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    Anything Else
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Anything Else
    Von Carsten Baumgardt

    Alle Jahre wieder: Doch ein liebgewonnenes Ritual geriet aus dem Takt. Praktisch im Jahresrhythmus veröffentlichte Regisseur, Autor und Schauspieler Woody Allen einen Kinofilm. Doch nach dem US-Flop von „Hollywood Ending“ schaffte es die Komödie 2002 unverständlicherweise nicht in die deutschen Kinos. Seinem neuesten Output „Anything Else“ wäre es beinahe genauso ergangen, doch mit einjähriger Verspätung erreicht der Film doch noch das Licht der teutonischen Leinwände. Und das völlig zurecht. Allen und sein junges Hauptdarsteller-Doppel Jason Biggs und Christina Ricci zünden ein absurd-komisches Wortgefechtsfeuerwerk, das mit furiosen Dialogen und jede Menge Witz glänzt.

    Der New Yorker Gagautor Jerry Falk (Jason Biggs) hat jede Menge Probleme. Er ist zwar gut und hat genügend Arbeit, aber sein Manager Harvey (Danny DeVito) wird von der Branche nur ausgelacht. Falks väterlicher Freund, der Lehrer und Witzeschreiber Dobel (Woody Allen), rät ihm dringend, nicht auf Harveys Vertragsangebot für weitere sieben Jahre einzugehen. Privat hat Jerry noch mehr Ärger. Seine Freundin, die Schauspielerin Amanda (Christina Ricci), verweigert seit einem halben Jahr den Sex und ihre chaotische Mutter Paula (Stockard Channing) hat sich in dem kleinen Appartement des Paars eingenistet und nervt alle. Dann findet Jerry heraus, dass Amanda ihn betrügt. Als der durchgeknallte Psychotiker Dobel ihm auch noch ein verlockendes Angebot macht, mit ihm zusammen nach Los Angeles zu gehen und dort für eine TV-Show zu schreiben, ist das emotionale Chaos perfekt...

    In den USA litt „Anything Else“ unter dem katastrophalen Marketing des Verleihers. Der Film wurde wegen der jungen Hauptdarsteller für die Zielgruppe unter 35 Jahre beworben. Doch die meidet Woody-Allen-Filme schon aus Prinzip wie der Teufel das Weihwasser. Dass Allen die drittgrößte Rolle übernimmt, wurde in der Werbung verschwiegen. Es kam wie es kommen musste, „Anything Else“ (Budget: 18 Mio Dollar) floppte, spielte nur 3,5 Mio Dollar ein. Glücklicherweise laufen Allens Filme im kulturell reiferen Europa weit besser als in seinem Heimatland, sodass das deutsche Publikum jetzt doch noch in den Genuss des Films kommt. Allerdings verzichtete Verleiher Alamode in Deutschland fast komplett auf Werbung, was nicht gerade förderlich für die Besucherzahlen sein dürfte.

    In seinem mittlerweile 34. Kinofilm hat Woody Allen, Jahrgang 1935, nichts von seiner unbändigen Energie eingebüßt. Die Geschichte um den talentierten, aber verwirrten Autor Falk bietet zwar wenig Neues und Originelles, aber das spielt bei einem Woody-Allen-Film im Prinzip keine große Rolle. Die rasenden Dialoge sind es, die „Anything Else“ zu einem furiosen Komödienspaß machen. Dass der Film an Allens Klassiker „Der Stadtneurotiker“ angelehnt ist, trübt das Vergnügen nur wenig. Als Hauptdarsteller hat der New Yorker erstmals zwei Schauspieler der jungen Generation ausgesucht. Nur auf den ersten Blick mag die Wahl von „American Pie“-Star Jason Biggs verwunderlich wirken - gilt eine Hauptrolle in einem Allen-Film doch als Ritterschlag der Branche. Zwar fehlt der „American Pie“-Reihe jeglicher Anspruch, aber Biggs ist dabei unglaublich komisch, was auch Woody Allen nicht entgangen zu sein scheint. Und so spielt er die Jungversion des Stadtneurotikers tadellos und glaubwürdig. Bei Christina Ricci („The Gathering“, „Sleepy Hollow“, „Der Eissturm“) waren die Vorzeichen ein bisschen anders. Sie galt ohnehin schon als großes Talent und deshalb hat sie sich mühelos qualifiziert. Für die durchtrieben-fahrige Sexbombe Amanda ist Ricci die Idealbesetzung. Mit ihrer Schönheit und Ausstrahlung wickelt sie die Männer mit links um den kleinen Finger und lässt sie nach ihrer Pfeife tanzen. Das transportiert Ricci perfekt.

    Woody Allen lässt den beiden einigen Spielraum und tritt nur als Nebendarsteller auf. Doch genau das wird zu einem kleinen Problem. Wenn der Meister auf der Leinwand erscheint, redet er im Stakkato alles in Grund und Boden, sodass die eigentlich gut spielenden Biggs und Ricci dagegen die Blässe ins Gesicht steigt. Als paranoider Intellektueller läuft Allen in seiner Paraderolle in unnachahmlicher Manier zu Höchstform auf. In absurden Dialog-Konstruktionen schießt das Ensemble ein Feuerwerk des Wortwitzes ab. In Nebenrollen überzeugen Danny DeVito als mieser Manager und Stockard Channing als Nervensägen-Mutter von Christina Ricci.

    „Anything Else“ wird sich sicherlich nicht in die Reihe der Allen-Klassiker wiederfinden, aber allein wegen der furiosen Dialoge sollten sich Fans diesen Film nicht entgehen lassen. Und unter allem Slapstick, der hier in atemlosem Tempo auf die Zuschauer abgeschossen wird, verbirgt sich eine Menge Wahrheit über sexuelle Befindlichkeiten, Begierden, Existenzängste und die Stellung des modernen Mannes in der Gesellschaft. Frei nach dem Motto: Schweigen ist Silber, Reden ist Gold. Also: Kein innovativer, aber ein guter Allen. Und eine Szene könnte Kultstatus erlangen: Als zwei aufgepumpte Neandertaler Allen in seinem coolen, roten Sportflitzer den sicher geglaubten Parkplatz wegschnappen, rät Biggs seinem Kumpel, eine beißende Satire darüber zu schreiben, weil die beiden Muskelmänner sie ausgelacht haben. Doch dann kehrt der Psychotiker und Waffenfetischist plötzlich um, schnappt sich aus seinem Kofferraum eine Brechstange und zertrümmert das Auto seiner verbalen Peiniger - der rasende Allen ist dabei urkomisch und ernst gleichermaßen.

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