Luc Besson gilt als der französische Regisseur - er hat sich auch in Hollywood einen Namen gemacht. Mit dem genialen Leon der Profi, dem herrlich schrägen Fünften Element und der unterhaltsamen Transporter-Reihe (wenngleich "nur" als Produzent) ist das auch gerechtfertigt - doch bei allen Lobeshymnen für Nikita, bei diesem Film kann ich das nicht verstehen.
So ganz kann man die Original-Kritik der Franzosen, dass Luc Besson bei dem Film nicht so recht wußte, wohin er damit gehen wollte, nicht von der Hand weisen. Für ein Action-Drama fehlt in der Tat die Glaubwürdigkeit (und in diesem Genre ist ein gewisses Maß definitiv notwendig - und nein, Peter Pan ist kein Action-Drama), für alle anderen Genres ist der Film dann doch zu ernst bzw. will ernst sein.
Insbesondere an der Hauptfigur (weniger an der Schauspielerin, die ansich gut spielt) lässt sich viel kritisieren. Zuerst ist der Wandel von der komplett verrückten Irren zu einer normal lebenden rationalen Auftragskillerin einfach nicht nachvollziehbar. Von einem Moment zum nächsten fügt sie sich ihrem Schicksal als Marionette der Regierung, davor hat sie zu 100% jede Autorität abgelehnt. Der Wandel zur ängstlichen und unterwürfigen Frau kann man angesichts der Probleme, die das Doppelleben mit ihrer großen Liebe auftreten, vielleicht erklären - aber das wird im Film sehr schlecht vermittelt und man muss sich das aus den Fingern saugen, damit der Film halbwegs sinnvoll bleibt.
Wenn man penibel ist, dann ist die ganze Geschichte einer Polizistenmörderin als Spionin für die Regierung ziemlich abwegig. Dieser Punkt ansich ist für mich kein allzu großes Problem, aber sehr wohl die Konsequenz daraus: Ich kann zu der Hauptfigur keine Beziehung herstellen und für sie Sympathie empfinden. Im Gegenteil, ich kann ihr Verhalten nicht akzeptieren und verzeihen, ich gönne ihr ein glückliches Leben nicht, noch nicht mal ein zweite Chance.
Wenn Luc Besson schreibt, er würde die Jugendlichen durch seine Filme erreichen und wäre dadurch erfolgreich, so muss man ihn schon fragen, ob drogenabhängige verrückte Mörder der Normalzustand der französischen Jugend ist und sich die Teenager am Hauptcharakter erkennen. Nur, weil ein bißchen Liebe fehlt - jaja, sobald die Kids ein wenig Liebe erfahren, sind sie sofort brav und würden sich problemlos in die Gesellschaft einfügen und alles wäre gut - darf man so die Aussage des Films verstehen? Sorry, es gibt keine, aber auch gar keine Entschuldigung für einen Mord und das Verhalten von Nikita.
Nun schließt sich der Kreis, was denn Luc Besson mit diesem Film sagen will. Als reiner Actionreißer gefallen sicher die stilistischen Bilder und retten den Film vor dem kompletten Absturz. Insgesamt fehlt aber dafür doch die Action. Man sieht eindeutig, dass Besson ein Drama miteinfügen wollte, also Anspruch. Damit schießt er sich aber selbst ins Knie, denn mit Anspruch ist nicht nur der Inhalt gemeint (der wie erläutert von der Aussage her sehr fragwürdig ist, ich beziehe mich im übrigen auf das Interview mit Besson im Booklet der Steelbook-DVD), sondern auch die Geschichte selbst. Und die hält aufgrund der vielen Unglaubwürdigkeiten den Erwartungen an so ein Genre nicht stand. Nebenbei, ich bin eigentlich für anspruchsvolle Filme zu haben und freue mich, wenn auch actionorientierte Filme nicht komplett sinnfrei sind.
Wie man einen intelligenten, stilistisch überragenden Actionfilm (ohne größeren Anspruch) macht, hat Luc Besson mit Leon ja eindrucksvoll gezeigt. Leon hat sicher auch seine unglaubwürdigen Szenen, aber dort kollidieren sie nicht mit einem Möchtegern-Anspruch; außerdem ist der Film herrlich überzeichnet und bewußt auf die schrägen Charaktere getrimmt. Hätte sich Nikita auch an diese Stilrichtung gehalten, wäre mit Sicherheit ein (sehr) guter Film daraus geworden. Denn inszenieren kann Besson, das ist auch in Nikita zu sehen.