Ob Takashi Shimizu selbst noch weiß, wie viele Varianten der Geschichte „The Grudge“ er schon gedreht hat? Mittlerweile sind es ganze sieben. Eine vierteilige TV-Reihe 1998, bei der er zwei Episoden übernahm, dann 2000 zwei TV-Filme (Ju On – The Curse, Ju On – The Curse 2), davon 2003 wiederum zwei Remakes fürs japanische Kino und schließlich 2004 das Hollywood-Remake des ersten japanischen Kinofilms. Nun kommt also Nr. 7, ein Sequel zum US-Aufguss. Es ist diesmal kein 1:1-Remake des japanischen Sequels, sondern eine „eigenständige“ Fortsetzung mit neuer Story, die sich Shimizu gemeinsam mit Drehbuchautor Stephen Susco, der ihm bei den amerikanischen Filmen zur Seite gestellt wurde, ausgedacht hat. Genutzt hat das wenig, denn obwohl „Der Fluch – The Grudge 2“, wie der umständliche deutsche Titel lautet, handwerklich einigermaßen solide Arbeit ist und ein paar wenige gelungene Schockmomente aufweisen kann, ist die zusammengestückelte Geschichte einfach nur sterbenslangweilig.
Das Ende vom ersten Teil hat es schon angedeutet, der Anfang des zweiten Teils bringt Gewissheit: Der Fluch ist noch nicht vorbei. Drei Episoden, die im Film lange Zeit parallel dargestellt werden, machen dies mehr als deutlich: Karen Davis (Sarah Michelle Gellar), die den Fluch durch das Niederbrennen des Hauses, welches scheinbar den Ursprung bildet, stoppen wollte, liegt nun in einem Krankenhaus. Die Polizei glaubt, sie habe ihren Freund umgebracht. Ihre Schwester Aubrey (Amber Tamblyn) wird von der kranken Mutter nach Tokio geschickt, sie heimzubringen. Doch kurz nach ihrer Ankunft stürzt die völlig verängstigte Karen vom Dach des Krankenhauses in den Tod. Selbstmord? Nein, ein Werk des Fluches. Der Journalist Eason (Edison Chen), der schon lange dem Mysterium auf der Spur ist, überzeugt Aubrey, ihm bei seinen Nachforschungen zu helfen. Neben diesem Hauptplot wird noch die Geschichte des Schulmädchens Allison (Arielle Kebbel) erzählt, die von ihren Klassenkameradinnen Miyuki (Misako Uno) und Vanessa (Teresa Palmer) überredet wird, das verfluchte Haus zu betreten. Fernab davon scheint die dritte Geschichte zu spielen. In Chicago bezieht ein Vater (Christopher Cousins) mit seinen beiden Kindern und der neuen Ehefrau (Jennifer Beals) die gemeinsame Wohnung.
Dass die letzte Geschichte tödlich enden wird, bekommt der Zuschauer gleich zu Beginn mit. In der allerersten Szene übergießt die Ehefrau ihren Mann mit brühend heißem Fett, um ihm danach die schwere Gusseisenpfanne über den Schädel zu ziehen. Das Motiv für das Voranstellen dieser Szene bleibt allerdings unklar. Scheinbar wollte man den Film – ähnlich dem Vorgänger - mit einem derben Schockmoment eröffnen, was aufgrund der eher surrealen Inszenierung des Auftakts dieses Mal aber nicht ganz funktioniert. Stattdessen erweist sich diese Maßnahme sogar als erster Spannungskiller, ist zumindest die Auflösung dieser Geschichte nun teilweise klar und es bleibt nur die Frage, was sie mit den Vorgängen in Tokio zu tun hat. Der aufmerksame Zuschauer wird allerdings auch hier früh genug eine – unspektakuläre - Antwort finden.
Das Erzählen von gleich drei Geschichten ist eine weitere Ursache für mäßige Spannung. Der episodenhafte Aufbau ist allgemein ein Problem der „Grudge“-Reihe, hier kommt er besonders deutlich zum Tragen. Die zwei Nebenplots (Schulmädchen, Chicagoer Familie) sind zu Beginn einfach nur störendes Beiwerk. Recht schnell wird klar, dass sie nur dazu dienen, einen Kontext zur Hauptgeschichte zu liefern, der am Schluss dann auch aufgelöst wird. Die Auflösung ist allerdings recht vorhersehbar und haut keinen mehr vom Hocker, scheint sowieso nur als Fanal für einen dritten Teil zu dienen. Dazu kommt, dass die beiden Nebenplots es nur sehr begrenzt schaffen zu gruseln. Vor allem der Schulmädchenplot kann in dieser Hinsicht gar keine Punkte einfahren.
Bleibt zur Spannungsförderung nur die Hauptgeschichte. Doch diese ist mal wieder ein treffender Beweis für verschenktes Potential. Statt Schockmomente mit einer spannenden „Detektivstory“ über die Hintergründe des Fluchs zu kombinieren, wird der zweite Aspekt nahezu im Schnellverfahren abgehandelt. Aubrey und Eason müssen gar nicht groß nachforschen. Die eine Hälfte hat er schon vorher raus gefunden, die andere Hälfte von dem, was im zweiten Teil offenbart wird, findet sie bei einem Besuch in einem kleinen Dorf heraus. Danach geht es wieder nur einzig und allein um den Versuch des Entkommens vor dem Fluch.
Allzu viel Kreativität darf bei den Gruselszenen nicht erwartet werden. Die Motive des knackenden, heranschlurfenden Mädchens mit den langen schwarzen Haaren und des unheimlichen Jungen mit großen Augen werden wieder zu Genüge bemüht, zeigen aber schon deutliche Abnutzungserscheinungen. Immerhin funktionieren sie in der einen oder anderen Szene trotzdem noch. Wobei hier Kenner anderer Genrebeiträge mal wieder schlecht fahren. So funktioniert eine eigentlich solide gemachte Szene in einer Fotodunkelkammer kaum, wenn man den thailändischen Horrorfilm „Shutter“ kennt. In „Shutter“, übrigens trotz altbekannter Story Dank perfekt gesetzter Schockmomente einer der besseren Vertreter des Asia-Horrors, gibt es nämlich fast die gleiche Szene, nur deutlich besser und wirkungsvoller inszeniert.
Auf einen Star wie Sarah Michelle „Buffy“ Gellar im ersten Teil hat man dieses Mal verzichtet. Sie darf zwar noch ein paar Minuten mitwirken, macht dann aber die Bühne frei für ihre Nachfolger. Immerhin liefern die kaum Anhaltspunkte für weitere Kritik, spielen sie doch recht solide, wenn auch in Einzelfällen mal hart an der Grenze zum Overacting und teilweise zu Kamera-fixiert. Mit Amber Tamblyn wurde für die Hauptrolle eine Seriendarstellerin („Die himmlische Joan“) ausgewählt, die gerade am Beginn ihrer Kinokarriere steht, dabei aber im Begriff ist, richtig durchzustarten. Nach dem in Deutschland trotz guter US-Kritiken bisher nicht angelaufenen Eine für 4 ist dies ihre zweite Hauptrolle innerhalb kurzer Zeit. Mit dem Drama „Stephanie Daley“ steht schon die nächste Arbeit in den Startlöchern, einige weitere sind angekündigt. An ihrer Seite darf Edison Chen (Infernal Affairs) sein Hollywood-Debüt geben. Chen hat zwar in Das Medallion bereits einen Kurzauftritt, dies hier ist aber seine erste nennenswerte Rolle in einer US-Produktion. Der talentierte, kanadisch-stämmige Jungschauspieler, in seiner Heimat Hongkong auch als Sänger erfolgreich, hat allerdings am meisten unter den – zumindest in der deutschen Synchronfassung – teilweise erbärmlich schlechten Dialogen zu leiden. Nennenswert sind übrigens noch „Flashdance“-Star Jennifer Beals (Teufel in Blau, Four Rooms, Das Urteil, „The L-Word“), die eine tadellose Leistung als „Desperate Housewive“ zeigt sowie die zwar Mut zur Hässlichkeit beweisende, aber sonst eher störende Jungschauspielerin Arielle Kebbel (Wir kriegen dich, John Tucker , Soul Plane) und schließlich der kleine Matthew Knight (Das größte Spiel seines Lebens ), der aber noch nicht mit einer ähnlichen Leistung aufwarten kann wie David Dorfman in The Ring oder Haley Joel Osment in The Sixth Sense.
Am Ende hinterlässt „Der Fluch – The Grudge 2“ zwar eine handvoll Fragen, doch es interessiert nur die Antwort auf eine. Weder ist von Interesse, wie lange es bis zum dritten Teil dauern wird, noch wie oft sich Shimizu an dem selben Stoff abarbeiten muss, es interessiert einzig und allein ob „Der Fluch – The Grudge 2“ den Kinoeintritt wert ist. Und hier muss mit einem klaren Nein geantwortet werden, denn auch wenn Horror im dunklen Kinosaal meist noch besser wirkt als zu Hause, so hat diese Geistergeschichte einfach viel zu wenig dieser Momente, um eine positive „Kosten-Nutzen-Rechnung“ zu hinterlassen.
Link-Tipp: CD-Kritik „The Grudge 2“-Soundtrack