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    Der Clou
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Der Clou
    Von Ulrich Behrens

    Am 20.12.2002 starb Georg Roy Hill im Alter von 81 Jahren an den Auswirkungen der Parkinson-Krankheit an seinem Geburtstag. Zu seinem Werk gehören neben „Der Clou“ Filme wie „Tollkühne Flieger“ (1975) und „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ (1969). „The Sting“ („Der Clou“), dieser Klassiker zwischen Krimi und Komödie, gehört schon allein deshalb zu meinen Favoriten, weil es einer der ersten Kinofilme war, von denen ich (im zarten Alter von 18) begeistert war und bestimmt viermal gesehen habe – im Abstand von etlichen Jahren. Allerdings muss ich eingestehen, dass „Der Clou“ beim zweiten, dritten ... Sehen natürlich an Spannung etwas verliert, weil der Film vor allem von Überraschungen und Wendungen lebt. „The Sting“ bewirkte in den 70er Jahren, dass Ragtime-Musik für eine gewisse Zeit jedenfalls „modern“ wurde: Marvin Hamlishs Bearbeitung der Musik (Ragtime) von Scott Joplin initiierte diese kurzfristige Modeerscheinung.

    Chicago 1936. Die Wirtschaftskrise produziert auch ein Ansteigen von Kriminalität, Korruption und Spekulation. Doyle Lonnegan (Robert Shaw) gehört zu den Nutznießern der Krise. Er bewegt sich zwischen legalen Geschäften, illegalem Glücksspiel und Bestechung. Etliche Polizisten und Politiker hat er geschmiert. Als einer seiner Untergebenen, Mattola (James Sloyan), 11.000 Dollar – in dieser Zeit ein kleines Vermögen – von einem Wettbüro in die Zentrale Lonnegans bringen will, wird er von dem Trickbetrüger Johnny Hooker (Robert Redford) und seinem Partner Luther Coleman (Robert Earl Jones) ordentlich übers Ohr gehauen. Beide verschwinden mit den 11.000 Dollar, bevor Mattola dies bemerkt. Allerdings wussten Hooker und Luther nicht, wen sie da letztendlich betrogen haben: Lonnegan.

    Lonnegan lässt sich so etwas nicht gefallen und weist seinen Leibwächter Floyd (Charles Dierkop) an, die beiden Betrüger ausfindig zu machen. Der lässt Luther ermorden. Hooker ist auf der Flucht. Seinen Anteil an dem Geld hat er fast vollständig verspielt. Zudem ist ihm der korrupte Polizist Lieutenant Snyder (Charles Durning) auf den Fersen, den er vorübergehend mit Falschgeld los wird. Hooker folgt einem Rat, den ihm Luther kurz vor seinem Tod gegeben hatte, und macht sich auf zu Henry Gondorff (Paul Newman), einem Falschspieler, der mit Billie (Eileen Brennan) zusammenlebt, die ein Kinderkarussell betreibt. Hooker will sich an Lonnegan rächen und überredet Gondorff, ihm dabei zu helfen. Der allerdings weiß, wie schwierig das sein wird. Denn Lonnegan ist ein mächtiger, einflussreicher Spitzenganove. Und dann entsteht ein Plan, der gewährleisten soll, dass Lonnegan sowohl um etliche Dollar erleichtert wird, als auch nichts davon bemerken soll, dass er betrogen worden ist. Der Köder wird gelegt: In einem Zug will Gondorff zunächst Lonnegan im Glücksspiel übers Ohr hauen ... Mehr zu verraten, wäre zu viel.

    „Der Clou“ ist heute ein wenig in Vergessenheit geraten, zu Unrecht. Denn der Film verschafft auch eine Art Rückblick auf die „goldenen“ 30er Jahre Hollywoods, auf die Komödien und Dramen, Musikfilme und Krimis einer aufstrebenden Filmwirtschaft im Zeichen der Wirtschaftskrise. Nicht umsonst wurde „Der Clou“ mit sieben verdienten Oscars für Ausstattung, Drehbuch, Kostüme, Musikbearbeitung, Regie, Schnitt und als bester Film 1973 ausgezeichnet. Der Film ist sowohl in den Haupt- wie in den Nebenrollen exzellent besetzt. Zur Crew Gondorffs und Hookers gehören z.B. Ray Walston als J. J. Singleton und John Heffernan als Kid Twist, und neben ihnen spielen Dimitra Arliss als zwielichtige Loretta und Dana Elcar als Polk hervorragende Parts. Henry Bumstead (Bauten und Dekoration), James W. Payne (Bühnenbild) und Edith Head (Kostüme) zauberten im wahrsten Sinn des Wortes die Atmosphäre der 30er Jahre in seinem Set, das sich sehen lässt. Das Chicago der 30er Jahre wirkt so hautnah, wie ich es selten in einem anderen Film gesehen habe.

    Hinzu kommt ein Skript, das in sich logisch und ausgefuchst zugleich ist. Die Geschichte lebt von den vielen Wendungen und Überraschungen, die den Betrug an Lonnegan zu einer extrem spannenden, kurzweiligen und unterhaltsamen, nichtsdestotrotz humorvollen Geschichte werden lassen. Der Showdown ist wirklich der Höhepunkt dieses Films, nachdem man sich nur noch erstaunt zurücklehnen und Beifall klatschen kann. Der Betrogene am Schluss ist nicht nur Lonnegan, sondern auch der Zuschauer (der allerdings nicht um etliche Dollar erleichtert wird). Nicht verschweigen darf man, dass Marvin Hamlishs Bearbeitung der alten Ragtime-Musik Scott Joplins der Atmosphäre, die der Film zaubert, den letzten Schliff gibt. Die Titelmelodie gehörte jahrelang zu den meist gehörten Hits der 70er Jahre.

    Der Clou bei „The Sting“ ist sicherlich auch der Sieg kleiner Gauner über einen skrupellosen, machtbesessenen Nutznießer der Wirtschaftskrise. Hill und Ward zeichnen dadurch das Bild einer Gesellschaft, in der es noch Zeichen von Hoffnung gibt. Das geschieht erstaunlicherweise nicht über das heute so moderne Gebet des amerikanischen Individualismus (das alte Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Klischee). Die vereinten intelligenten Kräfte freundschaftlich verbundener Klein-Ganoven siegen über einen gewissenlosen Individualismus, dessen Protagonist (Lonnegan) über Leichen geht. Hooker will Mord nicht mit Mord vergelten. Er sagt Gondorff: „I don’t know enough about killing to kill.“ In Wahrheit ist er eben kein Mörder, sondern nur ein Trickbetrüger. Newman und Redford – zwei hoch dotierte Schauspieler Mitte der 70er Jahre – geben diese Charaktere überzeugend wieder. Zwei Männer, die keine Chance sehen, durch einen bürgerlichen Beruf in der Wirtschaftskrise ihre Existenz zu sichern, aber auch keine alten Ladys ausrauben, sondern denen wegnehmen, die den großen Reibach machen. Hill stilisiert sie nicht zu Helden, er zeigt lediglich ein Stück Realität. „The Sting“ ist und bleibt einer meiner Favorites, ein Gaunerstück der besonderen Art.

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