“Childhood Slips Like Sand Through A Sieve.”
Kaum ein Film von Disney hat die Filmwelt so geprägt wie „Mary Poppins“ von 1964. Nach den großen Zeichentrickerfolgen der 40er und 50er, schlichen sich langsam erste Ermüdungserscheinungen ein. Doch parallel zu den Zeichentrick-Meisterwerken produzierte Walt Disney auch immer wieder Filme mit echten Schauspielern. In den meisten Fällen vermischte man dort Realfilm und Zeichentrick wie etwa im nach wie vor verbotenen „Onkel Remus´ Wunderland“ von 1946. Doch kein Film schlug dermaßen ein wie „Mary Poppins“. Allein die Entstehungsgeschichte des Films ist spannend: Die Autorin der „Poppins“-Bücher Pamela Lynwood Travers stellte sich immer wieder gegen Walt Disney und empfand viele Ideen von ihm und seinem Team fragwürdig und unsinnig. Der Film „Saving Mr. Banks“ von 2013 (ebenfalls von Disney) erzählt diese Geschichte sehr schön. Doch kommen wir zu „Mary Poppins“, dem Original, dem Meisterwerk! Das erste mal als ich diesen Film sah, hatte ich einige Dinge auszusetzen, wie etwa die Länge des Ganzen. Doch immer wenn ich diesen Film erneut sehe, schwindet dieser Kritikpunkt mehr und mehr dahin. Mittlerweile habe ich keine Bedenken mehr zu sagen: „Mary Poppins“ ist ein Meisterwerk!
London: Die Familie Banks benötigt dringend ein neues Kindermädchen für die zwei Kinder Jane und Michael. Die letzte hat gekündigt und nun braucht Vater George Banks eine neue tüchtige Hilfskraft für die Gören. Da kommt wie aus dem Nichts die mysteriöse und doch liebevolle Mary Poppins vorbei und nimmt sich der Aufgabe an…
Eine simple Geschichte entfaltet sich schnell zu einem grandiosen Abenteuer voller Magie und Zauberei. Und so kann man „Mary Poppins“ sicherlich am besten beschreiben: Zauberhaft und magisch. Regisseur Robert Stevenson, Walt und sein Team von Disney erzählen die Story von P. T. Travers mit einer Herzlichkeit und Energie, wie sie kaum in einem anderen Film zu finden ist. Das Besondere an „Mary Poppins“ ist nicht nur unbedingt das, was man sieht (und man sieht eine Menge Spaß und wilde Tänze), sondern auch das, was man nicht sieht. Zum Beispiel die Figur der Mary: Wer ist sie? Eine Nanny, die fliegen kann? Ein magisches Wesen? Und warum kommt sie zu den Kindern? Hat oder hatte sie selbst einmal Kinder? Und sind diese wunderbaren Ereignisse mit ihr nur Einbildung? All diese Fragen werden nicht beantwortet, sondern einfach im Raum stehen gelassen. Doch das macht einen Großteil des Charmes dieses Films aus. Es ist dieser mysteriöse Kern, der auch bei mehrmaligem Sehen das Erlebnis wunderbar macht.
„Mary Poppins“ ist weit mehr als nur ein heiterer Kinderfilm mit Musik. Neben großen, spaßigen Momenten voller Musik und Tanz, gesellen sich bewegende und zu Herzen gehende Szenen wie das Lied über die Taubenfrau. Und besonders die Figur des Vaters, George Banks, nimmt eine zentrale Rolle in der Handlung ein mit einer Message, die sowohl simpel als auch kraftvoll und wichtig ist.
Ein fantastischer Cast lässt diese Figuren zum Leben erwecken. Julie Andrews ist einfach perfekt als Mary Poppins und das nicht nur, weil sie die freudigen, verspielten Momente verkaufen kann. Sie ist eine Mary Poppins, die auch streng und bestimmend sein kann. Und wie gesagt: Die ganze Zeit umgibt sie etwas Mystisches, was sie zu einer besonderen Figur macht.
Dick Van Dyke als Bert ist sicherlich für viele der heimliche Star. Im Original ist sein Akzent sehr „dick“ (das Wortspiel musste sein), aber sein Gesang, sein Spiel und vor allem seine Beweglichkeit machen diese Figur so grandios. Immer wenn er zu sehen ist, strahlt mein inneres Kind.
Und dann haben wir den tollen David Tomlinson als Vater. Seine ernste, aber dennoch liebenswerte Art macht die Figur des Mr. Banks so ergreifend, gerade im Finale.
Auch die Kinder, Karen Dotrice und Matthew Garber als Jane und Michael Banks, sind wirklich gut und süß in ihren Rollen.
Kommen wir zur Musik der Sherman-Brüder (Richard M. und Robert B.): Was soll man zu diesen legendären Songs noch sagen? Nahezu jedes Lied ist ein Ohrwurm und voll von Liebe und Energie. Egal ob rasante Stücke wie „Step in Time“ (mit einer atemberaubenden Choreografie!) oder das zu Tränen rührende „Feed the Birds“, jede Komposition passt und reißt mich mit. „Feed the Birds“ war übrigens Walt Disneys Lieblingssong und ich kann ihm das nicht übel nehmen, denn auch ich liebe dieses Stück.
Fast schon überflüssig zu erwähnen, aber alle singen ihre Songs hervorragend. Besonders hervorheben muss ich aber Julie Andrews mit ihrer glasklaren, aber emotionalen Stimme.
Die spektakulären Szenen finden größtenteils vor echten Sets statt, wie etwa das finale „Step in Time“. Für damalige Verhältnisse natürlich normal, aber aus heutiger Sicht ist das umso schöner und erfrischender. Greenscreens wurden wenn überhaupt für die tollen Zeichentrickmomente genutzt, wenn Mary Poppins, Bert und die Kinder in eine gezeichnete Welt eintauchen und dort mit Pinguinen tanzen oder an Pferderennen teilnehmen (und ja, Greenscreens gab es damals noch nicht!).
„Mary Poppins“ ist auch technisch gesehen ein Meilenstein der Filmgeschichte und sieht nach wie vor fantastisch, magisch und einzigartig aus. Und ich bin sicher, daran wird sich nie etwas ändern.
Der Film ist mit 140 Minuten ziemlich lang für Kinder, aber man kann das Ganze auch wunderbar an zwei Tagen gucken. Ich persönlich finde nicht, dass der Film zu lange ist, denn jede Szene hat seinen berechtigten Platz. Auch die Momente, die scheinbar nicht aufhören wollen (wie der Pinguin-Tanz oder „Step in Time“), haben gerade dadurch etwas von einem Traum, aus dem man nicht mehr erwachen möchte. Damals empfand ich das anders, aber nun möchte ich mich in diesen Szenen, in dieser Welt verlieren.
Fazit: Nicht nur die Figur der Mary Poppins wird als schlicht perfekt beschrieben, auch der dazugehörige Film ist es irgendwie. Ein Film, der nicht nur Kinder unterhalten und zurück zur Magie bringen kann, sondern auch Erwachsene. Oder sollte ich vielleicht lieber sagen: Gerade die Erwachsenen?
Völlig verdient griff das Ganze damals fünf Oscars ab, darunter Trophäen für Andrews, die Musik und die Effekte. Dieses filmische Meisterwerk von Disney und seinem Team wurde zur Legende und ist unsterblich geworden. Auch nach fast 60 Jahren hat „Mary Poppins“ nichts an Glanz verloren. Ein filmischer Schatz, den man gesehen haben muss!