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    Der Tiger und der Schnee
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Der Tiger und der Schnee
    Von Christoph Petersen

    Wenn Roberto Benigni nur als Schauspieler an einem Film mitwirkt, dann muss dieser schon ziemlich gut sein, um an Benignis unkontrolliert-hektischem Rumgezappel nicht zu zerbrechen – wehrhafte Werke sind zum Beispiel Jim Jarmuschs Down By Law und Night On Earth, keine Chance hingegen hatte das prominente Benigni-Opfer „Der Sohn des rosaroten Panthers“ von Blake Edwards. Wenn Benigni dann zusätzlich auch noch die Regie selbst in die Hand nimmt, ist in der Regel jegliche Hoffnung auf ein erträgliches Ergebnis vom Start der Produktion an unwiderruflich verloren. Mit der Komödie „Ein himmlischer Teufel“ hat er es geschafft, Walter Matthau zu einem konsequent-unlustigen Stichwortgeber zu degradieren und auch seine weiteren Filme sind entweder an ekelhaft-verklärendem Knallchargen-Optimismus wie „Das Leben ist schön“ oder an purem Unvermögen wie etwa Pinocchio gescheitert. Auch „Der Tiger und der Schnee“ macht da keine Ausnahme und reiht sich nahtlos in die Reihe der Fehlschläge ein.

    Der Dichter und Poesie-Professor Attilio (Roberto Benigni, Coffee And Cigarettes) ist unsterblich in die unglaublich schöne Autorin Vittoria (Benignis Frau Nicoletta Braschi) verliebt. Jede Nacht träumt er davon, seine Angebetete heiraten zu dürfen, wobei Tom Waits (Domino) in einem Klavier spielenden Cameo-Auftritt den Song You Can Never Hold Back Spring beisteuert. Aber in der realen Welt ist Vittoria alles andere als erfreut über die ständigen, unangebrachten Annäherungsversuche von Attilio – mit allen Mitteln versucht sie, ihren nervenden Verehrer wieder loszuwerden. Als Vittoria dem berühmten arabischen Dichter Fuad (Jean Reno, Der rosarote Panther, Das Imperium der Woelfe), der fast sein ganzes Leben in Paris verbracht hat, aber nun – kurz vor Kregsbeginn – in seine Heimat Irak zurückkehren will, nach Bagdad folgt, um eine Biographie über ihn zu schreiben, wird sie lebensgefährlich verletzt. Obwohl es kriegsbedingt eigentlich keine Flüge mehr in den Irak gibt, findet Attilio doch noch eine ungewöhnliche Möglichkeit, um zu seiner Geliebten zu gelangen. Vittorias Überlebenschancen liegen fast bei Null, die wichtigen Medikamente und Gerätschaften sind einfach nicht zu bekommen. Trotzdem setzt Attilio mit der Hilfe von Fuad und des Arztes Salman (Abdelhafid Metalsi, Muenchen) alle Hebel in Bewegung, um Vittoria doch noch retten zu können…

    „Der Tiger und der Schnee“ versucht ein Liebesfilm zu sein, der aber daran scheitert, dass man aufgrund von Benignis selbstverliebten Spiel und Attilios super-aufdringlichem Verhalten dem Hauptcharakter nicht die geringsten Sympathien entgegenbringt. Wenn er die wunderschöne Vittoria umwirbt und sich dabei wie ein sexbesessener Stalker aufführt, wünscht man sich nicht, dass die beiden sich liebend in die Arme fallen, sondern dass sie möglichst schnell möglichst weit wegrennt. Auch wenn Attilios Töchter oder seine Studenten seinen hohlen Phrasen lauschen, als wären sie die einzig gültige Wahrheit oder ihn bei seinem egomanen Gestenspiel beobachten, als würde er ihnen eine göttliche Botschaft übermitteln, kann man als Kinobesucher nur verständnislos den Kopf schütteln. Fünf Minuten vor Schluss wartet Benigni noch mit einem Story-Twist auf, der Attilios vorheriges Gehabe entschärft und das Ende versöhnlicher gestaltet. Allerdings hat Benigni hierfür die Zuschauer zuvor mit billigen Inszenierungs-Tricks auf eine falsche Fährte gelockt, so dass sich das angenehme Gefühl durch die Wendung und der Ärger über die vorherige „Verarsche“ im negativen Sinne wieder ausgleichen.

    Benignis übertriebene Selbstinszenierung als Teil der Liebesgeschichte führt einfach nur dazu, dass der Film nicht funktioniert. Wenn er diese aber ohne Bruch auch in den Irak-Szenen fortführt, bekommt das Ganze eine mehr als fragwürdige Komponente. Dem kitschig-animierten Bagdader Bombenhimmel eine poetische Schönheit abzuringen, kann man als dichterische Freiheit gerade noch durchgehen lassen. Aber den Krieg hinter dem eigenen Suppenkasper-Gehabe anzustellen und die irakische Bevölkerung mit Ausnahme des Arztes als plündernde Halbaffen darzustellen, ist politisch fatal und menschlich abstoßend. Ganz besonders stößt eine Szene auf, in der ein Iraker im Krankenhaus einbricht, um dort Vittoria eine goldene Kette zu stehlen, aber glücklicherweise gerade noch vom heroisch eingreifenden Attilio daran gehindert werden kann. Im anschließenden kritischen Gespräch mit dem Doktor wird die Schuld an dem Vorfall übrigens den Amerikanern angelastet, weil die nicht genug bewaffnetes Sicherheitspersonal für das Krankenhaus abgestellt haben. So hinterfragt Benigni den Krieg nicht, sondern schlachtet ihn - und ein leidendes Volk dazu - für seine eigene, egomane Züge tragende Ikonisierung und eine eh nicht funktionierende Liebesgeschichte rücksichtslos aus.

    Sowohl die Liebesgeschichte als auch die Irak-Passagen lassen durchaus einige wenige weiterführenswerten Ansätze erkennen. Zum Beispiel das wunderbar zurückhaltende, aber trotzdem ausdrucksstarke Spiel von Nicoletta Braschi oder auch das seltene Vergnügen einer überzeugenden satirischen Spitze – etwa wenn Attilio fast von einer „Peace“-Fahne erschlagen oder mit Medikamenten bepackt von angsterfüllten GIs bei einer Straßenkontrolle für einen Selbstmordattentäter gehalten wird. Aber Benignis schauspielerische Amoklauf raubt sowohl der Geschichte als auch seinen Darsteller-Kollegen jeden Raum zur Entfaltung. Selbst als Fuad soweit geht und sich an einem Baum aufhängt, um ein wenig Beachtung zu erhaschen, bleibt die Kamera stur bei Attilio. Man muss „Der Tiger und der Schnee“ qualitativ wohl einen Tick über dem historischen Fehlschlag Pinocchio und einen Tick unter „Das Leben ist schön“ einordnen, aber im Endeffekt läuft es wie bei allen Benigni-Werken darauf hinaus, dass der Film nur äußerst schwer ertäglich ist.

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