Edler Indie-Thriller, der sich dadurch auszeichnet, nicht einer vorgegebenen dramaturgischen, stilistischen oder Genre-Konvention zu folgen, sondern der lediglich für den Regisseur Sinn ergeben muss. In Folge dessen verzichtet Femme Fatale darauf, den Thriller auf das Publikum zuzuschneiden und den verwirrten Zuschauer an der Hand durch die verzwickte Handlung zu führen. So wird der Film nach einer recht klassischen, aber sonderbar verspielten Eröffnungs-Heist-Sequenz zum richtigen Arthouse-Drama. DePalma setzt ein perfekt durchgestyltes Narrativ hinten an, wechselt in jeder Szene die erzählerische Richtung: man weiß nie, ob die nächste Szene eine folgenschwere sein wird und gleich die Handlung um einige Jahre springen wird. Oder ob die Szene zwei Minuten dauern wird oder zu einer ewigen Verfolgungssequenz oder dergleichen ausartet. All diese Unsicherheiten, die sehr unterhaltsam sind, entstehen nur dadurch, dass man früh die Kompromisslosigkeit des Autors spürt. Man sieht, dass hier Charaktere, die man trotz ihrer Unzugänglichkeit lieb gewinnt, auch sterben können - was in den meisten normalen Thrillern eher nicht der Fall ist, in denen eine im Gegenschuss gefilmte Unterhaltung, eine Actionsequenz auf die nächste folgt und die Erzählung sich gleichmäßig auf die Tage verteilt, und man als Zuschauer merkt, dass der Film nicht die Kraft hat, Konventionen die Stirn zu bieten. Stattdessen arbeitet Femme Fatale mit extremen erzählerischen Sprüngen, dann wieder ausgedehten Sequenzen, kleinen Retrospektiven (teilweise die gleiche Einstellung nochmal) etc. Die Filmtheoretiker dürften bei dem Versuch, dieses vermeintliche Durcheinander zu systematisieren, verzweifeln. Und das ist gut so: DePalmas Vision ist nicht auf Analyse, sondern auf das Gefühl fokussiert, seine Kamerabewegungen enstprengen keiner kruden Bewegungssymbolik, ebenso wie sich die Farbgebung in Hitchcock-Manier eins zu eins im Emotionen übersetzten ließe. Die Sorgfalt mit der er jedoch diese exzentrische Stilmittel kombiniert und alles melodramatisch überhöht, hat etwas Bescheidenes. Am Ende ist Femme Fatale ein Unterhaltungsfilm - viel Gewalt, erotische Spannung, Heist etc. Aber einer, dessen gesamter Stil nicht dem Lehrbuch, sondern der ersten Intuition des Regisseurs entsprungen zu sein scheint, sodass Femme Fatale trotz seiner Sperrigkeit nicht herzlos wirkt. Zu dosiert, zu ausgetüftelt sind die Split-Screens, die Zeitlupen, der aus völlig unterschiedlichen Musikrichtungen zusammengewürfelte Soundtrack, die mal an steife Hitchcocksche Romanze erinnernden, mal trashigen Szenen. Femme Fatale ist ein ungewöhnlicher Thriller, in dem die Fokussierung auf Gefühl einer Story (anstatt auf die Analyse einer Story) und die Bewunderung des Regisseurs für die filmische Form unglaublich gut funktionieren.