Bereits vor der Veröffentlichung seines Films „Charade" im Jahr 1963 ging Regisseur Stanley Donen („Singin' in the Rain") gegen seine Kritiker in Stellung. Fragen nach dem Einfluss der Werke Alfred Hitchcocks wie „Der unsichtbare Dritte" auf seine burleske Kriminalkomödie wies Donen barsch zurück: „Wer hat gesagt, dass nur Hitchcock das Recht hat, solche Filme zu machen?". Dem Einspruch des Regisseurs zum Trotz lässt sich feststellen: Unter den Filmen, die der „Master of Suspense" nie gemacht hat, zählt „Charade" eindeutig zu den Besten.
Regina „Reggie" Lampert (Audrey Hepburn) verbringt ein sorgenfreies Leben auf Kosten ihres reichen Ehemannes Charles. Bei einem Urlaub in den französischen Alpen lernt sie einen charmanten Amerikaner kennen, der sich als Peter Joshua (Cary Grant) vorstellt. Als Reggie nach Paris heimkehrt, um Charles mit ihrem Scheidungswunsch zu konfrontieren, findet sie die gemeinsame Wohnung leer geräumt vor. Die Polizei teilt ihr mit, ihr Ehemann sei aus einem fahrenden Zug geworfen worden. Als zur Beerdigung drei halbseidene Gestalten (James Coburn, George Kennedy, Ned Glass) auftauchen, die sich nachdrücklich vom tatsächlichen Ableben Charles' überzeugen wollen, zeigt sich, wie wenig Reggie von ihrem verblichenen Gatten weiß. Vom ansässigen CIA-Mann Bartholomew (Walter Matthau) erfährt die Witwe, dass ihr Mann im Zweiten Weltkrieg einer Kommando-Einheit zugeteilt war, die 250.000 Dollar in Gold an die französische Résistance überreichen sollte. Allein, das Geld kam nie bei den Widerstandskämpfern an, die Männer hatten beschlossen, es für sich zu behalten und zu vergraben. Charles jedoch hatte seine Kameraden übers Ohr gehauen und sich mit dem Geld aus dem Staub gemacht. Nun ist nicht nur die US-Regierung hinter dem Gold her. Und was hat es wohl mit Peter Joshua auf sich, der immer genau dann zur Stelle ist, wenn es brenzlig für Reggie wird?
Bereits mit den ersten Einstellungen erzeugt Donen Spannung. In einer Reihe zunächst zusammenhangslos erscheinender Aufnahmen nimmt er das Publikum sogleich in Haft: Ein Mann wird noch im Schlafanzug aus einem Zug gestoßen; eine Pistole wird hinter einem Regenschirm versteckt in Position gebracht. Die Kamera verharrt auf der Hand, die sie hält. Als der Abzug durchgezogen wird, spritzt Wasser auf Reggie - zwei völlig unabhängige Ereignisse, deren wechselwirksame Relevanz erst im Verlauf der Handlung deutlich wird; ein Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers. In der Tat, hier ist ein gerüttelt Maß Ehrerbietung an Alfred Hitchcock zu spüren. Hauptdarsteller Cary Grant stellt eine weitere Verbindung zum Altmeister dar. In vier Filmen unter der Ägide seines englischen Landsmannes, aber auch in Klassikern wie „Die Nacht vor der Hochzeit" und „Die große Liebe meines Lebens" hatte sich Grant als charismatischer Leading Man etabliert. Die Rolle als galanter Silberfuchs in „Charade" war ihm daher auch wie auf den Leib geschrieben.
Audrey Hepburn („Frühstück bei Tiffany") als Reggie ihrerseits wirkt zunächst eher wie ein verzogener, materialistischer Teenager, der sich die Trauerphase um den Gatten mit einem neuen Mann verkürzt. Ein eindeutiges Identifikationsangebot an das Publikum sieht anders aus. Die Romanze zwischen den beiden indes entspricht den Genre-Konventionen der Sechziger. Das amouröse Hin und Her bleibt dabei jedoch stets vergnüglich und kurzweilig, was auch dem Talent der Schauspieler zu verdanken ist. Obgleich es der Entstehungszeit geschuldet ist, dass das Verhältnis zwischen Reggie und Joshua eher an frühere Screwball-Komödien angelehnt ist und keine sexuelle Energie à la „Thomas Crown ist nicht zu fassen" versprüht, der fünf Jahre später entstand, hat Drehbuchautor Peter Stone („Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123") dem damals testosterongeschwängerten Krimi-Genre mit seiner Protagonistin doch etwas hinzugefügt - so ist es hier zum Beispiel Reggie, die den aktiven Verführer-Part übernimmt.
Für Stanley Donen, dessen Kerngeschäft eher im Bereich leichtherziger Komödien und Musicals als beim Suspense-Thriller lag, wurde „Charade" zum großen Erfolg. Beide Hauptdarsteller wurden für den Golden Globe nominiert und Hepburn konnte den BAFTA-Award als beste Schauspielerin einheimsen. Weniger Glück hingegen brachte der Stoff Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer") dessen Remake „The Truth About Charlie" 2002 in den USA nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief und hierzulande lediglich eine DVD-Auswertung erfuhr. Einer leichten logischen Schieflage gegen Ende zum Trotz - „Charade" ist Unterhaltungskino in Perfektion. Einen besonderen Mehrwert generiert der Film dabei durch mehrmalige Sichtungen, die jedes Mal neue Indizien und Hinweise zutage fördern. Auf diese Weise behält „Charade" seinen enormen Unterhaltungswert und wird seinem Ruf als zeitloser Klassiker immer wieder gerecht.