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    Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123
    Von Carsten Baumgardt

    In den Siebzigerjahren feierte der Katastrophenfilm mit Hits wie Poseidon Inferno, Flammendes Inferno oder „Airport“ Hochkonjunktur. Joseph Sargents Entführungs-Thriller „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1 2 3“ passt zwar nicht direkt in dieses Genre, atmet aber den Geist dieser Filme. Der Reißer ist ein eindeutiges Kind seiner Zeit, funktioniert aber trotzdem als zeitloser Thriller, weil kaum ein anderer Genrefilm dermaßen straff und dicht inszeniert ist.

    Ein ganz normaler Tag in New York. In eine U-Bahn der Linie 6, deren Fahrt in Pelham Bay Park beginnt, steigen nacheinander vier dubios mit Mantel, Sonnenbrille, Hut und Schnurrbart verkleidete Herren. Mr. Blue (Robert Shaw, Der weiße Hai), Mr. Grey (Hector Elizondo, Pretty Woman), Mr. Green (Martin Balsam, Die Unbestechlichen) und Mr. Brown (Earl Hindman) teilen den Fahrgästen mit gezückten Waffen höflich mit, dass es sich um eine Entführung handle. Das Quartett verlangt von der Stadt New York eine Million Dollar Lösegeld. Wenn nicht innerhalb einer Stunde gezahlt wird, drohen die Entführer damit, jede Minute eine der 17 Geiseln zu erschießen. An vorderster Front verhandelt Lieutenant Garber (Walter Matthau, Der große Coup, JFK) von der U-Bahn-Polizei...

    Beim Überfliegen der Inhaltsangabe wird schnell klar, wo die Stärken von „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1 2 3“ nicht liegen: Das Setting ist so simpel wie möglich gehalten. Vier komisch maskierte Kerle überfallen eine U-Bahn, verlangen Lösegeld und die Gesetzeshüter wollen sie zur Strecke bringen. Viel mehr ist nicht. Doch jeder einzelne Baustein dieser Versuchsanordnung passt so perfekt, dass ihre Konventionalität nicht sonderlich negativ ins Gewicht fällt. Die Verfilmung von John Godeys Roman gibt sich außerdem alles andere als politisch korrekt, eher das Gegenteil ist der Fall: Aus heutiger Sicht ließe sich der Thriller wohl als homophob und rassistisch einordnen, doch diese Tendenzen, die über Randfiguren transportiert werden, gehören zum Zeitkolorit des Films und sorgen inzwischen eher für Heiterkeit als Empörung.

    Auch Walter Matthau spielt keinesfalls einen Saubermann. Der knarzige U-Bahn-Bulle Garber ist ein waschechter Zyniker, der aber in schwierigen Situationen einen klaren Kopf behält und den gerissenen Gangstern als einziger auf Augenhöhe begegnet. Mit seinem rauen Schrotflintencharisma reißt der großartige Matthau den Film an sich. Auf der Seite der Bösewichte hat jeder seine Momente. Die Idee der farbigen Decknamen übernahm übrigens Regie-Wunderkind Quentin Tarantino (Pulp Fiction, Jackie Brown) für sein Debüt Reservoir Dogs. Erwähnenswert ist auch der Auftritt von Jerry Stiller (Nach 7 Tagen - Ausgeflittert, Zoolander, Hairspray). Der „King Of Queens“-Star spielt zwar nur eine Nebenrolle, zeigt hier aber, dass er nicht nur lustig sein kann.

    Insgesamt stellt Joseph Sargent keineswegs die Action ins Zentrum, sondern vielmehr die psychologischen Aspekte und den Ablauf der Entführung, die der ansonsten im TV beschäftigte Regisseur als Vorlage für eine äußerst straffe Inszenierung nutzt. „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1 2 3“ ist dabei mehr Heist-Movie als Action-Thriller, verströmt aber dennoch aus jeder Pore die Paranoia des Katastrophengenres der 70er Jahre. Dieses Klima der Angst vor einer Bedrohung von außen ist durch 9/11 in Amerika heute noch um ein Vielfaches potenziert. Von daher erscheint Tony Scotts Idee, ein Remake (Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3) mit Denzel Washington und John Travolta in Angriff zu nehmen, nicht allzu weit hergeholt. Bleibt nur zu hoffen, dass Scott nicht jegliche Angriffsfläche abschleift und auf sein typisches Hochglanzformat poliert.

    Kleinere Abzüge handelt sich das Original durch zahlreiche Genrekonventionen ein, die Regisseur Sargent nicht umschifft. Den vertrottelten, erkälteten Bürgermeister (Lee Wallace, Batman), der lieber im Bett liegen bleibt, als die Stadt zu retten, hätte sich Autor Peter Stone besser glatt gespart. Er verstimmt in wenigen Szenen den Ton des Films, bleibt aber zum Glück nur eine Randnotiz. Auch die übermotivierten Polizisten, die schneller zum Colt greifen, als ihnen gut tut, rufen alles andere als Begeisterungsstürme hervor.

    Fazit: „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1 2 3“ ist ein atmosphärisches Genrestück, das sich seinen guten Ruf trotz kleiner Defizite auch dank einer grandiosen Schlussszene redlich verdient hat.

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