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    Wie sehr liebst du mich?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Wie sehr liebst du mich?
    Von Christoph Petersen

    Altherrenphantasien und das Kino: Eine oft ergiebige, aber genauso oft auch schmerzlich gescheiterte Liaison. Führte diese Mischung zum Beispiel bei Stanley Kubricks Meisterwerk Eyes Wide Shut zu einer aufregenden, erotisch-surrealen Reise durch das nächtliche New York, endet sie häufig auch in lächerlich-platten Peinlichkeiten. Regisseur Bertrand Blier lässt sich seit jeher, obwohl er sich in seinen Filmen stets mit solchen Phantasien beschäftigt, keinem dieser beiden Extreme zuordnen. Vielmehr ist es seine Masche, solch erotische Klischees in seinen meist recht theatralisch gehaltenen Filmen für ausgiebig absurde Spielereien zu gebrauchen. Doch nun – selbst in die Jahre gekommen – scheint er sich bei der Arbeit an seiner neuen Komödie selbst zu oft in Monica Belluccis ausladenden Brüsten verloren zu haben, als dass er die Phantasien anderer Männer noch mit genug eigenem Abstand ironisch brechen könnte. So bleibt „Wie sehr liebst du mich?“ „nur“ ein frivol-unterhaltsames, interessant inszeniertes Lustspiel, das sich in seiner eigenen erotisch-moralischen Weltsicht einfach zu wohl fühlt, als dass es noch an die Bissigkeit früherer Werke Bliers anknüpfen könnte.

    Der schüchterne Büroangestellte Francois (Bernard Campan) hat schon lange kein Glück mehr mit den Frauen gehabt. Als er aber mehr als vier Millionen Euro im Lotto gewinnt, traut er sich in eine Pariser Nachtbar, wo er der atemberaubend schönen Prostituierten Daniela (Monica Bellucci) ein fast unwiderstehliches Angebot macht. Er will ihr 100.000 Euro für jeden Monat zahlen, den sie mit ihm in seiner Wohnung zusammenlebt. Schon die ersten Tage verändern Francois völlig – endlich fängt er wieder an zu lächeln und sogar sein Herzleiden scheint geheilt. Aber gerade als das neugewonnene Glück seinen Höhepunkt erreicht, wird Daniela von ihrer nächtlichen Vergangenheit eingeholt. Ihr Zuhälter Charlie (Gérard Depardieu) will seine Geliebte unbedingt wieder zurückhaben. Nur wenn Francois ihm die vier Millionen überlassen würde, wäre er bereit, Daniela wieder freizugeben…

    Wenn Francois in der ersten Szene des Films vor Danielas Bordellfenster steht und sehnsüchtig zu ihr hereinblickt, inszeniert Blier dies mit bluesigen Jazz-Klängen und blauer Neon-Beleuchtung so übertrieben nach altbekanntem Strickmuster, dass sich der Zuschauer kaum sicher sein kann, ob diese Bilder noch ernst gemeint oder schon Parodie sind. Und diese Unsicherheit hält lange an. Erst als Francois gesammelte Bürobelegschaft in einer wunderbar abstrusen Szene seine Wohnung stürmt, um endlich seine bewundernswerte neue Freundin kennen zu lernen, ist endgültig klar, worauf Blier hinaus will: Zum einen geht es ihm natürlich wieder um das entlarvende Spiel mit erotischen Klischees – woran er aber dieses Mal scheitert. Der Film schwelgt einfach zu sehr im Anblick der Brüste, als dass er diese Bilder noch dazu nutzen könnte, sich über die männliche Libido lustig zu machen.

    Zum anderen versucht er sich aber auch an einer ironischen Gesellschaftssatire – und hat damit eindeutig mehr Erfolg: Die gewohnten Erwartungen daran, wer mit wem schlafen sollte (reich + schön) und wer sich in wen verlieben sollte (schön + schön), werden hier durchgehend gekonnt auf den Kopf gestellt. Dabei muss man aber feststellen, dass Blier, auch wenn ihm seine Satire durchaus gelungen ist, nicht mehr den Biss früherer Tage mitbringt. Wurde er nach Filmen wie „Die Ausgebufften“ oder „Zu schön für Dich!“ noch als einer der französischen Provokateure schlechthin gehandelt, ist sein neues Werk nahezu versöhnlich geraten. Dass hat neben einem helleren Niveau des schwarzen Humors auch zur Folge, dass dem Film ein wenig das intellektuelle Futter fehlt – es gibt weniger zum Denken, dafür aber mehr zum Lachen.

    Bernard Campan (Claire) spielt den Losertypen Francois gewohnt souverän – aber aus der Figur eines Verlierers, der auf einmal zum Helden mutiert, lässt sich nun mal auch nicht mehr allzu viel herausholen. Ganz anders ist da schon der Auftritt von Monica Bellucci (Pakt der Wölfe, Tränen der Sonne, Brothers Grimm), die als aufreizende Venus in jeder ihrer Szenen die komplette Leinwand in Beschlag und dem (zumindest männlichen) Zuschauer den Atem nimmt. Autor Blier hat ihr diese Rolle auf den Leib geschrieben, eigentlich sogar den ganzen Film nur wegen ihr gemacht. So hat ihre Darstellung insgesamt aber auch einfach zu wenig Ecken und selbst pure Schönheit wird auf Dauer etwas eintönig. Der einzige, der so ohne Einschränkung glänzen kann, ist Gérard Depardieu (Boudu, Noch einmal Ferien, Ruby und Quentin). Seine kleine Rolle als skurriler Gangster mit Herz füllt er mit seiner schwergewichtigen Leinwandpräsenz mehr als überzeugend aus.

    Sowohl die Inszenierung als auch die Dialoge sind in „Wie sehr liebst du mich?“ sehr theatralisch angelegt. Der Höhepunkt dieses Stils ist erreicht, wenn Depardieu im Showdown mit einer klar als Spielzeug erkennbaren Pistole wild um sich schießt. Diese Herangehensweise, die Blier ähnlich auch schon bei früheren Filmen gewählt hat, führt zu einer merkwürdig surrealen Stimmung. Und auch, wenn Blier es damit das ein oder andere Mal übertreibt und so zu sehr ins Banale abgleitet, kann er die Spannung doch durchgehend halten. Man kann sich von „Wie sehr liebst du mich?“ als eine Art französisch-intellektuelles American Pie ohne Frage gut unterhalten lassen. Aber das „Mehr“, das die Qualität der früheren Blier-Filme ausgemacht hat, lässt sich hier leider nur sehr eingeschränkt bewundern.

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