Fred Zinnemann (1907-1997) gehört zu den Regisseuren, die mit legendären Filmen aufwarten können. 1944 brachte er Anna Seghers Geschichte „Das Siebte Kreuz“ auf die Leinwand (mit Spencer Tracy in der Hauptrolle), ein Roman von James Jones diente ihm 1953 als Grundlage für „Verdammt in alle Ewigkeit“ (mit Burt Lancaster, Montgomery Clift, Deborah Kerr und Frank Sinatra). Sein größter Erfolg jedoch bleibt 12 Uhr Mittags aus dem Jahr 1952 mit Gary Cooper, Lloyd Bridges und Grace Kelly.
Einer seiner letzten Filme widmete sich dem Anschlag auf den französischen Präsidenten Charles de Gaulle durch Mitglieder der OAS (Organisation de l'Armée Secrète), einer Geheimorganisation vor allem in Algerien lebender Franzosen, die die Unabhängigkeit des Landes 1962 nicht akzeptieren wollten und dies durch Terroranschläge dokumentierten. Der blutige Krieg gegen die algerische Befreiungsorganisation FLN, geführt von Ben Bella, wurde auch nach Frankreich getragen. Ein erster Anschlag auf de Gaulle scheiterte; der Attentäter wurde hingerichtet. Forsyth entwickelt in seinem Roman die Planung eines weiteren Attentats, das jedoch von einem von der OAS unabhängigen Killer durchgeführt werden soll, da der französische Geheimdienst die OAS bereits weitgehend durch Spitzel unterwandert hatte.
Kenneth Ross Drehbuch verleitete Michael Caton-Jones 1997 zu einem wenig überzeugenden Remake mit Bruce Willis, Richard Gere und Sidney Poitier in den Hauptrollen.
Die OAS-Spitze um Casson (Denis Carey), Montclair (David Swift) und Wolenski (Jean Martin) will einen englischen Profikiller auf de Gaulle ansetzen. Alle drei OAS-Mitglieder befinden sich in einem Versteck in der Schweiz, in dem sie den Killer nur einmal zu sehen bekommen. Er nennt sich „Der Schakal“ (Edward Fox) und macht zur Bedingung, dass er ab sofort allein arbeitet – ohne irgendwelche Kontakte zur OAS.
Um das Geld für die Bezahlung des Schakals aufzubringen, organisieren Casson und seine Leute Juwelendiebstähle. Colonel Rolland (Michel Auclair) und seine Leute vom Geheimdienst werden auf diese Weise darauf aufmerksam, dass die OAS offenbar weiter aktiv ist. Der Schakal macht sich an die Vorbereitungen für das Attentat, das während der Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit stattfinden soll. Er verschafft sich über die Geburtsurkunde eines längst Verstorbenen eine neue Identität, beauftragt einen Gewehrmacher (Cyril Cusack) mit der Anfertigung eines Spezialgewehrs, das in Einzelteile zerlegt und dadurch unauffällig versteckt werden kann, lässt sich von einem Fälscher (Ronald Pickup) Papiere machen, besorgt sich Kleidung, um am Tag des Attentats getarnt in das Haus zu gelangen, aus dem heraus der tödliche Schuss abgefeuert werden soll, und mietet eine konspirative Wohnung an. Über einen Mittelsmann wird die schöne Denise (Olga Georges-Picot) auf einen hohen Beamten im Umkreis eines Ministers (Alan Badel) und des Geheimdienstes angesetzt, damit der Schakal über die jeweils neuesten Aktivitäten der Polizei und des Dienstes informiert ist.
Rolland und seine Leute nehmen Wolenski fest, der unter Folter spärliche Informationen über das geplante Attentat preisgibt. Da der Schakal jedoch allein arbeitet und die OAS-Mitglieder nichts über seine konkreten Vorbereitungen wissen, nutzt Rolland die Aussage Wolenskis nur wenig. Auch die Spitzel des Geheimdienstes in der OAS sind kalt gestellt. Man weiß nur, dass der Schakal gepflegt aussieht, blonde Haare hat und aus dem Ausland kommt. Rolland sieht nur eine Chance: Ein Spitzenmann aus der französischen Polizei soll die Identität des Schakals aufklären. So wird Inspektor Lebel (Michael Lonsdale) beauftragt, der zusammen mit seinem Mitarbeiter Caron (Derek Jacobi) die Ermittlungen aufnimmt. Inzwischen sind die Vorbereitungen des Schakals weit gediehen. Den Fälscher hat er beseitigt, nachdem der ihn erpressen wollte. Denise erfährt so gut wie alles, was sie wissen will. Das Spezialgewehr ist perfekt. Lebel bleibt nur noch wenig Zeit ...
Ein Film fast ohne Musik. Zinnemann erzeugt über eine Länge von über zwei Stunden Dauerspannung, ohne musikalische Effekte zu benutzen. Diese Meisterleistung resultiert vor allem daraus, dass er die detaillierten Vorbereitungen des Attentats und die Welt des skrupellosen Schakals mit einer anderen Welt, der des Inspektor Lebels, der in Zeitnot und unter immensem, auch politischen Druck steht, konfrontiert. Unter den spezifischen Bedingungen erzeugt dies eine Verfolgungsjagd, bei der Jäger und Gejagter erst ganz am Schluss aufeinander treffen. Es erweist sich jedoch im Laufe des Films noch etwas anderes: Beide Welten sind nur die zwei Seiten einer Medaille. Der Schakal wie Lebel verrichten ihre Arbeit vor einem sozialen und politischen Hintergrund, der zwar vorausgesetzt ist, im Film selbst aber nur angedeutet wird.
Zinnemann zeigt den Schakal als einen Mann, der entschlossen ist, für 100.000 Pfund, wenn ich mich der Summe recht erinnere, sein Ziel skrupellos zu verfolgen. Ihm gegenüber stehen Rolland und Lebel, die dies – unter Einsatz aller Mittel, auch Folter – zu verhindern trachten. Dem Film wurde vorgeworfen, er entfalte keine psychologische Schärfe der Charaktere. Das Gegenteil ist der Fall. Nur, dass uns die Psychologie der Figuren nicht behagt. „Der Schakal“ ist emotional gesehen ein Kälte verbreitender Film. Weder Edward Fox Schakal, noch Lonsdales Lebel strahlen Wärme aus. Eine Identifizierung mit den Figuren ist kaum möglich.
Zinnemann treibt den Zuschauer auf die Jagd. Die einzige Frage, die entscheidend bleibt, ist, ob der Schakal es schafft, an de Gaulle heranzukommen oder nicht. Das Groteske, ja Zynische an dieser Situation ist, dass jeder heute weiß, dass de Gaulle nicht ermordet wurde, und das bedeutet, dass man von vornherein weiß, dass der Schakal scheitern wird. Nicht die Inszenierung ist kalt oder unpsychologisch angelegt, sondern die Geschichte, die der Film erzählt, über eine Gesellschaft, in der die sich selbst für moralisch höher stehend betrachtenden Staatsorgane mit ein und denselben Mitteln ein Attentat zu verhindern trachten, mit denen es verübt werden soll: Hinterhalt, Heimtücke, Folter, entfesselte Staatsmacht.
Zinnemann lässt dem Zuschauer keine Ruhe. Er führt zahlreiche Personen ein, die zum größten Teil nur mehr oder weniger kurz zu sehen sind, darunter etwa auch Colette de Montpelier (Delphine Seyrig), die den Schakal als Liebhaber benutzt, während er sie im Rahmen seines Plans instrumentalisiert und mit aller Kaltblütigkeit tötet, weil sie eine unliebsame Zeugin sein würde. Auf der anderen Seite geht es den französischen Behörden zwar auch um das Leben des Präsidenten (gespielt von Adrien Cayla-Legrand), vor allem aber um das, was er repräsentiert: Staatsmacht, Legitimität und Legalität. Um diese „Werte“ zu schützen, ist jedes Mittel erlaubt.
Der konkrete historische Hintergrund lässt diese Geschichte noch verwickelter erscheinen. Denn de Gaulle hatte den Algeriern die Unabhängigkeit nicht freiwillig zugestanden. Die FLN hatte jahrelang aus dem Untergrund heraus gegen die Kolonialherren einen unerbittlichen Krieg geführt, bevor 1958 de Gaulle bereit war, Algerien eine „gewisse Autonomie“ zu garantieren. Erst 1962 hatten Ben Bella und die FLN gesiegt. Die OAS sah in de Gaulle einen Verräter an den Interessen Frankreichs. Es ging also nicht einfach um ein politisches Attentat, sondern um eine Art politische Blutfehde: einer der ihrigen sollte dafür sterben, dass er die französische Sache verraten hatte. Das macht ein Attentat nicht besser oder schlechter, rückt die Figuren des Films aber ins rechte Licht.
Zinnemann ist dieser Geschichte und ihren politischen und sozialen Umständen in der Inszenierung weitgehend entgegengekommen, besonders auch vor dem Hintergrund des kalten Krieges, innerhalb dessen der Verlust einer Kolonie und die damit verbundenen innenpolitischen Zerwürfnisse schwerwiegendere Einbußen an Image und Einfluss bedeuten mussten als in anderen Zeiten. Amoralität, intellektuelle Debilität und Skrupellosigkeit reichen sich die Hände. Für die Figuren in „Der Schakal“ besteht der Lebensinhalt im Ziel des Machterwerbs bzw. -erhalts.
„Der Schakal“ ist ein typischer Thriller der frühen 70er Jahre, vergleichbar etwa mit William Friedkins French Connection (1971), spannend und in gewisser Hinsicht – vor dem genannten historischen Hintergrund – zum Zerreißen zermürbend. Ein einziger Schuss entscheidet im Showdown eine Auseinandersetzung, nach der sich nicht wirklich etwas ändert, nach dem nur die Verhältnisse wieder klar gestellt sind. Zinnemann erwies sich hier – er drehte nach dem Schakal noch zwei Filme – einmal mehr als exzellenter Dramatiker, der es versteht, aus einer gelungenen Romanvorlage einen gelungenen Film zu zaubern.