Weihnachten ist die Zeit der großen Gefühle. Das schlägt sich jedes Jahr auch in den Filmen nieder, die um die Festtage herum anlaufen. Mit der Verfilmung des weltberühmten Musicals „Das Phantom der Oper“ von Andrew Lloyd Webber erhofft sich Regisseur Joel Schumacher nun, den richtigen Ton beim weihnachtlich-sentimentalen Publikum zu treffen.
Die Geschichte ist wahrscheinlich den meisten schon bekannt. Den Rahmen setzt eine komplett in schwarz-weiß gehaltene Auktion in der Opera Populaire in Paris 1917. Die Versteigerung des zerbrochenen Kronleuchters bringt endlich Farbe ins Spiel und nimmt den Zuschauer mit auf die Reise ins Jahr 1870, als das Opernpalais in seiner Blüte stand. Die neuen Besitzer der Oper Populaire, Andre (Simon Callow) und Firmin (Ciaran Hinds), stellen sich und ihren jungen Förderer Raoul (Patrick Wilson) dem Ensemble vor. Das Chormädchen Christine (Emmy Rossum) erkennt in Raoul ihre Jugendliebe wieder, die sie nach dem Tod ihrer Eltern nicht gesehen hat. Doch die Proben stehen unter keinem guten Stern, denn das mysteriöse Phantom (Gerard Butler) betrachtet die Opera Populaire als sein Theater und stellt unter Androhung von „Unfällen“ ungeheuerliche Forderungen, wie die Stücke in Zukunft aufgeführt werden sollen.
Als die schrille Diva La Carlotta (Minnie Driver) nach einem vom Phantom verursachten Zwischenfall nicht auftreten will, schlägt Ballettleiterin Madame Giry (Miranda Richardson) Christine für die Hauptrolle vor. Die kann dann beim großen Auftritt nicht nur den ehrenwerten Raoul um den Finger wickeln, sondern auch das Phantom für sich einnehmen. Damit ist der Ärger vorprogrammiert, denn das Phantom, welches Christine als unsichtbarer Lehrmeister betreut, ist extrem eifersüchtig. So wird im weiteren Verlauf der Geschichte entführt, enthüllt, gefochten, geschmachtet, geschworen und immer wieder gesungen, bis das Liebesdreieck gelöst und der teure Kronleuchter zerbrochen ist.
Der klassische Stoff vom Phantom der Oper stammt ursprünglich aus der Feder von Gaston Leroux. Englands Superkomponist Webber machte daraus ein Musical, welches in Hamburg über ein Jahrzehnt erfolgreich aufgeführt und erst 2002 eingestellt wurde. Der Stoff drängte sich für eine Neuverfilmung geradezu auf. Nach dem Erfolg von „Moulin Rouge“ versucht Joel Schumacher („Die Jury“, „Nicht auflegen“) mit einer Kopie dieses Looks, dem Phantom ein neues Gesicht zu geben.
Tatsächlich kann der Film von den detailbetonten, bunten Kostümen und den farbenfrohen Kulissen profitieren, auch wenn Ähnlichkeiten zu „Moulin Rouge“ auffallen. Von Baz Luhrmanns einzigartigem Kamerastil wurde aber Abstand genommen, auch weil Schumacher spätestens seit „Nicht auflegen“ als Fan der bescheideneren Optik gilt. Die Kameraführung ist betont ruhig und effektlos, statt dessen wird eher auf den Blickwechsel durch Schnittfolgen und die Darstellungskunst des Ensembles gesetzt, welches auf bewährte Bühnenschauspielerei aufbaut. Kann man bei einem Musical durchaus mal probieren.
Die wohl interessanteste Besetzung vollzieht sich in der Person des Phantoms, welches von dem bis dato weniger bekannten Gerard Butler gespielt wird. Butlers nennenswerter Auftritt fand als muskelbepackter Einzelkämpfer an der Seite von Angelina Jolie im Actionspektakel „Lara Croft 2: Die Wiege des Lebens“ statt, eine Rolle, die nicht gerade eine Empfehlung für einen gesangs- und konfliktbetonten Charakter ist. Genauso wenig wie sein Mitwirken in dem Megaflopp „Timeline“. Trotzdem macht er nicht nur als mysteriöser Bösewicht einen guten Eindruck, sondern singt auch noch selbst – ebenso Emmy Rossum als sein engelsgesichtiger Gegenpart Christine. Die 18-Jährige („The Day After Tomorrow“) schafft es, die geradezu hypnotische Wirkung des Phantoms auf Christine glaubwürdig darzustellen und hebt vor allem die Naivität des vertrauensseligen Chormädchens hervor. Die Besetzung der zweiten männlichen Hauptrolle, Patrick Wilson, kann bereits auf Broadwayerfahrung zurückgreifen und agiert daher routiniert und unauffällig. Kurioserweise hat gerade Minnie Driver, die sich als einzigs Ensemblemitglied die Stimme einer professionellen Opernsängerin lieh, eine hoch gelobte Country-CD mit dem Titel „Everything I’ve got in my pocket“ veröffentlicht.
Insgesamt bleibt „Das Phantom der Oper“ der Bühnenversion von Webber einigermaßen treu. Das Ergebnis ist vom cineastischen Standpunkt aus sicher kein umwerfendes Meisterwerk, weil die Möglichkeiten der filmischen Darstellung nicht vollständig ausgenutzt werden. Aber der Schwerpunkt des „Phantoms der Oper“ liegt in seiner Geschichte – und die ist nicht zuletzt durch die Besetzung anrührend dargestellt. Der richtige Film für alle, die um die Festtage herum im Kino mal so richtig schmachten und sich von opulenten Bildern einhüllen lassen wollen. Link-Tipp: CD-Kritik „Soundtrack - Das Phantom Der Oper"