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    Der Kickboxer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Kickboxer
    Von Björn Becher

    Wenn man sich die alten Kampfsportfilme der Achtzigerjahre anschaut, dann trifft man eigentlich immer wieder auf die gleichen drei Storyelemente: hartes Training für den Helden, der finale Kampf und ein bisschen Story außen rum. Auch „Kickboxer“, neben Bloodsport der große Durchbruchsfilm von Jean-Claude Van Damme weist diese Elemente auf, reiht die bekannten Versatzstücke dabei aber gekonnt aneinander und gilt daher zu Recht als einer der besten Filme des kleinen Belgiers. Trotz der damals noch recht unerfahrenen Mark DiSalle und David Worth (Honor) hinter der Kamera gelingt nämlich ein zwar bisweilen ausgesprochen trashiges, aber überdurchschnittliches Filmvergnügen.

    Kickbox-Weltmeister Eric Sloane (Dennis Alexio, der wirklich den Weltmeistergürtel trug) findet in den USA keine ernstzunehmenden Gegner mehr. Als man ihm erzählt, dass Thailand die Heimat des Sportes sei und es dort noch große Kämpfer gebe, reist er gemeinsam mit seinem Bruder Kurt (Jean-Claude Van Damme) nach Bangkok, um den thailändischen Champion Tong Po (Michel Qissi) herauszufordern. Doch der entpuppt sich als knochenbrechendes Monster, das mit Eric kurzen Prozess macht und ihm das Rückgrat bricht. Nur dank der Hilfe des flippigen Ex-Soldaten Winston Taylor (Haskell V. Anderson III) kann Kurt seinen Bruder noch rechtzeitig ins Krankenhaus bringen, wo ihn allerdings die niederschmetternde Nachricht ereilt, dass Eric querschnittsgelähmt ist. Kurt will Rache, doch dafür muss der hervorragende Kickboxer Muay Thai, die thailändische Variante des Sports lernen. Einen Lehrer findet er mit dem weisen Xian Chow (Dennis Chan), der abgelegen in einem Wald lebt und eigentlich seit Jahren niemanden mehr unterrichtet. Weitere Unterstützung liefert dessen schöne Nichte Mylee (Rochelle Ashana). Doch Champion Tong Po ist nicht nur ein Kämpfer, sondern ein Mitglied der Bande des brutalen Schutzgelderpressers Freddy Lee (Steve Lee). Und die haben mehr zu verlieren als nur einen Kampf.

    Die Geschichte, die ähnlich in Hunderten Kampfsportfilmen (und z.B. auch in Rocky IV) erzählt wurde, ist sicher nicht der Grund, weswegen man sich „Kickboxer“, der in Deutschland übrigens unsinnigerweise als „Karate Tiger III“ vermarktet wurde, anschauen wird. Es ist die Action. Die ist vor allem im höchst brutalen Endkampf, der zu Beginn von „Hot Shots 2“ so wunderbar parodiert wird, auf hohem Niveau. Man sieht, dass hier wahre Könner ihres Faches am Werke waren. Doch überraschenderweise kann gerade der Mittelteil, in den nur ein paar kleinere Kampfszenen eingestreut sind, um den Zuschauer dahingehend bei Laune zu halten, ebenfalls gefallen.

    Der Trainingsplot folgt zwar dem in zahlreichen asiatischen Filmen entwickelten und spätestens seit „Karate Kid“ auch im Westen populären Prinzip der völlig ungewöhnlichen Methoden des schrulligen Meisters, doch das kann, wenn die Einfälle gut genug sind, jedes Mal wieder unterhalten. Van Damme muss hier zwar nicht „auftragen und polieren“, doch er bekommt von seinem Lehrmeister andere skurrile Aufgaben. Highlight ist dabei ein gemeinsamer Barbesuch, bei dem Van Damme erst abgefüllt wird, dann sein Tanztalent zeigen darf (eine Szene zum Totlachen) und schließlich sein Lehrer die komplette Bar auf den völlig Betrunkenen hetzt: ein Trashfeuerwerk der guten Laune. In dieser Szene wird, vor allem bei Van Dammes Tanz, zudem zum wiederholten Male ein leicht homoerotischer Unterton des Films auffällig, der ihn eigentlich neben Arnold Schwarzeneggers Das Phantom Kommando zum Kult-Achtzigerjahre-Streifen der Gay-Community qualifizieren würde. Im Gegensatz zum Auftritt von Einzelkämpfer John Matrix scheint dies aber nicht der Fall zu sein. Dabei gibt es einige Anspielungen, so zum Beispiel die sehr intensiv vorgetragene Bruderliebe und vor allem der Umgang mit Sex. Zwei Mal kommt Sex zur Sprache. Das eine Mal erzählt Eric seinem Bruder nur widerwillig und sehr verstockt von einer Nummer mit einer Prostituierten und man wird den Eindruck nicht los, dass er es nicht geschafft hat, seinen Mann bei einer Frau zu stehen, weil er sich nach dem Bruder gesehnt hat. Das andere Mal vergewaltigt Tong Po die schöne Mylee und braucht dazu zumindest die Hilfe von zwei Kumpanen. Dazu kommt natürlich der erwähnte Tanz im hautengen Muskelshirt.

    Jean-Claude Van Damme (Until Death) hat sich bei dieser Produktion hauptsächlich mit Vertrauten umgeben. Die Regisseure haben zum Beispiel zuvor schon mit ihm zusammen gearbeitet und Bösewicht Tang Po wird von Michel Qissi gespielt. Der ist ein langjähriger Freund und Trainingspartner, der mit Van Damme gemeinsam nach Hollywood ging, um eine Filmkarriere einzuschlagen. Ursprünglich sollte er nur als Action-Choreograph beteiligt sein, doch da man einen hünenhaften orientalischen Darsteller für die Antagonistenrolle suchte, sprang er kurzfristig ein. Um ihn noch gefährlicher wirken zu lassen, wurde er etwas dunkler geschminkt und sein Mitwirken in den Credits verschleiert. Dort wird dem Zuschauer vorgegaukelt, dass es Tang Po wirklich gäbe. Von den restlichen Darstellern sind vor allem Dennis Chan als schön-schrulliger Miyagi-Verschnitt und Haskell V. Anderson III (This Christmas) erwähnenswert. Der darf als Ex-Vietnam-Kämpfer und Lebemann in einer Art Buddy-Funktion coole Sprüche beisteuern und am Ende dann auch noch die große Wumme auspacken, um dem Kampfsportfilm auch eine schöne Explosion zu bescheren.

    Ein wichtiger Hinweis zum Abschluss noch zu den Versionen des Films. In Deutschland gab es bis jetzt nur eine von der Laufzeit zwar längere, aber trotzdem gekürzte Fassung des Films. Der Grund für diesen ungewöhnlichen Umstand: Der umtriebige Schweizer Filmproduzent und –verleiher Erwin C. Dietrich (Die Stewardessen) kaufte „Kickboxer“ recht früh für den deutschen Markt ein und bekam den Film in der noch nicht endgültigen Version geliefert, sondern in einem längeren Rohschnitt. Um mit einer Freigabe ab 16 Jahren möglichst hohe Besucherzahlen zu erreichen, erleichterte er diese Version um ein paar Gewaltszenen und brachte ihn dann im April 1989 in die deutschen Kinos. Die Produzenten kürzten derweil aber den Rohschnitt noch um einige Handlungsszenen, damit das Gesamtwerk schneller und actionreicher wirkt. Diese Version kam dann in die amerikanischen Kinos und erschien auch in der übrigen Welt. Erst jetzt, im November 2007, nach zahlreichen TV-Aufführungen, Video- und DVD-Veröffentlichungen der berüchtigten „Erwin C. Dietrich-Version“ bringt das Label Splendid, das mittlerweile die Rechte hält, eine 2-Disc-Edition heraus, die auf der einen DVD die bisher bekannte Version bietet und auf der zweiten DVD als deutsche Erstveröffentlichung die sogenannten US-R-Rated-Fassung, also die eigentliche Version von „Kickboxer“ (siehe auch DVD-Kritik). Und die ist ein Muss für Fans des agilen Belgiers und unterhaltsamer, sinnfreier Achtzigerjahre-Actionkost.

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