Mit seinem Regie-Debüt „American Gun“ packt Regisseur Arci Avelino ein heikles Thema an: Schusswaffen in Amerika. Dabei handelt es sich scheinbar um ein dermaßen heißes Eisen, dass Avelino es vorzieht, die Fragen nach den fundamentalen politischen und philosophischen Implikationen des amerikanischen Waffenrechts gar nicht erst zu stellen. Stattdessen kratzt er lediglich an der emotionalen Oberfläche seiner Charaktere – und damit an der Geduld des Zuschauers, der sich nach rund 100 Minuten die Frage stellt, warum „American Gun“ trotz guter Schauspieler, ernster Gespräche und vieler Tränen am Ende nur wenig Eindruck hinterlässt.
Janet Huttensen (wie so oft verstörend gut: Marcia Gay Harden, Der Nebel) ist eine Frau mittleren Alters. Sie ist geschieden und arbeitet hart, um ihrem Sohn David (Chris Marquette, Unsichtbar) den Besuch einer Privatschule zu ermöglichen. Als sie gefeuert wird, ist David gezwungen, zurück an die örtliche Highschool zu wechseln. Das ist deshalb besonders heikel, weil Davids Bruder vor ziemlich genau drei Jahren an dieser Schule einen brutalen Amoklauf durchzog. Zu allem Überfluss entscheidet sich Janet angesichts der prekären finanziellen Situation dazu, ein Fernseh-Interview zu geben. In dessen Verlauf wird sie mit ihrer Rolle als Mutter und einer vermeintlichen Mitschuld am Amoklauf ihres Sohnes konfrontiert…
Zur gleichen Zeit versucht der Direktor einer Schule (Forest Whitaker, Der letzte König von Schottland), an der Waffen und Gewalt auf der Tagesordnung stehen, seinem Schüler Marcus (Chris Warren Jr., High School Musical 3) mit offenen Ohren und Respekt entgegenzutreten. Er will ihm so Alternativen zur Gewalt aufzeigen. Eine frustrierende Aufgabe angesichts von Metalldetektoren und einem sozialen Umfeld, in dem man als „nackt“ gilt, wenn statt der 45er Schulbücher den Rucksack füllen - und man, wie Marcus, nachts an einer Tankstelle arbeitet… Nur ein paar Kilometer weiter schuftet Mary Ann Wilk (beeindruckend: Linda Cardellini, Scooby Doo) im Waffenladen ihres Opas Carl (Donald Sutherland, Space Cowboys). Nicht weil sie Waffen liebt, sondern weil es in ihrer Familie Tradition ist. Nach einem dramatischen Zwischenfall, bei der ihre beste Freundin beinahe vergewaltigt und sie selbst leicht verletzt wird, beschließt Mary, doch Schießunterricht zu nehmen…
Die verschiedenen Erzählstränge stellt Drehbuchautor Steven Bagatourian in „American Gun“ nebeneinander, ohne sie konkret in Verbindung zu bringen. Das wäre nicht so schlimm, hätte man nicht ständig das Gefühl, dass die Geschichten irgendwie irgendwann doch einmal zu einem wie auch immer gearteten Punkt kommen müssten. Doch statt Handlung zu präsentieren, zieht sich Bagatourian auf dialogische Aufarbeitung zurück. Dabei ist er sich auch nicht zu schade, ebenso langweilige wie simple Metaphern in das Geschehen einzuflechten. Exemplarisch dafür ist eine Szene, in der Carter vergeblich versucht, den dunklen Fleck auf einer Deckenplatte seines Büros zu entfernen, der sich beharrlich weigert, zu verschwinden. Traurigerweise belässt man es hier nicht bei dem Bild, sondern lässt Whitakers Charakter das Geschehen auch noch lähmend ausführlich kommentieren.
Verstärkt wird dieser Eindruck fehlender Tiefenschärfe durch eine Bildgestaltung (Nancy Schreiber), die artifiziell und oberflächlich zugleich ist: Die Erzählstränge sind unterschiedlich koloriert und teilweise ein wenig entsättigt. Wenn man dann trotzdem mal nicht weiter weiß, wird schnell ein kleiner Jump-Cut gestreut, wodurch alles gleich viel authentischer wirkt. Leider geht dieses einfache Rezept nur dann auf, wenn die Schnitte technisch und inhaltlich einwandfrei sind und nicht nur Regie- oder Schauspielfehler verdecken. Außerdem setzt eine farblich getrennte Erzählebene auch eine inhaltliche Trennung voraus; und die inhaltliche Trennung setzt wiederum die konzeptionelle Eindeutigkeit der Handlungsstränge voraus. Zumindest, wenn die Inszenierung Sinn machen und nicht einfach bloß ein beliebiger Regiekniff sein soll. Diese Voraussetzungen erfüllt „American Gun“ weitgehend leider nicht.
Auch das schauspielerisch durchaus überzeugende Ensemble schafft es nicht, gegen ein Drehbuch anzukämpfen, das sich zwar in seiner eigenen Ernsthaftigkeit suhlt, aber dennoch nicht den Mut aufbringt, dem brisanten Thema mehr abzuringen, als die Einsicht, dass Waffen schlecht für die Gesundheit sind und nichts als Leid und Tod bringen. Diese Aussagen sind zwar per se weder falsch noch schlecht, nur sind sie genauso wenig besonders originell, kontrovers oder wenigstens packend.