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    Der Außenseiter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der Außenseiter
    Von Robert Cherkowski

    Wer glaubt, dass beinharte Bullen mit Hang zur Selbstjustiz lediglich im amerikanischen Cop-Kino ihr rechtslastiges Unwesen treiben würden, der irrt gewaltig. Natürlich haben Clint Eastwood oder John Wayne den filmischen Archetyp des raubeinigen Hardliners in Staatsdiensten geprägt. Man sollte jedoch nicht meinen, dass ihnen die Euro-Cops in den Filmen der 70er-Jahre an Kaltschnäuzigkeit nachstanden. Gerade in Italien drehten Filmemacher wie Enzo G. Castellari oder Marino Girolami ruppige Polizeithriller um noch ruppigere Gesetzeshüter – doch vor einem französischen Selbstjustizbullen namens Philippe Jordan verblassen sie nahezu alle. Vorhang auf für Jean-Paul Belmondo in Jacques Derays unvergleichlich asozialem Klassiker des Euro-Action-Reißers: „Der Außenseiter". Belmondo – schon früh unsterblich geworden durch Godards „Außer Atem" – hatte sich in den Siebzigern durch zahlreiche populäre Werke mit versierten Regie-Handwerkern wie Henri Verneuil („Angst über der Stadt") oder Philippe de Broca („Abenteuer in Rio") einen Ruf als Actionstar vom alten Kontinent gefestigt. Mit dem so temporeichen wie unterhaltsamen "Der Außenseiter" jedoch konnte er noch einmal überraschen.

    Kommissar Jordan (Jean-Paul Belmondo) wird von Paris nach Marseille versetzt, um der herrschenden Unterwelt unter Führung des mächtigen Dons Meccacci (Henry Silva) das Handwerk zu legen. Mit der Wucht einer Abrissbirne fällt er in die Stadt ein und kapert schon sehr bald eine Heroin-Lieferung, was ihm nicht nur Schlagzeilen einbringt, sondern auch die Aufmerksamkeit der Gangster. Nachdem man vergeblich versucht hat, ihm zu drohen oder ihn zu bestechen, wird Jordan ein Mord untergeschoben. Diesen Vorwurf kann er zwar entkräften, wird aber dennoch zurück nach Paris versetzt. Von so einem Rückschlag lässt sich Jordan selbstredend nicht entmutigen und nimmt Meccacci von dort aus gnadenlos ins Visier.

    Volle Deckung! „Der Außenseiter" ist wohl der prolligste Film in der an prolligen Euro-Action-Fetzern gewiss nicht armen Karriere von Jean-Paul Belmondo. Bereits in den ersten 10 Minuten hat Jordan genug Ramba-Zamba für einen ganzen Film angerichtet. Da stürmt er ein kleines Schmuggler-Cafe, beleidigt alle Gäste, beschimpft einen Herrn nordafrikanischer Herkunft als „hässlichen schwarzen Affen" und haut einem Informanten die Hucke voll. Sehr früh mutiert „Der Außenseiter" zu einem reinen Belmondo-Vehikel, in dem das einst so charmante Raubein sich als toppe Type in Szene setzen lässt, die auch im Alter von 50 Jahren noch kraftvoll zubeißen kann. Die Nebendarsteller bleiben dabei ebenso wie das Skript Staffage. Dabei kommen tolle Mimen wie Tcheky Karyo („Dobermann") und Henry Silva („Ghost Dog") leider etwas zu kurz. So ist Belmondo die Hauptattraktion in einem Spektakel, der die Action sitzt wie angegossen. Den irrsten Stunt gibt es schon sehr früh im Film, wenn Jordan aus einem Hubschrauber auf ein fahrendes Schnellboot springt. Die Schießereien fallen im sonst heiteren Ton des Film durch überraschende Härte auf, während ansonsten gepflegt die Fäuste sprechen und das Mobiliar auseinandergenommen wird.

    Heraus kam ein überdrehter Action-Trash-Exzess, der selbst heute noch verblüfft. Und mit das Verblüffendste dabei: Die Rechnung geht auf. „Der Außenseiter" ist trotz bedenklicher moralischer Haltung ein hervorragend funktionierender, mit bemerkenswert hohem Tempo inszenierter Höllenritt, der einfach nicht langweilig wird und den Fans ruppiger Genre-Unterhaltung genau das gibt, wonach es sie dürstet. Hier vergehen in der Tat keine fünf Minuten, in denen Jordan nicht in irgendein Fettnäpfchen und die Szene entweder in kultige Wortgefechte ausartet oder gleich in eine Prügelei eskaliert. Und wenn „Der Außenseiter" nach 100 rastlosen Minuten die Zielgerade überschreitet, haben sich Fans von Belmondo und dick aufgetragener, erdig inszenierter Action der alten Schule freuen dürfen wie Kinder unterm Christbaum.

    Fazit: Wer den guten Geschmack und moralische Bedenken über die Verherrlichung von Selbstjustiz ignoriert, dem liefert „Der Außenseiter" einen fetzig-kurzweiligen Action-Thriller der Güteklasse B (wie Belmondo).

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