Die aussichtslose Flucht vor dem Licht!
Mit „Memento“ hatte Christopher Nolan in Hollywood für Aufmerksamkeit gesorgt. Zwei Jahre später (2002) blieb er bei dem dichten Thriller-Genre mit der Neuverfilmung des norwegischen Werkes „Todesschlaf“ von 1997. Hier stand Nolan noch am Anfang seiner Karriere, doch seine Qualität war bereits hier sehr gut zu erkennen. Und das nicht nur in „Memento“, sondern eben auch in „Insomnia“! Obwohl er für diesen Film nicht das Drehbuch schreiben konnte (tatsächlich der einzige Film in seiner Vita, bei dem er nicht am Drehbuch beteiligt war), so durfte er dennoch die Regie übernehmen und lieferte einen facettenreichen und äußerst spannenden Thriller ab, der im Gegensatz zum Original offenbar mehr Vielschichtigkeit der Hauptfigur zulässt.
Im abgelegenen Dorf Nightmute in Alaska wird ein 17-jähriges Mädchen ermordet auf einer Müllkippe gefunden. Für diesen Fall wird der berühmte Polizist und Ermittler Will Dormer aus L.A. gerufen. Doch bei der Verfolgung des Täters kommt es zu einem tödlichen Unfall mit Dormers Kollegen…
Je weniger man über den Film weiß, desto besser. Dabei ist dieser Krimi-Thriller nicht darauf aus zu ermitteln, wer der Mörder ist. Es geht vielmehr um das unglückliche Ereignis während der Ermittlung und was es mit Dormer macht. Nolan schafft im Laufe des Films einen wirklich fesselnden und nachvollziehbaren Konflikt. Was für ein Opfer muss oder kann man bringen, wenn es um die Verurteilung von Kriminellen geht? „Insomnia“ gibt dieser Frage erstaunlich viel Substanz und verführt den Zuschauer selbst dazu in diesen düsteren Strudel abzutauchen. Das geschieht vor allem durch die beiden Hauptfiguren Dormer und Walter Finch, gespielt von Robin Williams: Zwei Figuren, die einerseits extrem unterschiedlich sind, aber nun eine tragische Verbindung haben. Und diese Dynamik macht den Film wirklich herausragend an manchen Stellen!
Gleichzeitig tappt der Film in einige Klischees, die für mich leider nicht ganz funktioniert haben. So sind zum Beispiel einige Dialoge für mich etwas zu künstlich („Du bist ein guter Cop, ein verdammter Held!“), was nicht hätte sein müssen.
Kompensiert werden diese Momente von wirklich tollen Darsteller*innen. Al Pacino als Dormer ist stark und überzeugt vor allem durch sein erschöpftes und zwiegespaltenes Spiel. Robin Williams ist beeindruckend als dubioser Walter und Nolan beweist wieder mal, was für ein gutes Händchen er mit Bösewichten hat (was er sechs Jahre später dann besonders mit „The Dark Knight“ zementierte). Ich finde es immer wieder toll Williams in solchen Rollen zu sehen, die haben ihm einfach am besten gestanden!
Auch Hilary Swank und der Rest des Casts liefern ab, hier gibt es nichts zu meckern.
Auch optisch ist „Insomnia“ wirklich stark. Die wundervollen und dennoch kühlen Landschaftsaufnahmen von Alaska sind perfekt für das Setting. Vor allem aber gefällt mir das visuelle Spiel mit Licht und Dunkelheit, vor allem da „Insomnia“ einer der wenigen Thriller ist, die nur im Hellen spielen und das finde ich großartig. Auch das Thema der Schlaflosigkeit (wie der Titel des Films ja bereits verrät) spielt eine wichtige Rolle. Ich erkenne hier eindeutige Parallelen zu Denis Villeneuves „Prisoners“ von 2013, aber auch David Finchers „Sieben“ (1995) lässt stellenweise grüßen.
Auch der Score von David Julyan (er vertonte auch die beiden vorherigen Nolan-Filme) ist dicht und passt gut zum sphärischen Thriller.
Fazit: „Insomnia“ ist einer der interessantesten Nolan-Filme, auch wenn er seine Ecken und Kanten hat. Doch gerade in der zweiten Hälfte entfaltet der Film eine Spannung, die mich gefesselt hat. Noch dazu der mitreißende Konflikt, der einen auch nach dem Film verfolgen wird, die großartigen Darsteller*innen und die Optik, all das macht den Film zu etwas Besonderem. Genre-Fans sind hier gut aufgehoben!