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    Hellbound - Hellraiser 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Hellbound - Hellraiser 2
    Von Björn Helbig

    Mit Hellraiser, der Verfilmung seiner Shortstory „The Hellbound Heart“, gelang dem Autor, Drehbuchschreiber, Maler und Regisseur Clive Barker („Cabal“, „Lord Of Illusions“) im Jahre 1987 der filmische Durchbruch. Trotz des bescheidenen Budgets konnte die atmosphärische Geschichte um Lust, Leid und die Freuden der Hölle, wenn auch nicht alle Kritiker, so doch die Mehrheit der Fans überzeugen. Schnell begannen die Vorbereitungen für eine Fortsetzung. Barker hatte einen weiteren Teil des Stoffes eigentlich nicht geplant, aber die Rechte bereits abgegeben und die Entscheidung lag bei der Produktionsfirma. Barker selbst war an "Hellbound: Hellraiser II" als Mitproduzent und Co-Autor beteiligt, die Regie übernahm Tony Randel, das Drehbuch verfasste Barkers Freund Peter Atkins. Das Ergebnis: nicht von dieser Welt.

    „Hellbound – Hellraiser II” schließt nahtlos an den ersten Teil an. Nach den Geschehnissen im Haus ihres Vaters erwacht Kirsty (Ashley Laurence) in der psychiatrischen Klinik von Dr. Philip Channard (Kenneth Cranham). Die Polizei nimmt ihr ihre Geschichte nicht ab – sie klingt zu unglaublich. Ein offenes Ohr hingegen hat Channard, der schon seit längerem den Geheimnissen der mysteriösen Puzzelbox auf der Spur ist. Kurzerhand besorgt er sich aus dem Haus die Matratze, auf der Kirstys Stiefmutter Julia (Clare Higgins) starb und beginnt ein grausames Wiedererweckungsritual. Mit Julias Hilfe will Channard in die Bereiche der Hölle vordringen, die ihm bisher verschlossen waren. Währenddessen macht sich Kirsty, unterstützt von Rätsellöserin Tiffany (Imogen Boorman), daran, ihren in der Hölle verschollenen Vater zu suchen.

    „...please, feel free, explore. We have eternity to know your flesh.” (Pinhead)

    Während „Hellraiser“ gemeinhin als moderner Horrorklassiker und alles ab Teil III als Bodensatz des Genres wahrgenommen wird, teilen sich bei "Hellbound: Hellraiser II" die Meinungen. Die prominentesten konträren Positionen sind wohl, dass a) der langweilige erste Teil dem Sequel nicht das Wasser reichen kann und dass b) der zweite Teil den Geist des Originals verrät. Beide Perspektiven sind nachvollziehbar. War es bei „Hellraiser“ das abseitige, aber trotzdem absolut glaubhaft dargebotene Thema, das fesselte, sind es im zweiten Teil die zahlreichen fantastischen Einfälle. In der Tat nahm sich Barker 1987 mehr Zeit, die Hölle seiner Protagonisten zu entwerfen und deren Motivation glaubhaft darzustellen als ein Jahr später Atkins. „Hellraiser“ ist damit der einfachere, aber auch psychologisch zwingendere Teil geworden. „Hellbound“ hingegen entwirft ein größeres Szenario voller fantastischer Ideen; diese zeigen sich vor allem, wenn Kirsty und Tiffany sowie Dr. Channard und Julia aus ganz unterschiedlichen Beweggründen in die Hölle reisen.

    Hellraisers Hölle waren noch die Menschen selbst, die Hölle als physischer Ort wurde lediglich angedeutet. In „Hellbound“ wird die Welt der Zenobiten ausformuliert, sie ist der Wohnort von erstaunlichen Kreaturen und unvorstellbaren Mächten. Optisch präsentiert sich dieses Reich als ein Labyrinth aus düsteren Gängen, engen Zellen und skurrilen Architekturen, die Barkers Inspirationsquellen wie die Maler Hieronymus Bosch und Francisco de Goya, den Schriftsteller und Visionär William Blake sowie den Schweizer Künstler HR Giger erkennen lassen. „Ich möchte eine Fiktion der Extreme schaffen“, sagt Clive Barker in einem Interview mit „That’s Clive!“, dem offiziellen deutschen Clive Barker Fanclub. „Ich möchte, dass die Leute meine Arbeit entweder hassen oder lieben. Ich will, dass die Leute erregt sind oder ärgerlich. Ich will jede Art der Reaktion außer Gleichgültigkeit.“ Und Barker bekommt seinen Willen. Die eine oder andere sadomasochistische Illustration dürfte, nun ja, Geschmackssache sein, ebenso wie manche Goreszenen, denn in der ungeschnittenen Fassung geht es sehr blutig zu. Unbeeindruckt lassen wird das Gesehene jedenfalls niemanden.

    „Your suffering will be legendary, even in hell!” (Pinhead)

    Regisseur Tony Randel („Fist Of The North Star“, 1995), der für die Spezialeffekte des ersten Teils verantwortlich war und Peter Atkins („Hellraiser: Bloodline“, „Wishmaster“) gehören handwerklich sicherlich nicht zur ersten Garde. Trotzdem haben sie sich in „Hellbound – Hellraiser II“ einiges einfallen lassen. Man merkt: Sie waren mit Herzblut an der Sache. Der Look des Films, die Atmosphäre, die Effekte und besonders auch der Score sind den beiden wirklich gelungen, und Barkers Ursprungsideen sowieso über jeden Zweifel erhaben. Seinen definitiven Höhepunkt erreicht der Unterwelttrip, als Dr. Channard an den Ort seiner Bestimmung kommt und Bekanntschaft mit den dort ansässigen Mächten macht. Dass der Film auch seine Probleme hat, soll nicht verschwiegen werden. Während man Anschlussfehler und ein paar Logiklöcher durchaus verschmerzen kann, stören manche Dialoge („I'll get your clothes. I can do that. I'm a doctor.“) und auch der Handlungsverlauf nach Channards Verwandlung und sein Kampf gegen die Zenobiten wird manche Zuschauer vor einige Probleme stellen.

    Indes überzeugt „Hellbound – Hellraiser II“ schauspielerisch wie schon der Vorgänger. Ashley Laurence spielt Kirsty souverän und auch ihr Sidekick Tiffany, gespielt von Imogen Boorman („Deamchild“), gefällt. Während im ersten Teil Claire Higgins ( Der Goldene Kompass) als Julia die heimliche Hauptrolle war, stiehlt Kenneth Cranham in der Fortsetzung ihr zwar nicht die Show, sorgt als Dr. Channard aber maßgeblich dafür, dass auch die Fahrt durch ein paar Logiklöcher bei der Figurenmotivation abgefedert werden. Fast schüchtern spielt er anfangs seinen später alle Grenzen überschreitenden Arzt. Oliver Smith, der als Patient Browning Channards erstes Opfer bei Julias Wiedererweckung wird, ist übrigens derselbe Schauspieler, der den hautlosen Frank in „Hellraiser“ mimte. Andrew Robinson (Larry Cotton) wollte aufgrund von allzu hastigen Drehbuchänderungen nicht mehr dabei sein, sonst hätte wohl seine Figur auch noch ein paar Szenen bekommen.

    „Hellbound – Hellraiser II“ ist ein opulentes Gothic-Abenteuer, das mutig die Ideen der Literatur- und Filmvorlage weiterführt. Für 2008 ist ein Remake von Hellraiser durch Alexandre Bustillo und Julien Maury geplant. Die beiden Regisseure gaben der Filmwelt mit Inside jüngst eine schwer verdauliche Kostprobe ihres "Talents". Aber auch auf Barkers nächste Arbeiten darf man gespannt sein. Sein aktuelles Romankonzept „Abarat“ soll derzeit von Walt Disney umgesetzt werden. Clive Barker und Walt Disney – ein neues Dreamteam?

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