Peinlich geschauspielert, superbillig produziert, schrecklich vulgär - und dennoch eine der besten Komödien des vergangenen Jahrzehnts. Der aus New Jersey stämmige, nunmehr etablierte Filmemacher Kevin Smith (Dogma, Jersey Girl) legte 1994 mit „Clerks“ ein Filmdebüt vor, von dem die meisten Jungregisseure nur träumen können. Damals 24 Jahre alt, verkaufte Smith seine gesamte Sammlung erlesener Comics und überzog all seine Kreditkarten, um den innovativen Independent-Schocker, der mit seinem frechen Dialogwitz stilbildend für viele Nachfolger wie Nachahmer wurde, finanzieren zu können. Budget: 50.000 Dollar, davon etwa 25.000 allein für die Soundtrackrechte. Nachdem der Film in Cannes begeistert aufgenommen wurde und auch passabel in den (amerikanischen) Kinos lief, kaufte sich Smith seine Comic-Sammlung wieder zurück. „Clerks“ handelt vom 22-jährigen Verkäufer (engl. „clerk“) Dante Hicks (Brian O´Halleran), der an einem Samstag, an dem er eigentlich nur Hockey spielen wollte, zum Dienst in den Mini-Supermarkt beordert wird, und hierauf die denkwürdigsten Tag seines jungen Daseins erlebt. Maßgeblich hierzu beitragend: sein misanthropischer Freund Randal (Jeff Anderson), der sich in der Videothek von nebenan ebenfalls als „clerk“ bedingt. 2007 kommt nun 13 Jahre nach dem Original Smiths Fortsetzung „Clerks II“ in die deutschen Kinos.
Kevin Smiths Film von 1994 ist ein mit scharfsinnigen Anspielungen und Zitaten, einer ausgefeilten Symbolik, launigen Anekdoten und unglaublichen Vorkommnissen gespickter Meilenstein des Indie-Kinos. Die Meisterschaft dieses Debüts lag zum Teil darin, dass der Film so erzählt wird, dass der Zuschauer genötigt wird, die irrwitzigsten Begebenheiten, die aus Gründen der Zumutbarkeit natürlich nicht gezeigt werden, mit sich selbst in seiner Fantasie auszumachen. Und was sich dort abspielt ist... shocking! Weil aber die reine Imagination schmuddeliger wie anders anstößiger Sachverhalte dem FSK-Pendant in den USA schon zu viel waren - es kommt übrigens nicht eine „explizite“ Szene im Film vor - , drohten die Behörden damals mit einer rigiden Erwachsenenfreigabe, die eine monetäre Bruchlandung für den Film bedeutet hätte, weil einem Großteil der Zielgruppe so der Gang ins Kino verwehrt geblieben wäre. Glücklicherweise konnte diese restriktive Maßnahme von den Machern auf juristischem Wege verhindert werden. Obschon der Komödienschocker um die Probleme des Erwachsenwerdens und des damit verbundenen Sich-Entscheiden-Müssens in Deutschland noch kaum rezipiert ist, ist er in den USA schon ein gestandener Klassiker unter Cineasten – trotz und vielleicht gerade wegen all seiner filmtechnischen Schrullen und Babykrankheiten. Jetzt die Fortsetzung. Man kann die Erwartungshaltung, die im Hinblick auf dieses Sequel bei Fans vorherrschte, gar nicht überschätzen. Wie setzt man eigentlich einen so innovativen Film wie „Clerks“ in gebührlicher Weise fort? Wie knüpft man vor allem an den einzigartigen Charme seines Anfängertums an?
Der „Convenience Store“, in dem Dante arbeitet, brennt eines Tages unvermittelt vollkommen ab. Was tun? Dante und Randal arbeiten fortan in einer Filiale der soliden (aber fiktiven) Fast-Food-Kette „Mooby`s“. Zu ihrer Seite steht ihnen der 19-jährige Dümmling Elias (grandios: Trevor Fehrman). Ihre attraktive Chefin Beckie (Rosario Dawson) hält die drei an der langen Leine. Vieles hat sich in den letzten 13 Jahren verändert. Dante hat sich mit der impulsiven Emma (Jennifer Schwalbach Smith) verlobt, deren Vater Dante die Leitung eines Auto-Waschsalons in Florida in Aussicht gestellt hat. Der Umzug Dantes von New Jersey in den Sonnen- und Rentnerstaat ist beschlossene Sache. Der Film handelt vom letzten Arbeitstag Dantes im Fast-Food-Restaurant. Er handelt vorder- wie hintergründig von Abschied. Randal behagen die Pläne seines besten Kumpels gar nicht. Ihm fällt der Gedanke schwer, seines „Buddies“ verlustig zu gehen. Dennoch ziert er sich, Dante dies auseinander zu setzen. Und auch Beckie, die Chefin, verbindet mit Dante nicht nur eine tiefe Freundschaft, sondern auch ein One-Night-Stand, dessen Bedeutung beide immer wieder bemüht sind, herunterzuspielen - auch sie ist nicht gerade begeistert von der Aussicht, Dante nicht mehr zu sehen. Und Dante (selbstredend) ist sich seiner selbst und seiner Pläne auch nicht so gewiss, wie er sein sollte…
Da haben wir sie schon wieder: Die Probleme des Erwachsenwerdens, vom Abschied von der Jugend mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten. Mit dem Unterschied, dass Dante nicht mehr 22 ist, sondern sich um die Mitte 30 bewegt. Wird hier etwa die Kernproblematik des ersten Teils einfach wieder aufgegriffen und noch einmal in Farbe gezeigt? Ja, das wird sie, in der Tat. Man muss sogar weiter gehen und sagen, dass sowohl die Thematik als auch die Struktur des Originals nahezu „kloniert“ werden. An dieser Stelle folgt aber noch kein Einwand hiergegen. Im ersten Teil schon fiel es Dante unheimlich schwer, für sein Leben wesentliche Entscheidungen zu treffen. Die fürsorgliche Veronica oder die gemeine Ex Caitlin? Studium oder Ladenhüterdasein? Ewig den Weg des geringsten Widerstandes wählen oder sich mutig dem feindseligen Fatum entgegen stellen? Weil Dante sich nicht entscheiden kann, mischt sich Randal dauernd in sein Leben ein. Randal meint es dabei gut mit seinem Kumpel. Er wird jedoch nachher für die negativen Konsequenzen von Dantes halbdurchdachten Entscheidungen verantwortlich gemacht. Auch im zweiten Teil muss er als „scape goat“ herhalten – im Moment des Eintretens der größtmöglichen Katastrophe. Und wieder macht er, Randal, seinem Freund unmissverständlich klar, woran es wirklich gehapert hat: an Dante selbst, an seiner Unfähigkeit einzusehen, was tatsächlich für ihn dass Beste wäre. Randal ist wieder die Stimme der Vernunft, Dante wieder der tragische Held, der aufgrund seiner agnorisis (Blindheit) selbiger bedarf. Wie bei den alten Griechen treffen menschliche Verblendung und delphsche Weisheit aufeinander bis der tragische Konflikt aufgelöst bzw., wie im ersten Teil, ausgestanden ist. Dante muss wieder in den untersten Höllenkreis – in diesem Fall: ins Gefängnis... zusammen mit Randal, Silent Bob und Jay, die natürlich auch wieder mit von der Partie sind - um Läuterung zu erfahren.
Die inhaltliche „Klonierung“ von Teil eins ist wohl Kevin Smiths Antwort darauf, wie eine Fortsetzung von „Clerks“ überhaupt möglich ist. Für den Zuschauer kann das dreierlei bedeuten: (1) Er wird total enttäuscht sein, und Teil eins maßlos hinterher trauern, (2) er unterhält sich prächtig dabei wie der frappierend ähnliche Plot umgesetzt wird – und schwelgt in der Erinnerung an Teil eins oder (3) er kennt Teil eins nicht, und ist begeistert von einer maßlos-frechen Komödie ohne viele Schnörkel. So oder so ist „Clerks II“ eher als gelungen zu bezeichnen – auch wenn es nicht so scheint, als wenn Kevin Smith mit heißer Stirn über dem Skript, im Schweiße seines Angesichts Jahre der Tüftelei verbracht hätte. Der Film ist nichts als ein Update des Urstoffes. Oder eine nostalgische Erinnerung an den Erstling. Smith rehabilitiert sich mit diesem Film, nachdem er mit dem vorigen New–Jersey-Film Jersey Gir in jeglicher Hinsicht eine filmische Bruchlandung hingelegt hat. Das ernste Drama (mit Ben Affleck und Jennifer Lopez) wurde von der Presse mit Hohn und Spott überschüttet und bei der Razzie-Preisverleihung mit drei Goldenen Himbeeren abgestraft. Dieses Schicksal blüht „Clerks II“, der in Cannes mit langen Standing Ovations gefeiert wurde, natürlich auf keinen Fall.
Der solide inszenierte Film profitiert – anders als Teil eins – immens von den Einzelleistungen seiner Akteure. Der junge Schauspieler Trevor Fehrman ist dabei vor allen anderen zu loben. Rosario Dawson (Grindhouse) brilliert schauspielerisch wie tänzerisch in ihrer Rolle als Dantes wirklicher großer Liebe Beckie. Brian O´Halloran und Jeff Anderson haben merklich viel dazu gelernt, obzwar sie im Vergleich zum Vorgänger nicht viel anders machen müssen. Insbesondere aus dem Zusammenspiel von Jeff Anderson mit Trevor Fehrman ergeben sich die besten Szenen des Films. Anderson begeistert einmal mehr in seiner Rolle als ewiger „Star Wars“-Fanatiker Randal, wenn es darum geht, die Lucas-Trilogie gegen Peter Jacksons Herr der Ringe – Trilogie zu verteidigen. Anstelle eines wohlformulierten Arguments liefert Randal eine Zusammenfassung der „Herr der Ringe“-Filme, die einfach nur göttlich-schamlos ist und ihresgleichen sucht. Und dass Fehrman nicht selbst in der Szene in Gelächter ausgebrochen, in der er als Elias Randal erklärt, warum er noch nicht mit seiner Freundin geschlafen hat, ist auch kaum zu glauben. Jason Mewes als Jay hat diesmal einen ganz großen Auftritt – als Plagiat des Das Schweigen der Lämmer–Psychokillers in einem der besten Filmzitate der letzten Jahre. Meister Smith selbst, als Silent Bob, bleibt dagegen weitest gehend unauffällig - was nicht weiter stört. Als störend muss man hingegen seine Ehefrau Jennifer Schwalbach Smith in diesem Film bezeichnen. Sie spielt die extrovertierte Emma, die im Film glücklicherweise nur wenige und kurze Szenen hat, nicht allzu gut.
Vielleicht ist es nicht ganz fair zu sagen, dass dieser zweite Teil seinem Meister nicht unbedingt zum ganz großen Lobe gereicht. Ist er doch keineswegs als schlechter zu bezeichnen als Teil eins. „Clerks II“ ist ebenso eine superbe Komödie. Man erkennt aber an diesem Film, dass es in der Tat kein Leichtes ist, das Genre weiter auszuhöhlen, neue Maßstäbe für selbiges zu setzen – eine filmische Revolution wie „Clerks“ zu liefern. Das Genre hat sich Smiths Debüt merklich zu Eigen gemacht. Deshalb kommt „Clerks II“ nicht mehr als neuartige Film-Erscheinung daher. Die Reihe wurde von der Entwicklung der Hollywood-Komödie der letzten Jahre eingeholt. Es ist vielleicht doch davon auszugehen, dass Smith lange – und im Schweiße - an dem Skript getüftelt hat. Er hat darüber wohl eingesehen, dass mit diesem Film eben keine neuen Genre-Maßstäbe gesetzt werden können. Es ist dem Film anzumerken, dass Smith – wohl aus diesem Grund - die Absicht hegt, in erster Linie an das Skandalös-Neue seines Kinodebüts zu erinnern. Und wir erinnern uns gerne mit ihm. So gesehen ist „Clerks II“, wie bereits gesagt, nichts als eine nostalgische Erinnerung an einen innovativen Schwarzweißfilm aus den Neunzigern.
Fazit: Die Sensation ist ausgeblieben. „Clerks II“ ist eine unterhaltende, in vielen Momenten urkomische Komödie – doch das Kultpotential fehlt.