Gaspar Noes kontroverser Film knüpft inhaltlich wie thematisch an seine vorangegangene Regiearbeit "Menschenfeind" an. "Seul contre tous", so der Originaltitel, hatte ebenfalls das Thema der alles zerstörenden Zeit als Leitmotiv.
Schon in den ersten Minuten von "Irreversibel" ist man geradezu geneigt, abzuschalten. Der spiegelverkehrt geschriebene und langsam aus dem Bild kippende Vorspann, die endlos kreisende, orientierungslose Kamera zu Beginn, die ekelerregenden Szenen im Schwulenclub "Rectum", die außer Kontrolle geratene Gewalt, als einem Gast dieses Schwulenclubs scheinbar ohne Grund das Gesicht mit einem Feuerlöscher buchstäblich zu Brei geschlagen wird. Erst allmählich stellt man fest, dass der Film im Stile von "Memento" rückwärts erzählt wird, bis hin zur quälend langen Vergewaltigungsszene in einer U-Bahnunterführung (9 Minuten!). Hinter dieser erschreckend explizit dargestellten Gewalt steckt eine relativ banale Rachestory, die eine solch extreme Gewaltdarstellung nicht rechtfertigt: Vincent Cassell sucht fieberhaft den Vergewaltiger seiner Freundin Monica Bellucci und rächt sich schließlich. Das war's im Grunde auch schon. Diese Geschichte hat es so oder so ähnlich schon tausendmal gegeben, sowohl im Film als leider auch in der Realität. Warum also diese simple Story zu solch einer ekstatischen Gewaltszenerie aufbauschen?
Es drängt sich der Verdacht auf, Regisseur Noe wollte schlichtweg provozieren, ein tieferer Sinn ist in "Irreversibel" wohl nur mit viel Wohlwollen zu finden. Wenn es tatsächlich darum ginge, die These "Die Zeit zerstört alles" im Film zu untermauern, hätte man eine weitaus interessantere Personenkonstellation wählen können, ganz zu schweigen von einer vielschichtigeren Story und Protagonisten mit vielschichtigem Charakter, die im Laufe des Films auch wirklich eine Entwicklung durchmachen.
Um eine realistische Darstellung von Gewalt kann es Gapar Noe auch nicht gegangen sein, dazu wirkt die gesamte Optik des Films zu stilisiert: Man betrachte nur mal den dunkelrot ausgeleuchteten U-Bahnschacht, in dem die Vergewaltigung stattfindet. Die Farbe Rot findet sich übrigens auch als Farbe des Schriftzuges "Rectum" des Schwulenclubs zu Beginn des Films wieder. Auch diese Verbidnung von Optik und Inhalt ist relativ banal.
Trotz allem schafft Noe es, bei dem Zuschauer nicht nur ein Gefühl des Schams und des Ekels hervorzurufen, sondern auch ein Gefühl von ständiger Bedrohung, von Beunruhigung, denn eins hat "Irreversibel": Atmosphäre. Auf jeden Fall ist "Irreversibel" ein Stück kontroverses Kino, dessen Bilder sich ins Gedächtnis einbrennen und das man so schnell nicht vergisst. Vorrausgesetzt natürlich, man schaut es bis zum Schluß.