Etwas angestaubter, aber unterhaltsamer Klassiker des Zeichentrickfilms!
Nachdem Walt Disney mit seinem Zeichentrickfilmen Anfang der 50er ein beeindruckendes Comeback feierte, wurde es in den 60ern etwas ruhiger um das Animationsstudio. Das lag später vor allem an Disneys Tod und der einhergehenden Orientierungslosigkeit, mit der die Firma später zu kämpfen hatte. Der letzte Film, an dem Disney noch mit arbeitete, war „Das Dschungelbuch“. Dessen Fertigstellung und Premiere erlebte er aber nicht mehr, denn 1966 verstarb die Animationslegende. „Das Dschungelbuch“ erschien ein Jahr später und konnte nur schwer die Lücke schließen, die seitdem bei Disney & Co entstanden war. Trotzdem war der Film ein finanzieller Erfolg, vor allem in einem Land: Deutschland. Hier gilt das Werk als ein Zeichentrick-Klassiker und auch ich wuchs mit diesem Film auf, liebte ihn und sang die Lieder unzählige Male. Doch wie gut hat sich der Film gehalten? Ist er auch heute noch, nach fast 60 Jahren, unterhaltsam und gibt die Geschichte von dem kleinen Mogli gut wieder? Ich finde schon.
Ein kleines Menschenbaby wird im Dschungel alleine aufgefunden. Der gutherzige Panther Baghira bringt das kleine Kind zu den Wölfen, die es groß ziehen. Nach zehn Jahren jedoch ist es Zeit, dass der kleine Mogli zurück zu den Menschen gebracht wird, denn der Tiger Shir Khan ist hinter Mogli her. Khan hasst Menschen und will sichergehen, dass Mogli keinen Schaden anrichten kann, wenn er mal groß wird…
Der Film von Wolfgang Reitherman (der in den 70ern praktisch für jeden großen Zeichentrickfilm des Studios als Regisseur fungierte) basiert nur recht lose auf dem Buch von Rudyard Kipling und vor allem nur auf den ersten drei Kapiteln mit Mogli. Die anderen Geschichten im Buch werden eigentlich nie verfilmt, was einerseits schade ist, andererseits aber auch ganz gut, weil besonders die Story mit den Elefantenjägern aus heutiger Sicht völlig daneben ist.
Dennoch setzt der Film die Geschichte ganz gut um, wie ich finde. Besonders die Beziehung zwischen Mogli und Balu rührt mich und ist das Herz des Films. Dagegen ist die Beziehung zwischen Mogli und den Wölfen, seiner eigentlichen Familie, nicht länger als fünf Minuten und hat keinen großen Einfluss auf die restliche Geschichte. Eins der Dinge, die das Remake von 2016 tatsächlich besser gemacht!
Der Film wird eh besser, nachdem Mogli sich mit Baghira auf den Weg zu den Menschen macht. Einige Szenen sind natürlich ikonisch, wie das Treffen mit Balu oder King Louie. Hier schafft es der Film vor allem auch sehr unterhaltsam und witzig zu sein. Großes Lob geht dabei auch an die deutsche Synchronisation, die ein Grund dafür war, warum der Film hierzulande so erfolgreich und beliebt wurde.
Die Figuren sind allesamt toll und besonders. Kaa die fiese Schlange bietet gerade in einem Zeichentrickfilm viele Möglichkeiten für spaßigen Slapstick, während Shir Khan ein selbstverliebter Bösewicht ist und wie eine Vorstufe zu Scar aus „Der König der Löwen“ wirkt. Baghira ist die strenge Stimme der Vernunft, während Balu das faule Lotterleben zelebriert. Und King Louie ist… King Louie eben. Bei seiner Figur gab es damals wie heute viel Kritik bezüglich der stereotypischen Darstellung eines Afroamerikaners. Für mich war seine Figur nie irgendwie anstößig, aber ich kann da auch nur für mich sprechen und finde es generell wichtig solche Probleme in alten Filmen aufzuarbeiten.
So witzig und prägend viele Szenen und Figuren sind, so schade ist es, dass der Film nicht immer dieses Niveau behält. Die Story ist gerade zu Beginn sehr einfallslos erzählt. Da wird von dem bösen Tiger gesprochen, man sieht ihn selbst aber erst viel später im Film. Auch die eben angesprochene Beziehung von Mogli zu seiner Wolfsfamilie ist praktisch nach den ersten fünf Minuten nicht mehr relevant. Und der Slapstick funktioniert auch nicht immer, wie zum Beispiel in der ausufernden Elefanten-Szene zu Beginn. Sehr typisch für das Disney von 1967: Man verliert sich in großen Tanz- und Gesangsnummern und vernachlässigt dabei gerne mal die große Geschichte und ihre Figurenbeziehungen.
Optisch jedoch liebe ich „Das Dschungelbuch“! Ich feiere den Look der Disney-Filme, der mit „101 Dalmatiner“ startete. Dieser etwas grobe, aber charmante und dennoch ausdrucksstarke Zeichenstil ist auch hier besonders präsent. Einige Animationen wurden übrigens schon von Filmen wie „101 Dalmatiner“ übernommen, was nicht zuletzt an zeitlichen Mitteln lag (das wurde später ja auch in Filmen wie „Robin Hood“ genutzt).
Die legendäre Filmmusik stammte wieder aus der Feder der begabten Sherman-Brothers, zusammen mit George Bruns und Terry Gilkyson. Fast alle Songs sind Knaller und haben seitdem Kultstatus erreicht. „Probier´s mal mit Gemütlichkeit“ wurde sogar für den Oscar nominiert. Und was soll ich sagen? Die Songs fetzen, vor allem „Gemütlichkeit“ und „Ich wäre so gern wie du“ sind auch heute noch wunderbare Lieder, die sofort die Füße zum rhythmischen Tippeln verführen.
Fazit: „Das Dschungelbuch“ ist aus heutiger Sicht vielleicht nicht die beste Adaption des Buches, kann aber sicherlich vor allem noch Kinderherzen begeistern. Ich als Erwachsener habe aber auch heute noch viel Spaß an Balu und seiner entspannten Lebensphilosophie und kann besonders die wunderbare Musik genießen!