In fast jedem Jahr gibt es auf der Berlinale einen echten Ausreißerfilm. Für 2007 steht dieser Kontrapunkt schon fest: Zack Snyders Heldenepos „300“, welches auf Frank Millers (Sin City) Comic über die Schlacht bei den Thermopylen basiert, handelt nicht von komplexen Problemen oder vielschichtigen Konflikten. Dafür verspricht dieser Film vor allem eins: jede Menge Blutvergießen. Damit setzt Regisseur Snyder, der zuletzt den Zombiekult Dawn Of The Dead inszenierte, den martialischen Männlichkeitsritualen der (Comic-)Spartaner ein bildgewaltiges Denkmal, mit dem er bei seinen Darstellern augenscheinlich auf volle Unterstützung zurückgreifen kann. Jede Menge bis zum geht-nicht-mehr gestählte Männerkörper werfen sich mit Freude für ihn und seinen Filmkönig Leonidas ins Schlachtgetümmel.
Leonidas (Gerard Butler) wurde den Sitten der Spartaner gemäß nach den härtesten Kampf- und Belastungsproben aufgezogen und musste sich seit seinem siebten Lebensjahr immer wieder im Gefecht beweisen. Inzwischen ist er König von Sparta, liebender Ehemann von Gorgo (Lena Headey) und Vater. Nachdem Leonidas ein paar persische Abgesandte, die Angebote zur Unterwerfung Spartas unter den grenzenlos narzisstischen König Xerxes (Rodrigo Santoro) überbringen, wegen ihrer mangelnden Insubordination und Diplomatie gleich mal im örtlichen Gulli entsorgt hat, zieht er mit 300 Mann seiner persönlichen „Leibwache“ gegen den im Norden einfallenden Perserkönig los, da das von Theron (Dominic West) bestochene Orakel ihm den offiziellen Kriegszug versagt. An der engen Felsschlucht der Thermopylen versuchen die Spartaner mit einer Handvoll Verbündeter, der zahlenmäßigen Überlegenheit der Perser ihre ganze Kampfkunst entgegenzusetzen.
Und dann geht es auch direkt los mit dem in opulenter Bildgewalt eingefangenen Gemetzel. Die eindrucksvoll inszenierten und choreografierten Kampfszenen bieten einen hohen Schauwert, der durch Effekte wie das gekonnte Spiel mit Zeitlupe und Zeitraffer - oft in einer einzigen Bewegung - noch gesteigert wird, während der Bodycount zügig und sicher in die Höhe klettert. Mauern aus Leichen, Pfeilhagel und elegante aber gnadenlose Kampfmaschinen mit Waschbrettbauch bietet Snyder auf, um das Publikum wie bei den Gladiatorenfestspielen bei blutiger Laune zu halten. Die persische Armee bietet neben Nashörnern, Elefanten, riesigen Trollen und Monstern auch die Spezialeinheit der Unsterblichen auf, an denen die schnittigen Spartaner ihre Kampfkünste erproben können. Am Anfang und am Ende der von „300“ gezeigten Schlacht bei den Thermopylen geht jedoch dramaturgisch alles sehr schnell, so, als hätte das Drehbuch hier keine ausgeklügelten Lösungen mehr anzubieten.
Zwischen den Kampfsequenzen wird ein Subplot aufgemacht, in dem Leonidas Frau Gorgo in eloquenten Reden versucht, den Rat der Spartaner zum offiziellen Kriegseintritt und zur Unterstützung der 300 zu überreden. Natürlich möchte Snyder dem Zuschauer mit diesen Versatzstücken eine Pause zwischen dem blutigen Spektakeln gönnen und etwas Ruhe in den Film bringen, aber dieser politische Handlungsstrang wertet den Film doch leider etwas ab. Denn die feierlichen Reden über Freiheit und Ehre, die Gorgo - und gleichzeitig auch Leonidas vor seinen Kriegern - zelebrieren, nimmt man einem Kriegervolk, das seine als unwert angesehenen Neugeborenen gleich mal über die Klippe schmeißt, einfach überhaupt nicht ab. Da wird von Ehre und einer Weltordnung in gleichberechtigter Freiheit gefaselt, während die eigenen Kinder keine Chance bekommen. Synder testet die Geduld seines Publikums mit diesen Monologen. Die Reden hinterlassen sicher ein Fragezeichen, aber sie mindern dennoch nicht den Sehspaß. Der wird an anderer Stelle auch durch den etwas überraschenden aber umso erfreulicheren Einsatz von schwarzem Humor und Zynismus ausgeglichen. So unterhalten sich die Spartaner beispielsweise über die Vorteile zivilisierter Diplomatie im Umgang mit Xerxes, während sie zurückgebliebene persische Verletzte abschlachten. Hand aufs Herz: Die Dialoge und Reden sinnt allesamt hahnebüchener rhetorischer Bullshit und nur vom Pathos gefüttert, in dieser Hinsicht darf man vom Film nichts erwarten. Aber das ist absolut nebensächlich.
Der Film porträtiert seine Protagonisten auf dem Schlachtfeld als gnadenlose Tötungsmaschinen, ohne ihre Ansichten irgendwie zu verteidigen. Sicher wird das an faschistische Propaganda erinnernde „Blut und Ehre“-Gerede irgendwo auf Widerstand in der Kritik stoßen. Aber „300“ wickelt dies in die allgemein in Sparta vertretenen Grundsätze und macht daraus völlig überzogenen Heldentrash im Comicstil, der von seinem Schauwert gut leben kann.
„300“ ist filmisch ein relativ konventionell gemachtes Epos, das sich auch nicht zu schade ist, gelungene Einstellungen von Gladiator zu übernehmen, den Look von „Sin City“ aufleben zu lassen oder bis in die letzte Einstellung hinein das Blut in extremer Zeitlupe durchs Bild fliegen zu lassen. Daneben bringt das Drehbuch mystische Rituale, eine Portion Erotik, voyeuristische Blicke auf Monster und Freaks und einen hundert Prozent durchtrainierten Cast. Allein voran Gerard Butler (Das Phantom der Oper, Die Herrschaft des Feuers), der seine Monologe knapp und klar vorträgt und daneben ganz vorzüglich in die Kamera brüllt. Ihm zur Seite stehen David Wenham (Herr der Ringe - Die zwei Türme, Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs, Van Helsing) und Michael Fassbinder („Band Of Brothers“), die in Sachen Kampfkraft einiges aufzubieten haben und zur Ikonisierung der Figuren ihren Beitrag leisten.
Eine perfekt gestaltete Umsetzung der Comicvorlage von Altmeister Frank Miller bringt Zack Snyder in die Kinos und legt noch eine filmische Portion Symbolik und bildliche Sprache obendrauf: Die Pfeile verdunkeln die Sonne, die Armeen lassen die Erde erbeben, die Krieger bewegen sich gazellengleich. Schade, dass er durch seinen politischen Subplot ein bisschen das Feuer wieder raus nimmt. Trotzdem ist „300“ sehenswerter Stoff für die große Leinwand, unterhaltende und blutige zwei Stunden Unterhaltung.