Achtung: Wie sich bereits aus der Überschrift entnehmen lässt, wird in dem nachfolgenden Meinungstext der große Finalkampf von „Avatar 2: The Way Of Water“ diskutiert. Es sind daher SPOILER enthalten!
Ich habe „Avatar 2: The Way Of Water“ nun bereits zwei Mal in starkem 3D auf der großen Kinoleinwand gesehen. Und auch wenn das Sequel zu „Avatar“ insgesamt nicht über drei Stunden dauern müsste und uns James Cameron mal wieder ein paar unfreiwillig komische sowie platte Dialoge auftischt, ist sein Film ein Erlebnis. Vor allem die Bilder der Unterwasserwelten haben mich begeistert. Dazu zählt auch das bombastische Finale mit seinen deutlichen „Titanic“-Referenzen. Trotzdem habe ich gerade mit diesem Teil des Films ein großes Problem.
Und ich möchte hier nicht auch noch in den Chor der vielen Kritiker*innen einstimmen, die zurecht bemängeln, dass dies alles dann doch etwas zu lang ist und es vielleicht eine Kindesentführung zu viel gibt. Das stimmt, aber mein Problem ist ein ganz anderes: So bombastisch und toll das alles aussieht, so wenig hat es Cameron im Finale geschafft, mir ein Gefühl zu geben, einen echten Kampf zu erleben, an dem es an zahlreichen Fronten dauerhaft kracht. Denn ihm unterlaufen Kardinalfehler, die im Blockbuster-Kino bei großen Showdowns viel zu oft passieren.
Stichwörter: Mangelnde Übersichtlichkeit und verschwindende bzw. stehenbleibende Figuren...
Wer macht gerade was?
Was meine ich damit? Das Finale von „Avatar 2: The Way Of Water“ ist bewusst chaotisch. Dieses Mal konnte Jake (Sam Worthington) die Konfrontation mit Quaritch (Stephen Lang) nicht planen - wie noch vor dem Finale von „Avatar“. Er muss reagieren. Dieses Chaos ist nichts Schlimmes, es kann der Action helfen und vor allem die Anspannung unterstützen – und macht das auch hier in den ersten Minuten, wenn sich die Kontrahenten zu Beginn in größerer Entfernung gegenüberstehen.
Wenn dann aus der Tiefe des Meeres der Tulkun Nalutsa auftaucht und der wahre Showdown beginnt, ist das ein imposanter Moment, auf den noch viele weitere folgen. Was nun kommt, ist erst einmal hochklassig. Wenn die Na'vi vom Metkayina-Clan und Nalutsa die Menschen dezimieren sowie auf deren Walfänger ein Überlebenskampf beginnt, geht es an allen Fronten hoch her. Schließlich haben wir zwischendrin noch die bedrohten Kinder und die Konfrontationen von Jake und Quaritch.
Doch viel zu schnell hatte ich den Eindruck, dass James Cameron und seinem Team das Geschehen ein wenig über den Kopf wuchs – und er nicht mehr wusste, was er an verschiedenen Ecken des Geschehens noch erzählen und zeigen soll. So verschwinden nach und nach Teile dieser Auseinandersetzung völlig aus dem Fokus. Das sorgt zum einen dafür, dass mein Überblick verschwand: Was macht wer gerade? Ich wusste es nur noch von den Figuren, die gerade wirklich zu sehen sind. Ein herausragendes Actionfinale schafft es aber, dir ein Gefühl davon zu vermitteln, was außerhalb des sichtbaren Bildes passiert.
Sind die Metkayina nach Hause gegangen?
In „Avatar 2“ ist das Gegenteil der Fall. Figuren scheinen nur noch zu handeln, wenn sie im Bild sind. Die anfangs aus der Luft angreifende Neytiri (Zoe Saldana) verschwindet irgendwann für Minuten, nur um erst in einem tragischen Moment erneut aufzutauchen und ab da wieder eine Rolle zu spielen. Noch schlimmer ignoriert wird der Metkayina-Clan. Reiten Tonowari (Cliff Curtis), Ronal (Kate Winslet) und ihr Volk einfach irgendwann nach Hause? Zumindest verschwinden sie völlig aus dem Geschehen, spielen beim ganzen Überlebenskampf rund um das untergehende Schiff quasi keine Rolle mehr – nur Tsireya (Bailey Bass) ist noch vor Ort, muss aber ohne die Unterstützung ihrer Eltern auskommen.
Eine kurz in das Geschehen eingebaute Feuerwand, die uns zeigen soll, dass die letzten Kämpfenden auf dem Schiff vom Rest abgeschottet sind, wirkt nur wie eine (zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon sehr späte) Rechtfertigung, alles außerhalb zu ignorieren.
Natürlich rückt ein solcher Showdown immer die Hauptfiguren in den Mittelpunkt. Die interessieren uns, mit denen fiebern wir mit. Wie Nebenfiguren sich bekämpfen, kann tolle, befriedigende Momente bescheren (die Arm-Ab-Szene sorgte bei der Deutschlandpremiere gar für kurzen Szenenapplaus im Kino), ist aber sekundär.
Das Kunststück ist es daher, zumindest den Eindruck zu erwecken, dass diese Nebenfiguren weiter da sind, auch wenn wir nur die Hauptfiguren sehen. Das schafft „Avatar 2“ nicht. Hier setzte bei mir irgendwann das Gefühl ein, dass alle anderen Figuren nun stillstehen oder nach Hause gegangen sind. Dies hat der Vorgänger besser gemacht. Dort war das Finale nicht nur übersichtlicher, sondern involvierte mich dadurch auch viel mehr. Ich konnte mehr mitfiebern.
Kritik auf hohem Niveau: Schaut "Avatar 2" im Kino!
Trotzdem ist das Finale von „Avatar 2“ visuell natürlich eine ganz andere Nummer. 13 Jahre nach dem ersten Teil hat James Cameron die Technik weiter verbessert, kann noch mehr aufbieten. Und das Geschehen unter Wasser sieht einfach nur verdammt eindrucksvoll aus. Daher ist meine Kritik am Ende auch ganz und gar nicht als Warnung vor „Avatar 2“ zu verstehen – im Gegenteil.
„Avatar 2: The Way Of Water“ ist ein Film, den man im Kino gesehen haben sollte – und natürlich idealerweise auf einer richtig großen Leinwand und in 3D! Mehr zu James Camerons Rückkehr nach Pandora gibt es übrigens in der aktuellen Ausgabe unseres Podcasts Leinwandliebe. Für die Diskussion über „Avatar 2: The Way Of Water“ haben unsere Moderatoren Sebastian und Pascal diesmal den YouTuber David Hain zu Gast: