Die Tesla-Spule ist ein Luftspalttransformator mit in Resonanz aufeinander abgestimmten Spulen zur Erzeugung hochfrequenter Hochspannung und hat gegenüber traditionellen Spulen den Vorteil, relativ leicht Spannungen von mehreren Millionen Volt zu erzeugen. Warum? „Die viel effektivere Spannungsumsetzung der Teslaspule beruht auf dem Prinzip der Resonanz. Bei Sende-Antennen wird die Antenne immer optimal auf die zu sendende Frequenz abgestimmt, um möglichst viel der Senderenergie in den Äther zu befördern. Bei Empfangsantennen wird auch immer auf die optimale Abstimmung geachtet, um einen möglichst hohen Empfangspegel zu erhalten. Durch dieses Prinzip erreicht die Tesla-Spule eine höhere Effizienz und höhere Spannungspegel bei der Umspannung.” Erfunden wurde sie von dem in Kroatien geborenen Wissenschaftler Nikola Tesla (1856-1943). „Ich bin der Welt abhanden gekommen, Mit der ich sonst viele Zeit verdorben, Sie hat so lange nichts von mir vernommen, Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!” [1]
Interessant, nicht? Im falschen Film? Nein, bin ich nicht. Bin mitten im richtigen Film. Denn genau das, was da oben steht, oder so etwas in der Art geht Jack (Jack White) durch den Kopf, der in einem Café sitzt, vor sich eine selbst gebaute Tesla-Maschine, neben sich Meg (Meg White). Das Paar schweigt. Kein Gesprächsstoff vorhanden? Er möchte gern über seine Maschine reden, traut sich aber nicht, sie möchte eigentlich über etwas ganz anderes reden, weiß aber, dass er zu sehr in Gedanken bei der Maschine ist. Der Raum ist dunkel. Auf dem Tisch, der ein Schachbrettmuster hat, stehen weiße Kaffeetassen und es wird geraucht. Sie schaut ihn an, er schaut leicht beschämt weg. Und wer fängt wohl dann doch ein Gespräch an? Meg, wer sonst. Und über was redet sie? Über die Tesla-Maschine. Er springt natürlich drauf an und setzt das Ding in Gang. Es blitzt. Eine zündende Idee von Meg. Meg hat Resonanz erzeugt, allerdings eine, die mit „sich Gehör verschaffen” nur bedingt etwas zu tun hat. Denn Jack ist voll konzentriert auf seine Tesla. Und die hat plötzlich eine Fehlfunktion. Nichts blitzt mehr. Aus. Vorbei. Er überlegt, woran das liegen könnte. Und dann stellt sich heraus, dass Meg und der Küchenjunge, der Geräusche gehört hat und herbeieilt, mehr über Tesla wissen, als Jack je geahnt hätte.
„Jack Shows Meg His Tesla Coil“ ist eine von elf Szenen des neuesten Films von Jim Jarmusch. Und man ahnt schon, um was es in allen elf Szenen ungefähr geht. Um Kommunikation? Ja, sicher. Um Paarbeziehungen und Freundschaften? Auch, ja klar. Aber vor allem geht es um das, was Menschen denken und was sie sagen – bzw. um den Unterschied zwischen beidem. Es geht um Konkurrenz, Neid, Sprachlosigkeit, Intrige, Lüge und all die anderen mehr oder weniger kleinen Dinge des Lebens, die Jarmusch in minimalistisch ausgestatteten Räumen zur Sprache bringt. Es wird geraucht, es wird Kaffee getrunken, und die Ausstattung wird beherrscht von Schachbrettmustern auf Tischen. Und wie Schachfiguren in einem Spiel mit Geheimnissen, mit Verborgenem, mit Nicht-Ausgesprochenem, taktisch und spekulativ, verhalten sich die Pärchen, zu denen sich ab und an noch eine dritte Person gesellt. „Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, Ob sie mich für gestorben hält, Ich kann auch gar nichts sagen dagegen, Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.” [1]
Der Raum, in dem sich diese Szenen abspielen, ist extrem begrenzt, zumeist ein Café oder etwas, was so aussieht. Minimalistisch inszeniert Jarmusch auch die Situationen: Er lässt zwei Personen im wahrsten Sinn des Wortes kollidieren. Für einen Moment sitzen sie zusammen und sind auf die eine oder andere Art aufeinander angewiesen. Doch die Atmosphäre hat nichts von Klaustrophobie. Im Gegenteil: Es wird spekuliert, abgetastet, kalkuliert, vor allem mit dem eigenen Ego in bezug auf den anderen gegenüber. Sich nur keine Blöße geben!
Zu den schönsten Szenen gehört u.a. „Somewhere in California” mit Tom Waits und Iggy Pop. Sie mustern sich, sie betrügen sich selbst. Er habe aufgehört zu rauchen, meint Iggy Pop, daher sei es kein Problem, eine anzuzünden. Man schlürft den Kaffee in sich hinein. Jeder denkt: „Ich bin doch besser als der da” und veranstaltet Small Talk. Auch in „Cousins?” mit Steve Coogan und Alfred Molina geht es genau um diese Frage: die eigene Eitelkeit und den eigenen Egozentrismus gegenüber dem anderen zu verbergen, indem man a nice conservation betreibt. Alfred hat angeblich herausgefunden, dass beide Cousins seien. Steve ist das gar nicht recht. Was will der da drüben von ihm? Sein Cousin sein, dieser Versager? Die Telefonnummer will Alfred, um vielleicht einmal ein gemeinsames Projekt zu starten. Und Steve erfindet die Ausrede, er gebe seine private Nummer von zu Hause nicht einmal seinem Produzenten. Als Alfred dann auf dem Handy von einem weltbekannten Regisseur (Spike Jonze) angerufen wird, merkt Steve, dass er einen Fehler gemacht hat. Zu spät. Alfred will seine Nummer nicht mehr.
Jarmusch stellt seine Personen in einen teils ernsten, meist aber heiteren Kontext über menschliche Schwächen und Eitelkeiten. In „No Problem” z.B. sehen sich zwei Freunde nach langer Zeit wieder. Der eine glaubt fest daran, dass der andere ihn nur aus einem einzigen Grund angerufen haben kann: er muss ein Problem haben. Doch das hat er nicht. Isaach (Isaach de Bankolé) insistiert: Alex (Alex Descas) MUSS ein Problem haben. In „Champagne” sitzen sich zwei alte Männer, Bill (William Rice) und Taylor (Taylor Mead) in einem manchmal an ein Gefängnis erinnernden Raum gegenüber. Der eine scheint Realist, der andere Phantast. Der eine scheint fertig mit der Welt, der andere stellt sich vor, in ihren Bechern sei kein schlechter Kaffee, sondern Champagner. Auch hier holt Jarmusch aus den beiden Schauspielern raus, was nur geht. „Ich bin gestorben dem Weltgetümmel. Und ruh' in einem stillen Gebiet! Ich leb' allein in meinem Himmel, In meinem Lieben, in meinem Lied!” [1]
Tatsächlich scheint allen, die hier auftreten, für einen Moment die Welt abhanden gekommen zu sein, wie es in dem Mahler-Rückert-Lied heißt. Sie scheinen für Minuten aus dem geworfen, was ihren Alltag ansonsten beherrscht, und doch kehrt in den Gesprächen respektive Verhaltensweisen der Beteiligten genau dieser Alltag bzw. die Mentalität der Personen wieder – nur in einer Art Konzentrat. Ob Cate Blanchett als erfolgreiche Schauspielerin ihrer überhaupt nicht erfolgreichen Cousine gegenüber tritt, Bill Murray als Kellner von den beiden DJs RZA und GZA Ratschläge zur Reinigung der Lunge entgegennimmt, Roberto Benigni für Steven Wright zum Zahnarzt geht oder Steve Buscemi einem streitenden Paar eine Verschwörungstheorie über Elvis Presley darbietet – stets bleibt das „Weltengetümmel” außen vor – und bricht über die Hintertür doch wieder so gnadenlos tragisch und komisch zugleich hinein. Die elf Szenen entstanden zwischen 1986 und 2003. „Strange To Meet You” war eine Auftragsarbeit, die Jarmusch 1986 für „Saturday Night Life” drehte. 1992 folgte „Somewhere in California” mit Tom Waits und Iggy Pop, der Rest wurde größtenteils 2003 in kürzester Zeit gedreht. (Zuerst erschienen bei CIAO)
[1] „Ich bin der Welt abhanden gekommen”, Text: Friedrich Rückert; Musik: Gustav Mahler; im Film gesungen von Janet Baker.