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    Troja
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Troja
    Von Stefan Ludwig

    Wolfgang Petersen ist wahrhaft ein Mann der Dramatik. Mit der Erzählung des Kampfes um Troja nahm sich der gebürtige Emdener einer der wohl dramatischsten und epischsten Geschichten überhaupt an. Inspiriert von Homers „Ilias“, so heißt es im Abspann – und mehr kann man es auch nicht nennen. Keine Götter, ein Krieg, der zehn Jahre gedauert haben soll auf einen guten Monat gekürzt und deutliche Unterschiede im Handlungsverlauf machen eins klar: Um eine Adaption von Homers großem Werk handelt es sich bei „Troja“ nicht. Dennoch gelingt Petersen ein Stück Kino, dass sich lohnt: Dank herrlichen Kulissen, einem netten Schauspielensemble und nicht zuletzt der gelungenen Darstellung von einem der größten Krieger aller Zeiten - wenn man den Geschichten Glauben schenkt.

    Achilles (Brad Pitt) ist ein Mann, dem nur eines wirklich wichtig ist: seinem eigenen Namen Unsterblichkeit verschaffen. Der stärkste Held der Griechen, die Troja wegen dem Raub der Helena (Diane Kruger) – und der Unersättlichkeit ihres Königs Agamemnon (Brian Cox) – belagern, kämpft nicht für sein Vaterland, sondern für den Ruhm und die Ehre. Er will die Zeit überdauern, etwas für die Ewigkeit schaffen. Mehr als tausend Schiffe haben die Griechen randvoll mit Kriegern bestückt und ziehen damit gegen die feindliche Macht, die ihnen die ihrige streitig macht. Doch es ist nicht das Duell der Armeen, sondern das der Helden. Auf der Seite der Trojaner steht Achilles der mächtige Hektor (Eric Bana) gegenüber. Auf diese beiden Helden haben die zwei Völker gesetzt. Wer stärker ist, lässt sich nur im Kampf Mann gegen Mann herausfinden.

    Zwei Deutsche waren an „Troja" beteiligt, neben Regisseur Petersen, der einst mit "Das Boot" eine der Perlen des deutschen Kinos schuf, und Diane Kruger. Petersen braucht sich über Erfolg bisher nicht zu beklagen. Seine letzten Filme passierten in Deutschland stets die Millionen-Marke. Mit "Das Boot" ist er stolzer Macher des erfolgreichsten deutschen Filmes in den USA und wurde damals für sechs Oscars nominiert. Zuletzt widmete er sich einer packenden Schwertfischjagd in "Der Sturm". Das Ex-Modell Diane Kruger spielt Helena, die Frau wegen der alles angefangen hat und ist wirklich eine Augenweide. Die gebürtige Hildesheimerin hieß früher Diane Heidkrüger - aber das buchstabieren ihres Namens im Ausland ist ihr inzwischen zu lästig geworden.

    Das enorme Budget von knapp 200 Millionen Dollar ermöglichte es Petersen, ebenso gigantische Schlachten zu inszenieren wie es Peter Jackson in seiner allseits beliebten "Herr der Ringe"-Trilogie so wunderbar gelang. Die Kostüme und Kulissen sind ausgesprochen aufwendig und technisch gesehen gibt es kaum etwas zu bemängeln. Wer hier scheltet, beruft sich auf Lappalien und mag ständig in den Hintergrund gestarrt haben, um Computeranimationen zu erhaschen. Die Diskussion über die Umsetzung des Stoffes gestaltet sich nicht leicht. Sollte es nicht eine Ode an Homer sein? Sollte der Betrachter sein Werk durch reines Wiedergeben seiner Erzählung würdigen? Hierzu sagte Petersen ganz offensichtlich nein und macht sein eigenes Werk zu einem an der Masse orientierten Monumental-Epos, das die gängigen Dramaturgiestrukturen aufweist. Wer bereit ist, „Troja“ nicht als Geschichtsstunde, sondern als puren Unterhaltungsfilm zu akzeptieren, der erhält jedoch eine vollwertige Hollywoodproduktion, die absolut fesseln kann. Zwar mag es einen Fan des Originalmythos schmerzen, dass er auf die zahlreichen Eingriffe der Götter in das Kampfgeschehen verzichtet, vielleicht mutet auch die Zusammenkürzung der Ereignisse etwas merkwürdig, doch trotzdem ist „Troja“ packendes Kino.

    Darstellerisch bietet der Film zum Teil schlicht geniale Darbietungen. Was Brad Pitt („Fight Club“, „Sieben“) hier mit kompletter Leichtfüßigkeit spielt, kann mitreißen und seine Präsenz auf der Leinwand macht den Film zum wahren Erlebnis. Sein Können stellt er durch eine Mimik unter Beweis, die diese Rolle nicht zu der seines Lebens macht, aber sein Talent klar hervorkehrt. Er schafft es, eine Atmosphäre herzustellen, die ihn als außergewöhnlich starken Krieger glaubhaft macht und gleichzeitig seine menschlichen, teilweise negativen Eigenschaften zeigt, welche die Identifikation mit seiner Rolle allerdings nicht zu schmälern vermögen. Es mag wie eine Hymne an Brad Pitt aussehen, doch ob sie von ihm oder – was logischer erscheint – von Achilles handelt, sollte letztlich klar sein. Eric Bana („Hulk“) überrascht nach seiner Rolle als grüner Riese als erstaunlich charismatisch - seinen Part führt er zu großen Teilen mit Bravour aus. Im Gegensatz zu Orlando Bloom hat er auch eine dankbare Rolle erhalten. Dieser nämlich zieht zum zweiten Mal nach seiner Legolas-Verkörperung mit seiner Rolle des Paris das unglückliche Los, einen etwas dümmlichen Frauenverführer zu spielen. So kann er weder die Sympathie des Zuschauers gewinnen, noch schauspielerisch überzeugen – wie viel er wirklich zu bieten hat, wird er in Zukunft beweisen müssen. Der Rest des Ensembles hat noch einige Kostbarkeiten zu bieten. Sean „Boromir“ Bean als Odysseus weiß seine Qualitäten als listiger und äußerst schlauer Held erneut gekonnt einzusetzen. Auch der König der Trojaner, verkörpert von Peter O'Toole, ist herrlich anzusehen. Sein Gesichtsausdruck bietet stets die richtige Mischung aus Sorge, Trauer und Dramatik.

    Bei der Dramatik angekommen, gilt es zu sagen: Dieser Film kleckert nicht, er klotzt wahrhaft. Mit Frauen, die ständig weinen, Liebesszenen, die einem reinen Liebesdrama um nichts hinterher stehen und Kämpfen, bei denen es um alles oder nichts geht. Die Frauen haben mit Diane Kruger als Helena – der angeblich schönsten Frau aller Zeiten – zwar eine attraktive, aber darstellerisch nur bedingt überzeugende Vertreterin ihres Geschlechts zu verzeichnen. Unter anderem mit dem Shoting Star aus dem beschaulichen niedersächsischen Städtchen Hildesheim gibt es Szenen, die etwas zu dramatisch wirken. Doch ist große Dramatik nicht angemessen? Handelt es sich bei den Geschichten von Troja nicht eben um eine dieser an solcher kaum zu überbietenden? Genauso ist es, auch wenn Petersen auf genaue Wiedergabe des Jahrtausende alten Stoffes verzichtet. Er nimmt sich der Charaktere nicht zuletzt aufgrund der beabsichtigten Massentauglichkeit in dieser Form an. Zwar schafft er es nicht zu so starker Identifikation mit einem Hauptcharakter wie Ridley Scotts „Gladiator“, aber das Ensemble gleicht dies insgesamt aus. Zudem schlägt sich die Story nicht komplett auf die Seite einer der beiden Völker, sondern lässt beiden etwa gleichviel Spielzeit und bleibt eher neutral. Das bringt den großen Vorteil mit sich, dass es nicht die gängigen Klischees von Gut und Böse bedient. Natürlich, Agamemnon verkörpert die Habgier und Achilles den eigenwilligen Einzelkämpfer, Paris ist der einfältige Frauenheld usw. – aber in solcher Form sind die Rollen auch in der "Ilias" angelegt. Genauso verhält es sich mit den einfach gestrickten Frauenrollen - Verfechter der Emanzipation mögen aufschreien - aber hier wären starke Frauencharaktere eher konstruiert, denn sinnvoll.

    „Troja“ ist eine stark an die Neuzeit angepasste Version der Geschichte um Liebe und Frauen, Macht und Ehre. Petersen mischt alle gängigen Blockbuster-Zutaten und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bei nüchterner Betrachtung ist das nicht der ganz große Wurf – lernen lässt sich nichts aus seiner Interpretation des Stoffes, die vor allem eine ist, die den Unterhaltungswert des Trojanischen Krieges herausstellt. Dieser Unterhaltungswert eben ist dennoch enorm hoch. Die Schlachten sind beeindruckend gefilmt, vor allem die Zweikämpfe wissen zu begeistern, so ist der Kampf zwischen Hektor und Achill einer der eindrucksvollsten der letzten Zeit. Die Darstellung der verschiedenen Helden gelingt bis auf Ausnahme von Paris und die technisch ungeheuer aufwendige Produktion weiß zu diesen Actionsequenzen eine packende Story zu präsentieren, zu der sie sich schlicht die Leckerbissen aus der "Ilias" herausgesucht hat. Warum der Krieg dann nur ein paar Wochen und nicht wie eben dort ganze zehn Jahre dauert, sei dahingestellt. Die "Ilias" beschreibt letztlich auch in erster Linie die Geschehnisse des zehnten Jahres, was diese Abkürzung verschmerzbar macht. Wunderbares Popcorn-Kino ist alles in allem jedenfalls herausgekommen, das die Geschichte natürlich im Gegensatz zur "Ilias" bis zum Ende erzählt, bei diesem aber zum Glück nicht den Fehler macht, alles zu einem irgendwie doch noch Happy End zu führen. Wer also nicht zu großen Wert auf Tiefgang und Anspruch legt, der ist gut beraten, sich Petersens Version des Trojanischen Krieges anzusehen.

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