Wenn ein prunkvoller Film mit Stars wie Margot Robbie und Brad Pitt aufwartet, sowie mit heißblütiger Musik von „La La Land“-Komponist Justin Hurwitz, doch dieser Film mit einem Elefanten beginnt, der die Kamera vollkackt, bevor aus einer glamourösen Hollywood-Party quasi eine Orgie wird – dann hat man „Babylon – Rausch der Ekstase“ vor Augen, einen echten Spalter! Doch obwohl die 80-Millionen-Dollar-Produktion längst in fast allen Märkten gestartet ist, hat sie bloß etwas mehr als die Hälfte ihres Budgets eingespielt.
Dem stehen ein Golden-Globe-Gewinn und drei Oscar-Nominierungen gegenüber, ähnlich wie der recht harsche US-Pressekonsens durch positiveres Echo aus Europa erwidert wird – etwa mit starken vier Sternen bei FILMSTARTS. Regisseur Damien Chazelle äußerte sich in Interviews bereits erfreut über die kontroverse Natur seines Films, der jetzt für's Heimkino vorbestellbar ist, wo er bald sicher weiter für Debatten sorgen wird. Einen offiziellen Erscheinungstermin gibt es noch nicht (Amazon listet den Film aktuell für 30. Juni).
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Einem Ausnahmefilm wie „Babylon“ gebührt jedoch, nicht bloß in Standardpackung zu erscheinen: Das urkomische, nervenaufreibende, beschwingte und niederschmetternde Filmindustrie-Drama kommt auch als edle Limited Edition auf den Markt:
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Bei Amazon ist die Steelbook-Edition zwar gelistet, aber zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Artikels nicht auf verfügbar. Augen aufhalten lohnt sich also, und wer auf Nummer sicher gehen will, schaut einfach gen MediaMarkt und Saturn, wo Vorbestellungen aktuell möglich sind.
Beide 4K-Editionen enthalten „Babylon“ zusätzlich auf Blu-ray. Außerdem wird es Bonusmaterial über die Entstehung des Films und die künstlerischen Absichten dahinter geben. Ausführliche Extras sind leider zur Seltenheit geworden – umso schöner, dass hier der Blick hinter die Kulissen nicht der Schere zum Opfer fiel.
"Babylon": Ein tumultartiger Liebesbrief, verfasst mit giftiger Tinte
Manny Torres (Diego Calva) liebt das Kino und will es mitprägen – erledigt jedoch bloß Drecksjobs. Auf einer berauschenden Party trifft er allerdings Nellie LaRoy (Margot Robbie), die um jeden Preis Schauspielstar werden möchte, sowie Kino-Ikone Jack Conrad (Brad Pitt). Aus chaotischen Ausnahmesituationen entwachsen unvorstellbare Chancen, schon bald darauf drücken Manny und Nellie der späten Stummfilmära ihren Stempel auf ...
... doch die Traumfabrik hat ihren Namen nicht ohne Grund: So magisch und opulent die Höhen, so unmenschlich die Tiefen. Hollywood fertigt seine Stars und Kreativen wie am Fließband ab, und nicht nur Manny, Nellie und Jack müssen schauen, wo sie bleiben. Auch Jazzmusiker Sidney Palmer (Jovan Adepo), Texttafelautorin Lady Fay Zhu (Li Jun Li), die zudem als laszive Sängerin tätig ist, sowie Klatschreporterin Elinor St. John (Jean Smart) stellen sich den lodernden Flammen des Kunstinfernos Hollywood.
Ein Auftakt mit Elefantenkot, dem Urin eines angehenden (und zugedröhnten) Leinwandsternchens und einer höllischen Party. Es folgen Sequenzen, die Dreharbeiten wie einen abenteuerlichen Kriegszug wirken lassen – oder wie einen fiebrig-glühenden, kafkaesken Albtraum zermürbender Wiederholungen und erdrückender Ungeduld. Anschließend: Qualvolle Abwärtsspiralen, die liebgewonnene Figuren dazu drängen, um ihre Integrität und Moral zu ringen, wenn nicht gar um ihre Existenz.
Unentwegt schleudert „Whiplash“-Macher Damien Chazelle das Publikum umher, zwingt es, angespannt zu erstarren, kaum dass es sich an die frenetische Energie von „Babylon“ gewöhnt hat. Scheucht es auf, kaum dass es sich in eine besorgte Ehrfurcht eingenistet hat. Und dann wieder von vorn!
Selbst ohne Exkremente, derbe Gesten und leichtsinniges Spiel mit infernalischem Feuer ist klar, weshalb „Babylon“ nicht aus dem Stand heraus einhellig als Klassiker vergöttert wird: Chazelle lädt uns dazu ein, die Schuhe seiner Hauptfiguren zu füllen. Und die schleudert er für drei Stunden dermaßen durch, als hätte er den diabolischen Auftrag, die Essenz der Unterhaltungsindustrie herzustellen. Das muss man mitmachen wollen und können.
Aber wenn man es mitmacht und mit schafft, darf man aus erster Reihe miterleben, wie aus besagter Essenz eine toxische Tinte generiert wird, die der Regisseur und Autor produktiv nutzt: Er verfasst einen Liebesbrief an bewegte Bilder. So desolat das Branchenbild ist, das Chazelle zeichnet, so einnehmend und bezaubernd beschreibt er Filme. Sind sie doch die unschuldigen Kinder, die aus der Ehe zwischen unkontrollierbaren, egomanischen Menschen und einer empathie- und würdelosen Industrie entstehen.
Die unglaubliche Geschichte eines der größten Flops aller Zeiten: Drogen, Kinderpornographie und 30 Dollar Einspiel!Bereits mit seiner eklektischen Machart ist „Babylon“ eine Verneigung vor den unendlichen Möglichkeiten des Kinos. Reicht die epochal aufgezogene, prächtig-dreckige Tragikomödie doch von derbe bis feinfühlig und von grob-grotesk bis filigran-intim. Ist mal krachend laut, dann mucksmäuschenstill. Geht es in der einen Szene chaotisch zu, so ist gewiss, dass penible Ordnung folgen wird.
Wiederholt wird pietätvoll-nostalgisch zurückgeblickt, nur um dann zur Filmanarchie aufzurufen, etwa durch ein historisch akkurat aufgestelltes Jazzorchester, das einheizt, als wäre es von AC/DC beseelt. Und so logisch schmerzend manche Mahnung vor untragbaren Branchenpraktiken, so assoziativ vom Herzen kommend ist der Jubelschrei über die Macht des Kinos, uns zu transportieren und zurückgelassene Personen, Stile und Orte erneut aufleben zu lassen.
Es ist ein widerborstiger Film, und somit gebührend einer gleichermaßen unbequemen wie heimeligen Mediengeschichte. Es ist aufbauend, dass Chazelle nicht nur die hitzigen Reaktionen auf „Babylon“ begrüßt, sondern rechtzeitig erkannt hat, dass seine giftige Liebeserklärung einen fast selbstzerstörerischen Abschluss braucht. Konsequent!
Falls ihr „Babylon“ ganz in diesem Geiste weiterleben lassen wollt, verschönert euch das Warten auf den Heimkinostart doch mit einem (erneuten) Kinobesuch dieses Bilderreigens. Und hört auf dem Weg dahin den dazugehörigen Leinwandliebe-Podcast, der vorführt, wie unterschiedlich diese Zeitreise in eine der vielen, schmerzenden Kino-Wachstumsphasen wirken kann!
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