SCHUSS INS KREUZ
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Die von mir sehr geschätzte Fachzeitschrift cinema liefert mit ihrer Rubrik „Geburt eines Filmklassikers“ monatlich jede Menge Hintergrundinfos zu Werken, die längst Geschichte geschrieben haben. Und die man eigentlich als Filmfan nicht links liegen lassen kann. Inspiriert vom letzten Beitrag, und weil auch derzeit das Filmangebot trotz Netflix weitgehend überschaubar bleibt, habe ich mir William Friedkins Drogenthriller Brennpunkt Brooklyn – im Original The French Connection – oder einfach beides – zur Brust genommen. Und es lohnt sich, das Making-Of im Vorfeld durchzuackern, denn dann ist der Filmgenuss um eine Dimension reicher, wenn all die beschriebenen Szenen nicht mehr aus dem Konzept gerissen, sondern als Teil des Ganzen zu sehen sind und der Zuseher weiß, was da hinter den Kulissen eigentlich alles los war.
Zum Beispiel die ausufernde Verfolgungsjagd mit dem Auto. Das Kuriose dabei: Gene Hackman, der hinterm Steuer sitzt, verfolgt gar nicht mal einen anderen Wagen, sondern hetzt dem Antagonisten hinterher, der in der Schnellbahn über ihm stets eine Nasenlänge voraus ist. Auch nach 50 Jahren – da fällt mir auf: der Film feiert heuer gar ein halbes Jahrhundert Jubiläum, Gratulation! – bietet diese Szene aufgrund seines innovativen Kameraeinsatzes und einem wirklich makellosen Schnitt feinstes Actionkino. Für den Schnitt gabs ja sogar einen von fünf Oscars. Die anderen gingen unter anderem an die Regie und an Gene Hackman. Verdient? Nun, Antihelden wie dieser sind mittlerweile in jeder zweiten Krimiproduktion zu finden. Damals allerdings waren Filmhelden noch Leute mit Ehre und Ethik und salonfähigem Auftreten. Gene Hackman war das, so wie zur selben Zeit Clint Eastwood als Dirty Harry, plötzlich alles nicht mehr. Hackman war gelinde gesagt ein Raubtier mit Polizeimarke und Porkpie-Hut, einer, der nicht anders konnte, als seiner Lust am Auflauern und Jagen einfach nachzugeben. Friedkin zeichnet diese Figur als eine, die sich rein durch dieses Tun definiert. So kommt es mitunter, dass das Sakrileg vom Schuss in den Rücken des Killers in dieses Charakterprofil einfach hineinpasst. Hier geht’s um das Erlegen des kriminellen Freiwilds an sich. Insofern wird Hackman in dieser Rolle richtig groß, und auch am Ende, als er im Halbdunkel einer verfallenen Fabrikhalle den Feind ausmacht, spricht direkt ein bisschen der Wahnsinn.
Brennpunkt Brooklyn ist tatsächlich ein guter Film. Allerdings nichts, das nahe geht, und nichts, das wärmt. Aber etwas, das bestechend akkurat seinen roten Faden verfolgt, ohne sich in Nebenstories zu verlieren. Der winterharte Thriller (da können selbst die paar Szenen in Marseille nichts dran ändern) reduziert seinen Plot aufs Wesentliche, lässt unentwegt bespitzeln und beobachten. Scheider und Hackman sitzen und stehen stets auf Nadeln, da ist nichts, was sie ruhen lässt. Nur die Kälte bremst den Drang, die Dinge am liebsten so zu regeln, als wäre Anarchie die neue Ordnung. Platzhirsche der Gerechtigkeit, wenn man so will. Und selbst die ist nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn – wäre die Biographie von Jimmy „Popeye“ Doyle, so Hackmans Rolle (die auf einer wahren Figur beruh – auch jene von Scheider), etwas anders verlaufen, könnte man ihn gut und gerne auch auf der anderen Seite des Gesetzes sehen.
____________________________________________
Mehr Reviews und Analysen gibt´s auf filmgenuss.com!