Viele Fans des dunklen Ritters sehen in „Batman“ den besten Spielfilm über ihren finsteren Helden. An diesen Status hat der herausragende Franchise-Neubeginn Batman Begins erstaunlicherweise nicht so sehr rütteln können, wie es von den Machern wohl gewünscht und beabsichtigt gewesen ist. „Batman Begins“ mag formal der bessere von beiden sein, „Batman“ ist der beliebtere.
In Gotham City macht das Gerücht über eine lebensgroße, Menschen terrorisierende Fledermaus die Runde. Das beeindruckt Jack Napier (Jack Nicholson), rechte Hand des örtlichen Syndikatbosses Grissom (Jack Palance), wenig. Als er mit ein paar seiner Leute in eine Chemiefabrik einbricht, trifft er auf die übergroße Fledermaus: Batman (Michael Keaton). Im Kampf mit ihm stürzt Napier in einen Bottich mit Chemikalien. Doch er stirbt nicht, sondern kehrt entstellt zurück. Nun nennt er sich Joker und beabsichtigt einen Giftgasangriff auf Gotham City, aus Rache an Batman, den er für seinen Sturz verantwortlich macht und weil eben dieser Batman die Schlagzeilen beherrscht und nicht er, der von da an selbst ernannte Clown des Verbrechens.
Ohne Frage, „Batman“ ist der beliebteste Film über den titelgebenden Helden. Trotzdem, den direkten Vergleich mit „Batman Begins“ verliert er. Regievisionär Tim Burton (Charlie und die Schokoladenfabrik) mag der bessere und eher geeignete Mann für eine opulente Comicverfilmung als Regietalent Christopher Nolan (Memento) sein. Doch „Batman“ weist zu viele Schwächen auf, um
a) „Batman Begins“ in die Schranken zu verweisen und
b) als zeitloser Klassiker des Genres in die Geschichte einzugehen.
Die Story ist dünn, sehr dünn. Gerade das Finale hätte überzeugender gestaltet werden können. Wenn der Joker Batman in seinem Bat-Düsenjäger mit einer Pistole vom Himmel holt, ist das zwar witzig und auch prächtig anzusehen, einer schlüssigen Story aber nicht zwingend dienlich. Zugegeben, die Pistole ist etwas länger als übliche Waffen jener Kategorie. Überhaupt, die waffentechnische und infrastrukturelle Überlegenheit (dessen Herkunft im Film im Dunkeln bleibt) von Batman ist eindrucksvoll und es verwundert, dass der Held so lange braucht, bis er seinen Gegner endlich aus dem Verkehr gezogen hat. Wenn schon verglichen wird, die Geschichte von „Batman Begins“ schmückt sich zwar auch nicht gerade mit Komplexität und Innovation, bietet aber wenigstens ein erfolgreiches Bemühen um Tiefgang und das Bestreben, eine fesselnde Geschichte abseits der Effekte zu erzählen. Darauf verzichtet „Batman“ weitgehend, obwohl Potenzial vorhanden gewesen wäre. Burtons Interpretation des Comichelden soll nur Spaß machen, doch es gibt einige Punkte, die diesen Spaß ein wenig beeinträchtigen.
Da ist zum Beispiel die nicht zwingend fehlbesetzte, aber letztendlich doch ziemlich nervige Kim Basinger. In Sachen Kreischvolumen lässt sie den vielmals zu Recht kritisierten Scream-Queen-Part von Kirsten Dunst in Spider-Man hinter sich (amtlich geprüft und in Dezibel gemessen nach Kreischgesetzbuch, § 16, Abs. II Scream-Queen). Auch sonst fällt es ihr schwer, mangels Charakterisierung, die Sympathien des Zuschauers auf ihre Figur der Journalistin Vicki Vale zu lenken. Eher beginnt sich der Betrachter zu fragen, warum ausgerechnet Bruce Wayne alias Batman mit einer profillosen Blondine ihrer Sorte unbedingt anbandeln muss. In der von Michael Keaton dargestellten Person des Bruce Wayne bzw. Batman finden sich indes große Plus- und leider auch erhebliche Minuspunkte. Er legt seine Figur sehr interessant an und deutet eine leichte Schizophrenie beim Helden an. Als gebrochene, vom Tode seiner Eltern gequälte Person zeigt sich Keaton in seinem Element, während es bei der Darstellung hinter den beiden Masken aber hapert. Die eine Maske: Bruce Waynes Playboy-Dasein. Der Betrachter nimmt diese Facette dem sympathischen, unscheinbar wirkenden Michael Keaton nicht ab, genauso wie es schwer fällt, Keaton im Fledermauskostüm hinter der anderen Maske wirklich zu fürchten. Doch das liegt mit an der unglaublichen Präsenz eines Mannes, der finanziell mit „Batman“ ganz besonders gut abgesahnt hat: Jack Nicholson.
Wie Jack Nicholson den Charakter des Jokers anlegt, das ist einmalig und dürfte keiner toppen können. Er IST der Joker. Nicholson mag dem Comic-Vorbild körperlich nicht unbedingt ähnlich sein – aber wenn das Publikum ihn zu ersten Mal sieht, ist jeder Zweifel verflogen und der Zuschauer sieht einen der schillerndsten Filmbösewichte aller Zeiten vor sich! Nicholson stellt ALLES in den Schatten – so ist nicht etwa Batman, sondern der Joker das Zentrum und die Faszination des Films. Nicholsons Name erscheint im Vorspann zuerst – und nach der Premiere von „Batman“ war vor allem sein Name in aller Munde. Der einzige Nachteil seiner Performance: Sie ist so gut, dass er den eigentlich gar nicht schlechten Michael Keaton gnadenlos an die Wand spielt. Dessen Interpretation des innerlich zerrissenen ist zwar ansprechend, aber entwickelt kaum die Präsenz, die gerade ein dem Gegner Respekt einflößender Flattermann vorweisen sollte.
Die Spannung hält sich in Grenzen und die Story nutzt ihre Ansätze zur Vertiefung und Profilierung des Helden und seiner Vergangenheit nicht. Ob dies nun Tim Burton anzukreiden ist, sei mal dahingestellt. Immerhin betrachtet er „Batman“ nicht als seinen Film und wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass ihm viel ins Handwerk gepfuscht wurde. Die von Produzenten ausgehende Zensur ist auch bemerkbar, trotz einiger Skurrilitäten und einer schönen, dichten und finsteren Atmosphäre. Denn im Großen und Ganzen, bis auf einige kleinere Szenen (z. B. „feuriges Handschütteln“ mit dem Joker) bleibt der Film für Burton’sche Verhältnisse erstaunlich harmlos. Die Actionszenen können sich sehen lassen, dessen humorvolle Untertöne leicht über das etwas klobig wirkende Kostüm Batmans - und seine Beweglichkeit deutlich beeinträchtigend - hinwegsehen lassen. Nichtsdestotrotz darf „Batman“ als wirklich guter Film gelten.
Oberflächlich betrachtet gehört „Batman“ nämlich immer noch zu den beeindruckendsten und visionärsten Comicverfilmungen überhaupt. Denn den Filmgenuss gänzlich vermiesen, das können die vorgenannten Schwächen beileibe nicht. Die Ausstatter Peter Young und Anton Furst stampften mit Gotham City eine grandiose, fiktive Filmstadt aus dem Boden, die in jeder Szene real, urban und ein bisschen gotisch wirkt. Zu Recht gab es dafür den Oscar. Manche Kulissen mögen für das verwöhnte, von modernen Computereffekten verwöhnte Auge etwas angestaubt ausschauen, doch insgesamt kann „Batman Begins“ da gegen „Batman“ nicht allzu viel ausrichten.
Die bereits angesprochene dichte Atmosphäre ist ein weiterer großer Pluspunkt der Verfilmung. Sie entsteht durch das eindrucksvolle Setting, die opulente Bilder erzeugende Kameraführung von Roger Pratt (Troja, „12 Monkeys“) und den epischen Soundtrack von Burtons Stammkomponist Danny Elfman (Big Fish, Hulk). Für „Batman“ hat er scheinbar so nebenbei eine der besten Filmkompositionen aller Zeiten aus dem Ärmel geschüttelt. Wenn der Batman-Theme zu Beginn erklingt, wird es dem einen oder anderen Betrachter kalt über den Rücken laufen. Die Melodie setzt sich im Zuschauer sogleich fest und lässt ihn auch nach dem Abspann so leicht nicht mehr los. Hinzu kommen kultverdächtige, musikalische Ohrwürmer von Prince, die mit zur tadellos glänzenden Oberfläche der Comicverfilmung beitragen. Bei näherer Betrachtung mögen sich dem Zuschauer einige Schwächen offenbaren, trotzdem gehört „Batman“ zu den sehenswertesten und besten Comicverfilmungen bis dato … und sei es nur wegen der imponierenden Optik und dem genialen Score … und Jack.