Leider wurde Bond Nr. 6 lange wie das schwarze Schaf der Serie behandelt. Wer ihn sich zulegen möchte, sollte daher auf die Ultimate Edition zurückgereifen, denn diese hat als erste DVD-Veröffentlichung auch die englische Tonspur, die der Einzel-DVD als einzigstem (!) Bond fehlte. Übrigens ist es ein Gerücht, dass "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" ein Flop war. Bei einem 7 Mio. $-Budget wurden weltweit ca. 60 Mio. Dollar eingepielt. Als Flop gilt der Film, weil er etwa auf das Einspielniveau von "Dr. No" zurück fiel und im Vergleich zu "Man lebt nur zweimal", der bei nahezu identischem Budget weltweit 112 Mio. einspielte, eben nicht mal ansatzweise mithalten konnte.
"Im Geheimdienst Ihrer Majestät" ist jedoch einer der Bond-Filme, die am schnellsten Atmosphäre aufbauen. Musik, Drehorte, Spannung, alles paßt von Anfang an perfekt zusammen. Und so früh wie nie zuvor bekommt man die elementare Frauenfigur des Films präsentiert. Diana Rigg war damals ohne Frage die bis dahin schönste Darstellerin eines Bond-Girls und hatte bis heute die wichtigste aller Frauenrollen bei Bond.
Perfekt ist die erste Kampfszene des Films. Was bei Sonnenuntergang an einem Strand gefilmt wurde, gehört noch heute zu den besten derartigen Szenen bei Bond. Schnelle Schnitte, toll choreografiert und das Ganze mit einer ironischen Bemerkung von Lazenby gekrönt. Ein Einstand nach Maß.
Die Titelsequenz von Maurice Binder schlägt alles vorangegangene in der Art, wie hier nochmal die ersten fünf Bond-Filme Revue passieren. Zum letzten Mal in der Bond-Serie gabs auch keinen Titelsong, sondern ein geniales instrumentales Intro, das Kraft und Feuer hat.
Auch George Lazenby finde ich als Bond absolut gelungen, kehrt sein Bond doch wieder angenehm zum härteren Stil der ersten Bond-Filme zurück. Eine Hammerszene z.B. wenn Bond kündigen will, M das kommentarlos hin nimmt und man die Wut in Bonds Gesicht sieht. Wohl selten war Moneypenny so wertvoll wie hier.
Doch auch Diana Rigg verleiht ihrer Tracy derart viel Schönheit, Charakter, Tiefe und Format, dass das lange Zeit seinesgleichen suchen sollte.
Auch in Punkto Tiefe bei den Dialogen auf Dracos Geburtstagsfeier, sowie den romantischen Szenen, nachdem Bond Tracy seine Liebe gestanden hat, sie Zeit verbringen und der Song "We have all the time in the world" erklingt, ist dieser Film einmalig normal und menschlich hat man Bond in diesem Ausmaß erst annähernd bei "Casino Royale" wieder erlebt.
Doch bei aller Erdung der Bond-Figur kommen natürlich Spannung und Action nicht zu kurz, wie bei einem Einbruch bei einem Schweizer Anwalt. Übrigens eine Szene, die erst Anfang der 90er wieder in den Film gelangte. Im Kino schnitt man sie heraus, weil man Stress mit der Neutralität der Schweiz befürchtete.
In einer Szene des Films sticht Lazenby seinen Vorgänger Connery sogar locker aus. Er verwandelt sich glaubhafter in einen Wissenschaftler, als Connery in "Man lebt nur zweimal" in einen Japaner.
Optimal genutzt wurden die Schweizer Drehorte, angefangen von herrlichen Luftaufnahmen, bis hin zum Anblick des Piz Gloria.
Verzeihbar ist ein Schnitzer in der Handlung. Seit "Man lebt nur zweimal" müßten sich Bond und Blofeld kennen, doch treten sie sich hier gegenüber, ohne einander zu erkennen. Doch verzeiht man das gern nicht zuletzt durch die Tatsache, dass Telly Savalas der beste aller Blofelds ist. Der Fehler kam übrigens dadurch zustande, dass Flemings Romane in anderer Reihenfolge verfilmt wurden. Denn als Roman kommt "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" vor "Man lebt nur zweimal".
Klasse ist auch, dass Bond sich mit seiner Intelligenz aus einer misslichen Lage befreien muss und keine Tricks von Q parat hat.
DAS Actionhighlight des Films sind die Skiszenen, die makellos perfekte Action bieten und ab da gehts hier auch Schlag auf Schlag mit einem Autorennen auf Eis und weiteren Skiszenen, inklusive einer Lawine, was nur kurz unterbrochen wird für eine tolle, absolut einmalige Szene zwischen Bond und Tracy - einen Heiratsantrag.
Und gerade diese Szene gibt dem Film nochmal Glaubwürdigkeit, wenn ein besorgter Bond wütend M anblafft und einen Befehl missachtet. Hat sich das Connery je getraut? Nein.
Kürzer gehalten, als in den letzten Filmen, aber rasant und actionreich ist die Schlussschlacht.
Einzigartig sind bei diesem Film auch die Hochzeit und das bitter bitte böse Ende. Dieses Ende, das original vom Roman übernommen wurde, ist das kompromissloseste und emotional niederschmetterndste der Bond-Filme und Lazenby hat hier eine der besten Szenen, die ein Bond-Darsteller je hatte.
Zusammengefasst kann man sagen, dass dieser Film alle Vorgänger in Punkto Einmaligkeit und Klasse überflügelt mit der menschlichsten Version James Bonds, der facettenreichsten, komplexesten Story, John Barrys oscarwürdiger Musik, einem der schönsten Bond-Girls, fesselnder Action, emotionaler Tiefe und einem mutigen knallharten Ende. Für mich ist "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" bis heute einer der drei besten Bond-Filme, der die Messlatte sehr sehr hoch legte und in Punkto Emotionalität erst von "Casino Royale" erreicht wurde.