Denkt man an verschwitzte 80er-Jahre-Muskel-Action, denkt man an zwei Namen: Schwarzenegger und Stallone. Zwei bärenstarke Typen, die heute in einem Retro-Filme wie „The Expendables 2" gemeinsam den alten Zeiten hinterhertrauern, sich einst jedoch wie Supermächte gegenüberstanden. Während sich Arnie durch so manchen Trash wie „Phantom Kommando" schlagen musste, bis er mit „Predator" endgültig in der A-Liga ankam, hatte Stallone nach seinem Karrieregipfel Mitte der 80er mit Hits wie „Rambo 2" und „Rocky 4" in kurzer Folge die Flops „Over the Top" und „City Cobra" gedreht, die heute zwar trashigen Kultstatus haben, damals jedoch nicht die in sie gesteckten Erwartungen erfüllten. Die späten Achtziger waren für Stallone eine Zeit, in der er verbissen nach neuen Erfolgsrezepten suchte und nur selten fündig wurde. Eine der Ausnahmen ist der Knast-Film „Lock Up" von Regie-Veteran John Flynn. Auch dieser handfeste Streifen fiel an der Kasse und bei der zeitgenössischen Kritik durch, offenbart bei erneuter Sichtung jedoch ungeahnte Qualitäten. Ein kleiner Klassiker.
Noch ein paar Wochen muss Frank Leone (Sylvester Stallone) absitzen, bis er frei ist. Durch eine Dummheit hinter schwedischen Gardinen gelandet, hat er sich zum Musterhäftling gemausert, den Wärter und Mitinsassen wegen seiner sympathischen und deeskalierenden Art schätzen. Seine Freundin Melissa (Darlanne Fluegel), die er bei Freigängen besucht, freut sich auf seine Entlassung, doch bis es soweit ist, wird ihm noch eine schwere Prüfung aufgelegt: Für die letzten Wochen der Haft wird Leone in das Gefängnis des sadistischen Direktor Drumgoole (Donald Sutherland) verlegt. Einst hatte Leone auf die Missstände aufmerksam gemacht, die unter dem Regime des eiskalten Bürokraten herrschen, nun sieht Drumgoole seine Chance gekommen, es Leone heimzuzahlen. Er schikaniert ihn wo er nur kann und setzt die Capos des Knasts auf ihn an, die ihn provozieren sollen, damit sich Leones Haftzeit verlängert. Immer perfider und bösartiger gestalten sich die Methoden, mit denen er Leone an die Wand drängt, bis dieser es nicht mehr aushält und mit dem Mut der Verzweiflung zurückschlägt.
Jenseits von „Rocky" und „Rambo"-Filmen zähl „Lock Up" im Stalloneschen Oeuvre zu den vernachlässigten Filmen – Zu Unrecht. Wie ein Uhrwerk läuft John Flyns Film ab, bewegt sich mit bestechender Zielstrebigkeit auf sein Ziel zu, schnörkellos und unwiderstehlich. Schon nach zehn Minuten ist die Situation etabliert: Frank ist zwar ein Sträfling, aber ein sehr tugendhafter, der zu unrecht in den Höllenlandknast gesteckt wird, wo ihm ein leicht unterforderter, doch dafür umso enthemmter chargierender und äußerst hassenswerter Donald Sutherland von der ersten Minute an, dass Leben zur Hölle macht.
Schnell, doch nie überhastet wird das Machtgefüge innerhalb des Knasts umrissen und durchleuchtet. Neuland wird dabei zwar nicht betreten, so gut wie jeder Charakter ist aus dem Klischee-Handbuch hinlänglich bekannt, doch sind die bekannten Versatzstücke dafür mit umso mehr Seele aufgeladen. Neben Stallone und Sutherland gibt es in Nebenrollen noch einige Stars aus ähnlich gelagerten Filmen wieder zu entdecken. Zum Beispiel Tom Sizemore als windiger Dallas und der hünenhafte Sonny Landham („Predator") als hundsgemeiner Knastrüpel Chink, mit dem sich Frank natürlich früher oder später eine Konfrontation liefert. Den meisten Eindruck hinterlässt jedoch der ebenfalls breit gebaute John Amos als bärbeißiger Wärter Meissner. Darlanne Fluegel als Franks engelsgleiche Frau spielt da nur die zweite Geige und dient nicht zuletzt dazu, den latent-homophilen Subtext der inhaftierten Männerbünde zumindest ein wenig abzuschwächen.
So konventionell Geschichte und Figuren in vielerlei Hinsicht auch sind, mit einem brillanten Kniff gelingt es den auf aggressives Agieren spezialisierten Action-Heroen Stallone zu einer passiven Figur zu machen, die ihr Schicksal nicht selbst in die Hände nehmen darf: Will er seine Haftzeit nicht verlängern, muss er die zunehmend sadistischen Aktionen Drumgooles und seiner Schergen passiv erdulden. Und auch wenn Stallone nie ein Brando war, ihm oft die darstellerischen Zügel entgleiten, ist er ein glaubwürdiger Held. Als Zuschauer wünscht man sich einerseits, er möge jedem Ärger aus dem Weg gehen und andererseits, sein Zorn möge endlich aus ihm herausbrechen.
Dieser Konflikt zwischen brodelnder Körperlichkeit und ihrer gleichzeitigen Unterdrückung sind das Markenzeichen der besten Stallone-Filme. Die interessantesten Stallone-Filme erzählen von passiven Helden, die nicht kämpfen wollen, jedoch durch das Außen zum Äußersten gezwungen werden. Geradezu emblematisch funktioniert so „Lock Up" mit seiner Gegenüberstellung von gepeinigtem Körper und der peinigenden äußeren Welt. Die ihn in diesem Fall quasi sogar umschlossen hält, in sich aufgenommen hat.
Immer wieder inszeniert Flynn Flure und Katakomben mit Dampfrohren, feuchten Wänden und exzentrischer Lichtsetzung wie ein atmendes, schwitzendes, böses Wesen, dass im actionreichen Schlussakt vom Helden samt Mann und Maus bezwungen werden muss. Wo der Ort selbst zum Feind werden kann, werden Menschen zu Bulldozern. Die Action ist handfest und körperlich und besticht vor allem darin, dass sie nicht ins Extrem ausgereizt wird. Sie zeigt einen Mann, der an seine klar aufgezeigten Grenzen geht, jedoch nie zum Übermenschen wird. Auf der Leinwand und in seiner Machart ist „Lock Up" eine handfeste und sympathisch „klein" gehaltene Filmerfahrung, die auch bei erneuter Sichtung nicht zum Meisterwerk reift, doch noch immer packt und hervorragend unterhält.
Fazit: „Lock Up" mag hölzern, konstruiert und leicht zu durchschauen sein, doch funktioniert der kernige Knast-Klopper nach wie vor perfekt und zählt zu den kleinen, weniger bekannten Perlen im Werk Stallones.