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    Bei Anruf Mord
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Bei Anruf Mord
    Von René Malgo

    Regisseur Alfred Hitchcock, der so genannte Master of Suspense, sah in „Bei Anruf Mord“ einer seiner schlechteren Filme. Das Publikum nicht und der Thriller avancierte somit zu einem der bekannteren und meist geschätzten Klassiker Hitchcocks.

    Margot Wendice (Grace Kelly) hat eine Affäre mit dem Schriftsteller Mark Halliday (Robert Cummings). Ihr Mann, der aalglatte Playboy Tony Wendice (Ray Milland), erfährt davon. Trotzdem möchte er sich aus finanziellen Gründen von der reichen Margot nicht scheiden lassen, sondern plant einen Mord, einen perfekten. Doch der ausgefeilte Plan scheint zu scheitern, als Margot es schafft, ihren Mörder in Notwehr zu erstechen. Aber Tony Wendice gibt nicht auf und ändert sogleich seinen Plan. Er beginnt, die Polizei durch subtile Hinweise bezüglich eines möglichen Vorsatzes hinter der Tat seiner Frau auf eine falsche Fährte zu locken, die Margot zu einer Verurteilung treiben könnte.

    „Bei Anruf Mord“ böte sich zu einer Diskussion bezüglich des großen Perfektionisten Hitchcock und seinem Verständnis von einem gelungenen Film an. Denn was auch immer er in seinem Werk nicht gesehen hat, zahlreiche sahen es und eine wirkliche Schwäche lässt sich schwerlich ausmachen. „Bei Anruf Mord“ ist ein Vorläufer zum von Hitchcock selbst mehr geschätzten Das Fenster zum Hof, wo die großen Stärken des vorliegenden Films noch einmal perfektioniert worden sind. Eine fast wunderliche Leistung, zelebriert Hitchcock doch schon hier sein Können und seine großen Interessen am Rande der Perfektion. Geschehnisse, beschränkt auf einer Räumlichkeit und eine dadurch entstandene kammerspielartige Situation und ausgefeilte Dialoge; diese Dinge, für zahlreiche Regisseure Stein des anstoßenden Scheiterns, gehören zu Hitchcocks Metier und Stärken dieses kriminalistischen Schauspiels.

    Es ist schon meisterlich, wie die Ereignisse hauptsächlich auf das Apartment der Wendices konzentriert werden, ohne dass der Zuschauer sich daran stören oder selbiges groß bemerken würde. Die gute Kameraführung in Verbindung mit einigen experimentellen, aber unauffälligen Einlagen gewährleistet eine stets interessante, neuartige Sicht auf das Apartment. Zusammen mit dem gekonnten, professionellen Schnitt und passendem Score von einem der Stammkomponisten Hitchcocks, Dimitri Tiomkin, baut sich eine dichte, in den Bann ziehende Atmosphäre auf. Auch bei „Bei Anruf Mord“ hat Studiobefürworter Hitchcock den Film hauptsächlich in selbigem gedreht und weitete seinen Drehbereich nur in seltenen, sehr kurz gehaltenen Fällen auf Außenaufnahmen aus. Dies fördert besagte Atmosphäre noch mehr und sorgt für die für Hitchcock so wichtigen, tadellosen Lichtbedingungen.

    Aber ein Film lebt nicht von einer gekonnten Inszenierung und gelungener Atmosphäre allein. Die erzählte Geschichte muss spannend sein, die Darsteller glaubhaft. Auch da enttäuscht der „Bei Anruf Mord“ nicht. Es ist eine für einen Hitchcock-Film perfekte Geschichte, die nach einem Theaterstück erzählt wird. Sie bietet Raum für seinen allseits beliebten, unterschwelligen Sarkasmus und die Möglichkeit, eine starke Frau in den Mittelpunkt zu rücken. In diesem Falle wird diese von des Großmeisters liebster Schauspielerin Grace Kelly verkörpert. Ihre Stärke darf sie dann sogleich beim Mordversuch demonstrieren, als sie zu einer Schere greift und ihren Angreifer tötet. Der Stich in den Rücken des Angreifers erscheint in seiner Auswirkung allerdings nicht so glaubhaft. Allzu theatralisch geht der Mörder zu Boden, fällt in die Schere und stirbt sogleich. Die etwas simpel konstruierte Szene befriedigt mittlerweile keinen bluterprobten Zuschauer mehr, fügt sich aber angemessen in ein ansonsten psychologisch stimmiges und realistisches Gesamtbild ein.

    Die Glaubwürdigkeit der intelligenten Geschichte liegt vor allem an den sehr guten Schauspielern und einer ausgezeichneten Dialogführung des Drehbuchautors. Wenn Tony Wendice (Ray Milland) seinen Mordplan einem ehemaligen Schulkollegen und Auserwählten für den Auftrag zu erläutern anfängt, beginnt der Zuschauer selbst an die Unfehlbarkeit des Planes zu glauben. Mit dafür Sorge trägt die famose Performance des Ray Milland. Er mimt den schmierigen Playboy mit solch überzeugender Inbrunst, dass dem Betrachter nichts anderes übrig bleibt, als ihn ehrfürchtig zu hassen. Doch dieser Hass kommt nur halbherzig, denn sein selbstgefälliger Charme verfehlt ihre Wirkung nicht und es bleibt so etwas wie Faszination für diesen Mann hängen. Es ist typisch für Hitchcock und seine getreuen Schergen, wie sie die Sympathien gekonnt gegen den Strich verteilen und so eine besondere Spannung erzeugen. Nicht immer fiebert man mit dem vermeintlichen Opfer, der Figur von Grace Kelly mit. Wenn beispielsweise Ray Milland zuhause anruft; ein Signal für den Mörder sein Opfer zu töten und Grace Kelly nicht abnimmt, beginnt der Zuschauer doch mit Ray Milland mitzufiebern. Im Endeffekt gehören dann die Sympathien zwar Grace Kellys Charakter und daraus zieht das Werk natürlich auch seine Spannung. Aber es bleibt nicht nur bei dieser einzigen, beschriebenen Szene, wo der Zuschauer in jener komischen Zwickmühle der Gefühle geraten kann. Wäre die Dialogwahl weniger gelungen und Milland ein schlechterer Schauspieler, es bliebe in den üblichen Bahnen. Doch so erhöht sich die Spannung zusätzlich und lebt „Bei Anruf Mord“ auch von der alles überschattenden Performance des Ray Milland, der seine vielleicht beste Karriereleistung liefert und als einer der herausragendsten Hitchcock’schen Bösewichte gelten darf. Auch die anderen Darsteller sind weit davon entfernt, schlecht zu agieren.

    Grace Kelly füllt ihre Rolle sehr gut aus und beweist, dass es Models geben kann, die sowohl gutes Aussehen, als auch schauspielerisches Talent vorweisen können. Bemerkenswert ist die Rolle von Anthony Dawson als Möchtegern-Mörder, der mehr als Mitleid- denn Hassobjekt fungiert. Die undankbarste Rolle kommt dem grundsätzlich gut agierenden Robert Cummings zu. Er spielt einen netten Langweiler, der Mann, mit dem Margot (Grace Kelly) eine Affäre hat. Des Zuschauers Sympathien dürften ihm nicht gerade entgegen fliegen. Zu sehr scheint er in fast stiller Ehrfurcht im Schatten von Tony Wendice (Milland) zu bleiben. Ein Kniff, welcher dem Drehbuchautor durchaus als gewollt unterstellt werden kann und auch ein interessantes Licht auf die Charakterisierung und Geschichte wirft. Als oberflächlicher, charmanter Playboy wäre eigentlich Tony Wendice der perfekte Mann für gewisse Stunden gewesen und Robert Cummings als netter, aber unauffälliger Schriftsteller das korrekte Bild für einen gehörnten Ehemann. Hier wird die Rollenverteilung umgedreht, was den Schluss zulassen kann, dass es Margot durchaus nach einer ernsthaften, tiefen Beziehung verlangt. Ein Bild auch für die Leere in ihrem Leben, die sich wohl nach der ersten Begeisterung für diesen oberflächlichen Charmeur ausgebreitet hat.

    Die scharfsinnige Geschichte bleibt bis zum Schluss spannend, bietet eine für das Genre, obligate, überraschende Schlusswendung, die in seinem Ergebnis nicht so sehr verblüfft, in seiner Entstehung aber schon für ein paar erstaunte Gesichter sorgen dürfte. Schon bevor sich Grace Kelly ihrem Mörder widersetzt, überzeugt das Spannungselement. Danach kann dieses sich noch einmal steigern, gerade durch subtile Hinweise und Details, in denen Tony Wendice der Polizei zu stecken versucht, seine Frau sei eigentlich eine eiskalte Mörderin. Gelungen in dem Zusammenhang auch die farbliche Symbolik, die Hitchcock in einem seiner ersten Farbfilme einbringt. Je aussichtsloser die Situation für Grace Kelly wird, desto finsterer ihre Kleidung. Eine witziges Detail auch die Wahl ihrer Kleidung zu Beginn des Films. Weiß das Kleid, wenn sie als Ehefrau mit ihrem Mann frühstückt, schön rot und wesentlich aufreizender, wenn sie ihren eher dezent durch einen Kuss gezeigten Seitensprung begeht. Als kritische Auseinandersetzung mit erkalteten ehelichen Lebensgemeinschaften funktioniert das Werk nur bedingt, genauso dürfte darin kaum ein tragisches Krimidrama gesehen werden. „Bei Anruf Mord“ ist ein technisch für seine Zeit perfekter Thriller, sehr spannend, packend, dem ein gewisser Anspruch zwar nicht abzusprechen ist, der aber längst nicht die Vielschichtigkeit des späteren „Das Fenster zum Hof“ erreicht. Sehenswert.

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