaube daran, dass Snape mehr als ein bloßer Bösewicht war, veranlassten Rickman dazu, dabei zu bleiben. Das ist besonders erstaunlich, weil Rickman schon vor seiner Diagnose mit dem Gedanken spielte, die Rolle abzulehnen. So finden sich in seinen Tagebüchern seit 2002, nach Erscheinen von „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“, immer wieder Erwägungen, auszusteigen.
Rickman beklagte teils Unlust aufs Showbusiness, teils das Gefühl, in den Fortsetzungen würde sich Altbekanntes stetig wiederholen. Am Ende blieb er jedoch dabei. Wir sind sehr froh darüber! Doch selbst wenn er den Lehrstuhl als Professor für Zaubertränke vorzeitig abgegeben hätte, wäre Alan Rickman unvergessen geblieben. Nicht nur für seine Performance als Snape, sondern auch für die Rollen, die er zuvor und danach besetzte.