Schon Scott Caans Karriere als Schauspieler wurde stark von seinem berühmten Vater beeinflusst. James Caan hat sich bereits seit den 60er-Jahren einen Namen als harter Kerl gemacht – vor allem die Rolle des Sonny Corleone in Coppolas Der Pate und Der Pate II hievte ihn in den Starhimmel Hollywoods. Und mit seinen Auftritten in „Ri$iko“, Nur noch 60 Sekunden, Ocean´s Eleven oder Into The Blue bemühte auch Caan Jr. zumeist das Image des supercoolen Machos. Mit „Dallas 362“ debütiert Scott Caan nun auch als Drehbuchautor und Regisseur. Und auch hiermit eifert er seinem Vater nach – das geht vom 70s-Stil bis hin zu seinem eigenen, aus Lederjacke und Schirmmütze bestehenden Outfit. Das Ergebnis, das etwas zu sehr zwischen Charakterstudie und Kleingauner-Thriller schwankt, ist dabei zu cool, um auf der ganzen Linie ernst genommen zu werden, aber cool genug, um durchgehend gut zu unterhalten.
Rusty (Shawn Hatosy) und Dallas (Scott Caan) sind die besten Freunde. Bei Kneipenschlägereien halten sie sich gegenseitig den Rücken frei, die benötigte Miete verdienen sie sich als Geldeintreiber. Doch weil es so nicht ewig weitergehen kann, versuchen beide – jeweils auf ihre Art – aus diesem unsteten Kleinkriminellendasein auszubrechen. Dallas will endlich auch mal einen richtig großen Coup landen und plant gemeinsam mit dem manisch-paranoiden Drogendealer Christian (Val Lauren) einen Einbruch bei seinem Boss (Heavy D). Und Rusty würde am liebsten sofort nach Texas zurückkehren, um dort eine Karriere als Rodeoreiter zu starten. Doch dazu müsste er ausgerechnet die beiden Menschen enttäuschen, die er am meisten liebt: Dallas hätte Rusty nämlich gerne bei seinem Bruch dabei. Und seine Mutter (Kelly Lynch) möchte Rusty, seitdem sein Vater bei einem Rodeo ums Leben kam, nicht einmal mehr in der Nähe eines Pferdes wissen. So muss er sich zwischen den beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben und seinem großen Traum entscheiden…
Was die Figur von Rusty angeht, ist Caan eine sehr reife und auch überraschend unterhaltsame Charakterstudie gelungen. Denn obwohl Rusty im Verlauf des Films eigentlich nur Gutes tut, ist sein Porträt trotzdem ebenso vielschichtig wie spannend geraten. Neben dem in Bezug auf diesen Charakter extrem starken Skript, ist dies vor allem der alles überragenden Leistung von Shawn Hatosy (Swimmers, The Cooler, 11:14) zu verdanken. Wie er die komplexe Mischung aus naivem Träumer und ambitionierten Kämpfer, der zwischen seinen Verpflichtungen und Hoffnungen gefangen scheint, verkörpert, ist ein Glücksfall, aus dem Caan auch durchweg Kapital für seinen Film zu schlagen versteht. Hinzu kommen noch Kelly Lynch als besorgte Mutter und Jeff Goldblum (Independence Day) als ultrasympathischer Psychiather – auch diese Rollen sind zwar ausschließlich positiv angelegt, aber es ist nahezu unglaublich, wie viele unterschiedliche Nuancen Caan dem Guten hier abgewinnt: Von komplett absurd – etwa wenn Rusty einem fremden Mädchen in einem Diner gesteht, dass er sie liebt – bis zu tief ergreifend – etwa wenn Rustys Mutter ihm endlich die Verwirklichung seines Traums zugesteht – ist alles dabei. „Dallas 362“ ist der Beweis: Der anspruchsvolle Umgang mit der verlorenen Jugend von heute heißt nicht zwangsläufig, nur die schlechten und düsteren Seiten aufzuzeigen, wie viele pseudo-mitfühlende Problemregisseure leider noch immer glauben.
Dann gibt es aber auch noch jenen Teil, mit dem Caan seinem Vater zu huldigen versucht. Dabei schwankt die Thrillergeschichte zwischen schwarzem Tarantino-Humor und 70er-Jahre-Genrezitaten recht ungelenk hin und her, ohne dabei jemals mit Rustys differenzierter Charakterzeichnung in Einklang zu kommen. Auch Nebenfiguren und Drehbuch sind in diesen Abschnitten merklich schwächer: Der Bruch selbst hat so gar nichts Neues zu bieten und sowohl der abgedrehte Drogendealer mit Piepsstimme als auch seine lasziv Lolli lutschende Freundin Peg (Selma Blair, The Fog) kommen über einen rein belustigenden Karikaturstatus nicht hinaus. Am einfachsten tut man sich hier wohl, wenn man sich „Dallas 362“ als zwei parallele Filme vorstellt, deren Hauptfiguren nur zufällig auch im jeweils anderen vorkommen.
Wo die Story zu weit auseinanderdriftet, ist die abwechslungsreiche Inszenierung hingegen durchgängig gelungen: Caan trifft hier genau die richtige Mischung aus Sensibilität und Wahnsinn. In den ruhigen Szenen konzentriert er sich voll und ganz auf seinen überzeugenden Cast, belässt es hier meist bei recht nüchternen Bildern, die dann aber durch abgefahrene Einschübe immer wieder aufgebrochen werden – zum Beispiel durch Rückblenden, die aus einer Aneinanderreihung von Schwarz-Weiß-Fotos bestehen, oder einer surrealen Autofahrt im Zeitraffer, die ein wenig in der Tradition von Martin Scorseses Bringing Out The Dead steht. Scott Caan ist mit „Dallas 362“ eine unterhaltsame 70er-Jahre-Remniszenz mit einem grandiosen Hauptdarsteller gelungen, die aber aufgrund der nicht immer stimmigen Zutaten noch lange nicht an seine großen Vorbilder heranreicht.