Das Thema Freundschaft taucht in Familienfilmen ständig auf. Wie entsteht eine freundschaftliche Verbindung zwischen Menschen? Was macht sie aus? Wie lässt sie sich aufrechterhalten? Was teilweise auch für einige Erwachsene nicht leicht zu erklären ist, muss Kindern natürlich früh vermittelt werden. „Schweinchen Wilbur und seine Freunde“ nimmt sich zu diesem Zweck einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Schwein und Spinne an. Die Vorlage liefert E. B. Whites Kinderbuch-Klassiker „Wilbur und Charlotte“. Unter der Oberfläche der lebhaften Scheune voller Schafe, Gänse und Kühe geht es darum, nicht vor Problemen zu resignieren. Stattdessen sollen sie mit Hilfe von Kreativität, Klugheit und Loyalität gelöst werden. Regisseur Gary Winick (30 über Nacht) schafft eine farbenfrohe, amüsante Familienfabel, die nebenbei den Bauernhof erklärt.
Die kleine Fern Arable (Dakota Fanning) rettet ein frisch geborenes Ferkel vor der Axt ihres Vaters. An den Zitzen ihrer Mutter hätte es keine Chance gehabt, deshalb zieht Fern es selbst auf. Sie tauft es Wilbur, wäscht es im Küchenspülbecken und lässt das Tier neben sich im Bett schlafen – schnell werden die beiden engste Freunde. Als Wilbur zu groß für das Haus der Arables wird, bringen ihn Ferns Eltern in der roten Scheune der benachbarten Zuckermans unter. Während Ferns Mutter beim Arzt ihren Sorgen Luft verschafft, dass Fern so wenig mit gleichaltrigen Kindern spielt, liest sie den Tieren im Stall Geschichten vor. Wilbur wird von den anderen Bewohnern des Stalls zunächst wenig beachtet. Bald allerdings nimmt sich ihm die weise Charlotte an, eine Spinne, die ihr Netz in der Ecke des Scheunentors spannt. Wilbur erfährt von der Ratte Templeton, dass er als Frühlingsschwein noch vor Weihnachten im Räucherhaus enden wird. Doch Charlotte verspricht dies zu verhindern…
Im Laufe der Handlung rücken die Menschen immer weiter in den Hintergrund, die Geschichte um die sprechenden Tiere steht im Zentrum. Vor allem dank Charlotte wird die gesamte Tierwelt der Scheune mehr und mehr zusammengeschweißt. Nach anfänglichem Desinteresse liegt es bald allen am Herzen, Wilbur zu retten. Hierzu vollbringt Charlotte ein kleines Wunder, das die Aufmerksamkeit der Leute aus dem ganzen Umland auf sich zieht. Der drohende Tod von Wilbur wird angesprochen, aber kindgerecht lediglich durch eine Räucherkammer dargestellt. Sein drohendes Ende als Wurst auf dem Küchentisch der Zuckermans ist natürlich nichts für die ganz Kleinen, aber übermäßig dramatisiert wird das nicht – vielmehr wird damit die Realität auf der Farm gezeigt.
Die Aufnahmen der sprechenden Tiere sind größtenteils Real-Aufnahmen, die mittels Animation - vor allem der Mimik - ergänzt wurden. Somit fällt die Künstlichkeit nur an wenigen Stellen tatsächlich auf, was aber nicht weiter stört. Das Schwein Wilbur erhält durch die menschlichen Gesichtzüge einen sehr niedlichen Charme, der allerdings an keiner Stelle überzeichnet wird. Die Buchvorlage von E. B. White – im Original „Charlotte’s Web“ – erschien 1952 und verkaufte sich weltweit 45-Millionen-fach. Bereits 1973 gab es eine Zeichentrickverfilmung von Paramount, 2003 folgte eine Fortsetzung, für die das Buch allerdings keine Vorlage lieferte. Die Geschichte um Wilbur und ein Lamm landete jedoch direkt in den Videotheken. Außerdem gibt es mehrere Hörbücher. Übrigens lieferte E. B. White auch die Buchvorlage zum Publikumserfolg „Stuart Little“.
Wie sich Charlotte durch bedingungslose Freundschaft dem kleinen Schwein Wilbur annimmt, macht die Geschichte aus. Wilbur ist vollkommen unbedarft und freundlich zu jedermann, kann aber nur gemeinsam mit Charlotte Erfolg haben. Natürlich ist die Spinne in der Scheune ein Außenseiter, allerdings ändert sich das bald. Lustig sind die kleinen Seitenhiebe auf die Beziehung der Nutztiere untereinander. Den Schafen etwa wird vorgeworfen, sie würden ja nur Haare wachsen lassen, was ihnen natürlich sauer aufstößt. Damit wird auf spielerische Weise nebenbei der Kreislauf der Farm erklärt. Albernheiten wie furzende Kühe gibt es nur vereinzelt und in vertretbarem Maße. Hingegen funktioniert der Running Gag nur bedingt: Zwei Krähen lassen sich zwischendurch immer wieder von einer Vogelscheuche täuschen – der Witz der netten Idee ist schnell verbraucht.
Die Regie von Gary Winick ist keine besondere Leistung, erfüllt aber vollkommen ihren Zweck. Die Synchronstimmen sind allesamt passend ausgewählt. Besonders hervorzuheben ist die ausgezeichnete Musik von Danny Elfmann, der hierfür Spider-Man 3 im Stich lassen musste. Im Grunde haben beide Filme das Spinnenthema, was ihn vielleicht gereizt haben mag. Am Drehbuch arbeitete Karey Kirkpatrick mit, die bei Chicken Run und Ab durch die Hecke schon gute Erfahrung mit „tierischen Filmen“ sammelte. Im Mittelteil offenbaren sich dennoch Schwächen, hier wirkt „Schweinchen Wilbur und seine Freunde“ etwas in die Länge gezogen. Das kann der spätere Höhepunkt auf dem Volksfest, auf dem Wilbur in einem Wettbewerb antreten darf, allerdings wieder relativieren.
Leider bleibt Dakota Fanning lediglich eine Nebenfigur, was ein wenig enttäuscht. Denn ein Blick in ihre strahlenden Augen entfacht auch beim Zuschauer die Begeisterung für die Tiere. Sie ist die Idealbesetzung für das tierliebe Mädchen, das sich nur in der Scheune richtig wohlfühlt. „Schweinchen Wilbur und seine Freunde“ ist eine nette Tierfabel, die sich mit den für jedes Kind früher oder später wichtigen Themen Freundschaft, Tod und Loyalität auseinandersetzt. Die Botschaft ist natürlich unterschwellig und wird zum Glück in keiner Szene mit dem Holzhammer in die Köpfe der Zuschauer gehämmert. Bereits die gezeichnete Einleitung mit dem sehr eindrücklichen Erzähler aus dem Off verdeutlicht den Bilderbuchcharakter des Films. Durch Längen und die ermüdend dargestellte Wiederholung des „Wunders“ wird das Gesamturteil allerdings getrübt. Den großen Zauber einer magischen Tierstory kann der Film auch nicht entfachen, nicht zuletzt weil er das so offensiv zu propagieren versucht.