Harry Callahans „Go ahead, make my day" ist eines der auch hierzulande bekannten Originale aus der vom American Film Institute herausgegebenen Liste der 100 besten Filmzitate. Weniger populär ist indes Strother Martins („Zwei Banditen") als Gefängnisdirektor unvergesslich stockend dahingeschnarrtes „What we got here is failure to communicate". Kommunikation heißt hier: Gehorchen. Gemeint ist der Träger der schönsten Augen der Filmgeschichte: Paul Newman („Die Katze auf dem heißen Blechdach", „Der Clou") als aufmüpfiger Häftling. Regisseur Stuart Rosenberg („The Amityville Horror") sollte später noch einen Gefängnisfilm mit Newmans Freund Robert Redford drehen: „Brubaker". Dieser kommt indes nicht an die unverblümte Wucht von „Cool Hand Luke", so der Originaltitel, heran. „Der Unbeugsame" protzt mit einer Reihe erinnerungswürdiger Szenen. Nicht nur die auch nach heutigen Maßstäben beachtlich aufreizende Autowasch-Räkelei der wohlgeformten Joy Harmon ist die Wiederholung wert.
Wer als Kind Newmans Luke mit zunehmend aufgeblähtem Bauch 50 hart gekochte Eier verspeisen sah, wurde Zeuge einer jener fesselnden Filmszenen, die nicht nur den Charakter bündig auf den Punkt bringen. Darüber hinaus versuchte man, am kommenden Tag in aller Ausführlichkeit die Mitschüler an der eigenen Begeisterung teilhaben zu lassen. Nur wenige Filmrebellen haben eine ähnliche Aura verströmt. Übertroffen nur noch von Nicholsons aufrührerischem R.P. McMurphy in „Einer flog über´s Kuckucksnest", verbirgt sich hinter Newmans Lachen einer der tiefgründigsten und traurigsten Anti-Opportunisten.
Im Suff köpft der ausgezeichnete Kriegsveteran Luke Jackson (Paul Newman) Parkuhren. Für dieses marginale Vergehen bekommt der Alleingänger zwei Jahre in einem Arbeitslager. Dort gerät er schnell mit dem Platzhirsch Dragline (George Kennedy) aneinander. Erst ein Kampf mit diesem, in dem Luke, obwohl hoffnungslos unterlegen, sich weigert am Boden zu bleiben, verschafft ihm die Freundschaft Draglines und den Respekt der Mitinsassen. Seine stille Unangepasstheit macht den Häftlingen den Alltag erträglicher. Luke wird zum Anführer wider Willen. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch entspinnt sich ein brutaler Machtkampf mit den Lagerverantwortlichen. Je stärker sie ihn zu brechen versuchen, desto unnachgiebiger reagiert er. Nicht nur der Captain muss einsehen, wie richtig er mit seiner anfänglichen Einschätzung lag.
Captain: „Maliciously destroying municipal property while under the influence. What was that?"Luke: „Cutting the heads off of parking meters, Captain"Captain: „We ain't never had one of them before."
Nicht ohne Grund gehört Newmans Luke zu den einprägsamsten Charakteren der amerikanischen Filmgeschichte. Ein Mensch, für den die Welt immer zu klein und zu eng sein wird, ein widerspenstiger Geist, in dem Regeln tiefstes Unbehagen auslösen. Und selten hat jemand derart aufs Maul bekommen und doch im gleichen Atemzug diese Abreibungen so herausgefordert. Ein fast schon masochistischer Freiheitsdrang. Sein Rebellentum braucht keine soziale Bettung, seine Auflehnung gilt weder der Elterngeneration (Marlon Brando in „The Wild One"), noch einem System („Einer flog übers Kuckucksnest"), sondern dem Leben und Sein. Er funktioniert schlicht nicht in einer Gesellschaft, sondern ausschließlich nach seinen Bedingungen.
Schon in den ersten Minuten im Gefängnis wird er mit einem Schwall von Regeln sowie mit den Konsequenzen bei Zuwiderhandlung überschüttet. Das Drehbuch spitzt die Enge, die Luke zerreißt, stetig zu. Überall Gebote, Vorschriften, Anweisungen und Einschränkungen. Gleich das erste Bild des Films droht auf alarmrotem Hintergrund „VIOLATION". Später schreit ein Stopp-Schild in die Kamera und die Häftlinge müssen nicht nur bei jeder Kleinigkeit nach Erlaubnis fragen, zudem müssen Sie zur Verdeutlichung der Hierarchie an jeden ihrer Sätze ein „Boss" oder „Captain" anhängen. Ein Duktus der Demütigung. Obendrein wird Luke bei seinem ersten Fluchtversuch an einer roten Ampel festgesetzt. So entspringt die Eierwette zwangsläufig seinem Charakter: Er nimmt sie an, weil er selbst nicht glaubt, dass es möglich ist, 50 Eier in einer Stunde zu essen. Allein diese einschränkende Annahme ist ihm Anreiz zur Widerlegung.
Schwer nachvollziehbar scheint es heute, dass zunächst Telly Savalas als Luke vorgesehen war. Paul Newman gibt ihn äußerst zurückgenommen. Lange spielte der Oscarpreisträger gegen sein Aussehen an. „Der Unbeugsame" wurde zu seinem Kulminationspunkt. Looks und schauspielerisches Können amplifizieren sich gegenseitig. Ohne genau dieses unfassliche Lachen würde der Charakter nur zu leicht ins Törichte abrutschen. Von seiner Festnahme zu Filmbeginn bis zu seiner letzten Szene trägt Newman dieses schelmische Lachen, oft in situativem Trotz. In der Schlussszene wird es zum zentralen Bestandteil der Legende um ihn oder besser: seines Testaments. Kurz zuvor noch in der Rolle des Judas, der die Verfolger zu Luke lotst, scharen die Häftlinge sich jüngergleich nun um den Verkünder Dragline und lauschen den Geschichten um den Unbeugsamen.
„He was smiling. That Luke smile of his. He had it on his face right to the very end. Hell, if they didn't know it before they could tell right then that they weren't ever gonna beat him. That old Luke smile. He's a natural born world shaker."
Luke schwebt als Lichtgestalt durch das von christlicher Symbolik durchzogene Drehbuch. Nach der berühmten Eierszene liegt er wie Jesus drapiert, einen Ballonbauch über der Hose, halb bewusstlos auf einem Tisch, auf seinem Gesicht ein sachtes Lächeln. Luke als verlassener Gottessohn? Den Film über versucht er, sich Gottes zu vergewissern. Am Ende im Zwiegespräch mit dem Herrn hat er schon abgeschlossen mit dem rechten Glauben: „It's beginning to look like you got things fixed so I can't never win out." Für die Mitgefangenen ist er zur Projektionsfigur all ihrer Wünsche gewachsen. Je mehr sie ihn bewundern, desto mehr lehnt er sie ab. George Kennedys („Die nackte Kanone") oscargekröntes Großmaul Dragline, der Einzige für die größeren Gesten, wird exemplarisch vom Bully zum kleinen Buben, der mit großen Augen zu Luke aufschaut. Sie alle geraten in geistige Abhängigkeit von seiner Unabhängigkeit. In ihren Augen flieht er für sie. Nur so lässt sich die tiefe Enttäuschung deuten, als Luke, scheinbar gebrochen, zum Handlanger der Aufseher wird. Kern seines Charakters ist, stets das zu tun, was nicht von ihm erwartet wird. Das macht ihn indes auch berechenbar. Als alle ihn in wachsender Verachtung meiden, unternimmt er einen letzten Fluchtversuch. Seine Auferstehung.
Neben dem jungen Dennis Hopper („Apocalypse Now") sowie Harry Dean Stanton („Fear and Loathing in Las Vegas") stechen zwei der Nebendarsteller hervor: Strother Martin liefert eine geniale Performance, die bis heute beliebtes Anschauungsmaterial für Schauspieler bietet. Man kann seinem Charakter beim Denken zuschauen, er verschluckt Silben, seine Sprache windet sich zögernd, dazu diese stetig verwunderten Blicke. Nachdem er Luke niedergeschlagen hat, weist er fast entschuldigend auf die Zwangsläufigkeit zur Erhaltung der Disziplin hin. Alles ist pure Interaktion und nie losgelöst von den anderen Akteuren. Zurückhaltung als Drohgebärde. Ein Sadist, wie so oft behauptet, ist der Captain indes keineswegs. Aber ein Hierarchie- und Disziplinfanatiker. In lediglich einer Szene darf sich Jo Van Fleet („Der Mieter") auszeichnen. Todkrank auf der Ladefläche eines Trucks gebettet, stattet sie ihrem Sohn einen letzten Besuch ab. Schon 1955 in „Jenseits von Eden" gab sie die Mutter des Rebellen James Dean. Nicht nur exakt gespielt, sondern brillant geschrieben, unterfüttert das Zusammentreffen den Charakter des Protagonisten. Hinter dem kreisenden Dialog lugt ein typisch amerikanischer Vaterkonflikt hervor. Das Anrührende der Szene liegt im Nebeneinander von Distance und Zuneigung. Sie berühren sich nicht und Luke nennt sie mit einer Ausnahme beim Vornamen, Arletta, aber diese Szene atmet die Liebe beider zueinander und gleichzeitig ist zu spüren, dass etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen im Argen liegt. Und kurz verfällt man dem Glauben, solch Schauspiel und Dialog gebe es heute nicht mehr zu bestaunen.
Eine Reihe von Unangepassten, von Außenseitern fand Ende der 60er auf die Leinwand. Gemeinsam mit den zeitgleich erschienenen „Die Reifeprüfung" und „Bonnie and Clyde" markiert „Der Unbeugsame" den Beginn der New-Hollywood-Ära, die zwei Jahre später mit Dennis Hoppers „Easy Rider" ihren ersten Höhepunkt feierte. Anti-Helden, Sozialkritik, Realismus, Gewaltdarstellung, Unhappy Endings. Ab Mitte der Siebziger wurde die Position des Aufbegehrens still und leise zum neuen Establishment. In „Die Unbestechlichen" sind jene, die den Etablierten die Stirn bieten, nicht mehr Anti-Helden, sondern schlicht Helden. Angekommen in der neuen Mitte. Man mag viel Anti-Establishment und gesellschaftliche Relevanz in Rosenbergs Film hineinlesen. Am besten liest er sich als Teil eines größeren Ganzen. Aber definitiv ist er ein integraler Teil der Filmgeschichte.