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    Miss Potter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Miss Potter
    Von Daniela Leistikow

    Zunächst sagt einem ihr Name vielleicht gar nichts: Beatrix Potter. Ein ganz gewöhnlicher Name, bei dem sich noch am ehesten die Frage stellt: Könnte das eine neue Figur im nächsten „Harry Potter“-Roman sein? Eher nicht, aber die grobe Richtung stimmt: Beatrix Potter war Autorin und Illustratorin zeitloser Kinderbücher wie zum Beispiel „Die Geschichte von Peter Hase“. Regisseur Chris Noonan erzählt in dem Biopic „Miss Potter“, seinem ersten Film seit „Ein Schweinchen namens Babe“, die Lebensgeschichte der Kinderbuchautorin, deren Bücher bis heute weltweite Bestseller sind.

    London, Anfang des 20. Jahrhunderts: Seit ihrer Kindheit ist Beatrix Potter (Renée Zellweger, „Bridget Jones“, Chicago) eine passionierte Malerin und Geschichtenerzählerin. Im Laufe der Jahre werden ihre Figuren für sie zu den Freunden, die sie niemals hatte. Einsam ist das Leben im Haus ihrer Eltern Rupert (Bill Paterson, „Heiraten für Fortgeschrittene“) und Helen Potter (Barbara Flynn, „You Are Dead“), bei denen Beatrix noch mit Mitte 30 lebt, da sie kein Interesse daran hat, zu heiraten. Doch das soll sich bald ändern: Als Miss Potter „Die Geschichte von Peter Hase“ bei einem lokalen Verlag vorstellt, erfüllt sich nicht nur der Traum, ihr Werk zu veröffentlichen. In ihrem Verleger Norman Warne (Ewan McGregor, Moulin Rouge, „Star Wars“) findet sie die Liebe, von der sie nie zu träumen gewagt hatte. Beatrix vornehme Familie jedoch ist von dieser Romanze alles andere als begeistert...

    Nach den ersten Minuten von „Miss Potter“ ergeben sich überraschende Assoziationen. So wie Renée Zellweger mit zerzaustem Haar in ihren Notizblock kritzelt, könnte man fast denke, man schaut sich „Bridget Jones 3 - Verschmähte Vorfahren“ an. Dieser Eindruck verflüchtigt sich glücklicherweise schnell. Wie bereits Marc Forster (Schräger als Fiktion, Stay) in dem märchenhaft-literarischem Biopic Wenn Träume fliegen lernen, schafft auch Noonan den Spagat zwischen Kinderfilm und Biographie. Überrascht stellt man fest, dass man Miss Potters’ Zeichnungen sehr wohl kennt, auch wenn man ihren Namen zuvor nie gehört hat. Besonders positiv: Die niedlich-charmanten Animationen, die Peter Hase und Co. zum Leben erwecken, sind perfekt dosiert. Mehr hätten „Miss Potter“ zu sehr in die Kinderfilm-Ecke gedrängt. Weniger würden dem Zuschauer einen wichtigen Teil von Beatrix Potters’ Persönlichkeit vorenthalten - und das charmante Zwinkern von Hase und Gans würde allzu schnell in Vergessenheit geraten.

    Ebenso bezaubernd wie die animierten Darsteller sind jene aus Fleisch und Blut: Wie McGregor sein Gesicht in Lachfalten der Verzückung legt, wenn er Miss Potters neueste Kreation erblickt, zeigt eine ganz neue Seite an ihm. Fast väterlich möchte man ihn nennen, ohne sagen zu wollen, er sei in die Jahre gekommen. Der Anfang einer neuen, fast schon Sean Connery (Indiana Jones und der letzte Kreuzzug) gleichen Qualität McGregors? Vielleicht ist es auch etwas Schottisches, mit dem McGregor Zellwegers Miss Potter aus ihrem Schneckenhaus lockt. Renée Zellwegers Performance als Miss Potter hat ihr nicht ohne Grund die sechste Golden-Globe-Nominierung eingebracht. Die Frische und Lebendig, die sie ausstrahlt, geben ihrer Figur etwas Echtes, Erdverbundenes, das selbst im regnerisch-grauen London nicht verwischt.

    Manchmal, wenn man für einen Moment aus der zuckersüßen Leichtigkeit von „Miss Potter“ auftaucht, wird man sich bewusst, dass der Film etwas zu vorhersehbar ist. Gleichzeitig bemerkt man aber auch, dass man fast den ganzen Film lang ein Lächeln auf den Lippen hatte. Ein bisschen Melodram, ein bisschen Märchen, was will man mehr an einem kalten Wintertag? Wer das Ticket für „Miss Potter“ kauft und ein realistisches Portrait literarischen Schaffens Anfang des 20. Jahrhunderts erwartet, ist selber Schuld, wenn er enttäuscht wird. Zwar beruht „Miss Potter“ zu einem großen Teil auf historischen Tatsachen, aber von einem Historienfilm kann man hier keineswegs sprechen. Dafür ist Miss Potters Welt zu heil. Die Musik in den dramatischen Szenen ist perfekt portioniert: Klos-im-Hals-Stimmung und das Wasser steht einem bis zum Wimpernkranz. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, das man geradezu zum Tränenfluss genötigt wird. Fazit: Eine Mischung aus Jane-Austen-Romanverfilmung, historisch adäquater Biographie und unterhaltsamem Kinderfilm macht Miss Potter zu einem Biopic für die ganze Familie: Geschmackvoll, charmant und auf unaufdringliche Weise bezaubernd.

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