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    Mahowny besitzen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mahowny besitzen
    Von Carsten Baumgardt

    Philip Seymour Hoffman ist einer der begnadetsten Schauspieler im Filmgeschäft. Doch leider entspricht sein Äußeres nicht gerade der Definition eines Hollywoodstars. Und lustig ist er auch nicht, sodass er als „netter Dicker“ zum Superstar aufsteigen könnte. Deshalb glänzte das 1967 in Fairport, New York, geborene Naturtalent bisher zumeist in Nebenrollen, um dem Starpersonal in schöner Regelmäßigkeit die Schau zu stehlen. In Richard Kwietniowskis subtil-bitterem Spieler-Drama „Owning Mahowny“ darf Hoffman endlich einmal die erste Geige spielen. In der famosen One-Man-Show des Schwergewichts gerät alles andere zur Nebensache.

    Toronto, 1980: Der Banker Dan Mahowny (Philip Seymour Hoffman) ist ein stiller, fleißiger und zuverlässiger Mitarbeiter, dem seine Vorgesetzten blind vertrauen. Nachdem er befördert wird und als Fonds-Manager an die ganz großen Gelder herankommt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Mahowny, der mit Arbeitskollegin Belinda (Minnie Driver) liiert ist und gerade die neue, gemeinsame Wohnung bezogen hat, ist ein krankhafter Spieler. Er setzt auf Sportergebnisse, verbringt seine Wochenenden wahlweise auf der Pferderennbahn oder fliegt kurz runter nach Atlantic City, um dort in den Casinos zu spielen. Bei seinem Buchmacher Frank Perlin (Maury Chaykin) steht er mit 10.300 Dollar in der Kreide. Da er jeden Cent für das Wetten verbraucht, steht er vor dem Ruin. Von der Sucht getrieben, stellt er bei seiner Bank falsche Schecks aus und lässt sich das Geld auszahlen. Als er bemerkt, wie einfach das ist, werden die Summen, um die er die Bank prellt, immer größer. In Atlantic City steigt er zum Starspieler auf, der von Casinoboss Victor Foss (John Hurt) umgarnt wird, damit er das Geld bei ihm verspielt. Mahowny manövriert sich immer tiefer in den Schlamassel und nimmt seine Umwelt kaum noch aktiv war...

    „Owning Mahowny“ beruht auf einem wahren Fall, der sich zwischen 1980 und 1982 in Toronto abspielte. Der Bankangestellte Brian Molony betrog seinen Arbeitgeber innerhalb von 18 Monaten um rund zehn Millionen Dollar, die er komplett in seine Spielsucht investierte. Das war der größte Bankbetrug, den jemals ein Einzeltäter in Kanada verübt hat. Nachdem er aufflog, musste er sechs Jahre im Gefängnis absitzen. Seit seinem zwölften Lebensjahr sind nicht mehr als 72 Stunden vergangen, bis er die nächste Wette platziert hat.

    Der in Großbritannien geborene Kanadier Richard Kwietniowski verfilmte diese Geschichte als kleines, subtiles Indie-Drama, das keinen Wert auf Effekthascherei legt und stattdessen als hervorragend gespielte Charakterstudie eines krankhaften Spielers überzeugt. Das Set-Design des zehn Millionen Dollar teuren Films wirkt so trostlos wie die Figur des Dan Mahowny. Er trinkt nicht, er raucht nicht, er nimmt keine Drogen, er schickt die Gratis-Prostituierte wieder nach Hause und auch sonst will er nur eines: spielen. Wahllos setzt er auf Sportmannschaften, nur damit er überhaupt etwas laufen hat. Er spielt nicht, um zu gewinnen, sondern lediglich für den Thrill des Spielens. Wenn er gewinnt, ist dies nur weiteres Geld, das er wieder verspielen kann. Philip Seymour Hoffman („Magnolia“, „Boogie Nights“, „Almost Famos“) brilliert als Dan Mahowny mit einer eindrucksvollen, sehr subtilen Charakterleistung. Er verliert nie die Nerven oder rastet aus, wenn er verliert. Hoffman zuzuschauen, wie er seinen Dan Mahowny immer weiter an den Rand des Abgrunds bringt, ist der Ereigniswert des Films.

    Daneben verblasst alles andere. Die Nebendarsteller sind nur schmuckes Beiwerk bei Hoffmans Galavorstellung. Minnie Driver bekommt im Mauerblümchenlook kaum Gelegenheit zu glänzen. Selbst eine Schauspielgröße wie John Hurt ist als Casinobesitzer nur Zuspieler. Doch diese Einseitigkeit bügelt Hoffman locker wieder aus. Das bittere Schicksal des Dan Mahowny nimmt den Betrachter gefangen. Hilflos muss der Zuschauer mitansehen, wie der Protagonist auf die unausweichliche Katastrophe zusteuert. Im Prinzip weiß Mahowny, dass er irgendwann auffliegen wird, aber die Sucht ist viel stärker. Freunde kommen nicht an ihn heran, er wehrt alle Hilfeversuche ab. Er gesteht seine Spielsucht nicht ein, spricht lediglich immer von „finanziellen Problemen“.

    So ist der Grundton in Kwietniowskis Drama traurig, bis auf einige heitere Momente. In der bittersten Szene des Films hat Mahowny lady luck und gewinnt im Casino neun Millionen Dollar. Doch anstatt aufzuhören, spielt er weiter und weiter und weiter – bis das ganze Geld innerhalb von einer Nacht vernichtet ist. Mahowny akzeptiert sein Schicksal ohne eine Miene zu verziehen, obwohl er innerlich am Ende ist. Sein Bankbetrug betreibt er nicht aus krimineller Energie heraus, sondern aus der Sucht am Spiel und am Nervenkitzel. Das Interessante an Mahownys Charakter: Er bleibt immer der gleiche, hat keine zwei Seelen in sich, die gegeneinander ankämpfen. Nur wenn er spielt, blendet er alles andere aus. Der Spannungsbogen ist sehr schlicht, besteht im Grunde nur daraus, dass Mahowny um immer größere Summen spielt und als „Iceman“ zum stillen Star in der Casinoszene aufsteigt. Bei der Auswahl des Scores hatte Kwietniowski ein feines Händchen für Stimmungen. Wenn Mahowny, der zu Beginn des Films die Starspieler, die so genannten High Roller, beobachtet, kehrt dieses Motiv gegen Ende in einer hypnotischen Zeitlupensequenz wieder – nur dass es diesmal Mahowny ist, der unter Polizeischutz und größter Aufmerksamkeit, die er gar nicht haben will, ins Casino eskortiert wird.

    Richard Kwietniowski gelang ein intensives, mitnehmendes Indie-Drama, das berührt. „Owning Mahowny“ ist sicherlich kein perfekter Film, aber er ist perfekt, um das schauspielerische Potenzial von Philip Seymour Hoffman offensichtlich zu machen. Wenn die (Film)Welt gerecht wäre, hätte er eine Oscarnominierung bekommen. Aber die Academy ist nun mal nicht gerecht und übersah diese kleine Produktion, die in den USA bereits 2003 startete…Aber immerhin hielt sich der Film, der mit maximal 24 Kopien lief, gut fünf Monate in den US-Kinos.

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