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    Liebe lieber Indisch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Liebe lieber Indisch
    Von Nicole Kühn

    Wer sich diesen deutschen Verleihtitel („Liebe lieber Indisch) ausgedacht hat, gehört eindeutig noch mal in die Vorschule für Werbetexter, hat er oder sie doch das neckische und anspielungsreiche Wortspiel des Originals einem plumpen Alliterationszungenbrecher ohne jeden Tiefsinn geopfert. „Bride & Prejudice“ variiert Jane Austens Klassiker „Pride & Prejudice“ durchaus mit Hintersinn. In der wörtlichen deutschen Übersetzung wird aus Stolz und Vorurteil eine „Braut und (oder vielleicht noch besser „mit“?) Vorurteil“.

    Was ist passiert? Die in Kenia geborene und in England aufgewachsene Regisseurin Gurinder Chadha weitet die Geschichte von Jane Austen aus, verteilt die Personen und Handlungsorte auf verschiedene Kontinente und verleiht dem Stück damit ein modernes Gesicht. Der Bräute hat die Familie Bakshi gleich vier, und es ist die größte Sorge und Lebensinhalt von Mutter Bakshi (Nadira Babbar), alle standesgemäß und möglichst schön der Reihe nach unter die Haube zu bringen. Die älteste, Jaya (Namrata Shirodkar), scheint versorgt, als der wohlhabende, in den USA lebende Inder Balraj (Naveen Andrews) anlässlich einer Hochzeit in die Stadt kommt. Die Erwartungen der eifrigen Mutter werden mehr als erfüllt, denn nicht nur Balraj und Jaya finden offensichtlich gefallen aneinander. Balrajs bester Freund William Darcy (herrlich naiv: Martin Henderson) kann seine Augen nicht von Lalita (fast zu schön um wahr zu sein: Aishwarya Rai), der zweiten Tochter aus dem Hause Bakshi lassen. Allerdings reizt er mit seiner ungeschickten und naiven Art den attraktiven Intelligenzbolzen, die ihm bei der ersten Gelegenheit die Leviten liest und keinen Zweifel daran lässt, dass sein Reichtum für sie nichts als abstoßender Snobismus ist. Ihr Herz verliert sie kurz darauf an den charmanten Johnny Wickham (Daniel Gillies). Der ist zwar ein Habenichts, zeigt dafür aber großen Respekt vor ihrer Kultur und offenbart sich als demütiger Gentleman mit Herz. Mutter Bakshi hat jedoch andere Pläne für ihre Tochter und organisiert sofort den nächsten neureichen Inder, der aus den USA auf Heimaturlaub kommt. Mr. Kholi (Nitin Ganatra) lässt keinen Fettnapf aus, dafür verschafft sich Darcy unerwarteten Respekt bei Lalita. Johnny indes erobert im Sturm das Herz von Lakhi (Peeya Rai Chodhuri), der jüngsten im Bakshi-Single-Frauen-Club.

    Wer nun mit wem und warum und wann vor den Traualtar tritt oder es sein lässt, das ist eine lange Geschichte mit vielen Hindernissen. Einige davon wirken mit dem Holzhammer in die flüssige Erzählweise hinein konstruiert, um den Anspruch der Bollywood-typischen unwahrscheinlichen Verwicklungen zu erfüllen. Die Figuren verlieren dadurch stellenweise ihre Glaubwürdigkeit. Nirgendwo werden die Irrungen und Wirrungen der Herzen mit mehr Farbe, Musik und überbordenden Emotionen ausgelebt als im Bollywood-Film. Von dem hat sich „Bride & Prejudice“ eine dicke Scheibe abgeschnitten und diese garniert mit allzu bekannten Elementen des Hollywood-Kinos. Eine gelungene Liaison in ästhetischer Hinsicht, wenn z. B. den unverzichtbaren Tanz- und Gesangseinlagen des indischen Epos eine Musical-Einlage mit Gospel-Charakter zur Seite gestellt wird. In diesen Szenen wird deutlich, wie nahe sich die Kulturen bei bleibenden Unterschieden kommen können. Musik ist eben doch die internationalste aller Sprachen, die jeder versteht. So werden auch Annäherung und Distanzierung häufig in Tanzsequenzen durchgespielt, die standesgemäß wunderbar choreographiert sind. Nur langsam findet die Hauptfigur Darcy den richtigen Rhythmus, der ihn auf die gleiche Wellenlänge mit seiner Traumfrau bringt. Ausdrucksstark sind im Gang der Ereignisse die Kostüme eingesetzt, wozu die Farbenpracht der indischen Kultur reichlich Gelegenheit bietet.

    In der Figur der Lalita laufen die Stränge von „Bride & Prejudice“ zusammen, sie verkörpert den Filmtitel gerade zu. Als auserwählte Braut von William entlarvt sie mit ihrem scharfen Verstand gnadenlos seine Vorurteile. Dass sie in ihrem Bestreben, diese Vorurteile zu widerlegen, über ihr Ziel hinausschießt, merkt sie an den eigenen Vorurteilen, die sie gegenüber dem reichen Amerikaner hat. Auf vielen Umwegen kommen sich die beiden näher und stellen fest, dass die Familienplanung im „traditionellen“ Indien und im „modernen“ Westen so verschieden doch nicht ist. Wo früher bei Jane Austen Vorurteile hauptsächlich der Klassentrennung und dem damit verbundenen Stolz der einen Seite geschuldet waren, speisen sich moderne Vorurteile trotz der zum sprichwörtlichen Dorf gewordenen Welt aus Unkenntnis der jeweils anderen und trotz allen Weltwissens immer noch fremden Kulturen.

    Mit dem Paarungsverhalten greift „Bride & Prejudice“ ein Thema auf, das vordergründig viele komische und natürlich romantische Situationen bereithält, gleichzeitig aber auch eines der sensibelsten in der Multi-Kulti-Diskussion ist. Co-Autorin und Regisseurin Chadha legt ihren Figuren durchaus hintergründige Dialoge in den Mund und führt auf fast aberwitzige Art vor, wie selbst gebastelte Vorurteile zu zwischenmenschlichen Hürden werden. Dieser ernste Hintergrund schimmert leider nur sehr schüchtern und zurückhaltend durch die bunte, laute und recht klischeebeladene Liebesgeschichte hindurch. Bedauerlicher Weise liegt über der gesamten Story ein klebriger Streifen von Hollywood-Kitsch. Überdramatisierte Gefühlsausbrüche nach Bollywood-Art könnte man verzeihen, ja sogar genießen, denn sie gehören zu Bollywood wie die knallbunten Farben und die Filmlänge nicht unter zweieinhalb Stunden.

    Die Dramatik bleibt hier jedoch bedeutungsschwanger in der amerikanischen Coolness hängen und man wird das Gefühl nicht los, dass Marketing-Strategen davon abgeraten haben, richtig in die Vollen zu gehen. Es könnte ja sein, dass man Sehgewohnheiten bricht und damit einen Teil des Publikums verbrämt. Dies scheint man auch Kameramann Sivan eingeprägt zu haben, der durchweg schön fotografiert, aber bis auf wenige gelungene Ausnahmen selten die Bilder sprechen lässt. Gerade bei den Tanzeinlagen und den vielen Hochzeitsfestivitäten sind bis auf das ganz Offensichtliche viele Möglichkeiten ungenutzt geblieben. Dass sie die Gratwanderung zwischen heiter aufgearbeitetem Problemfilm mit Migrationsthematik und Unterhaltung für ein Massenpublikum sehr viel besser kann, hat Chadha in dem wunderbaren „Kick It Like Beckham“ mit Leichtigkeit gezeigt. Hoffen wir, dass sie wieder zu dieser Form zurückfindet und bald wieder Intensiveres bietet als bunte Unterhaltung mit allzu einfachen Weltverbesserungsbotschaften.

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