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    Grand Canyon - Im Herzen der Stadt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Grand Canyon - Im Herzen der Stadt
    Von René Malgo

    Los Angeles, die Stadt der Engel, sie scheint Filmemacher immer wieder zu Höchstleistungen zu animieren. Seien es nun Michael Manns Ausnahmethriller Heat, Steve Martins wunderbar märchenhafte Tragikomödie L.A. Story, Curtis Hansons genialer Neo-Noir L.A. Confidential oder jüngst Paul Haggis’ Episodendrama L.A. Crash. Sie alle erzählen Geschichten von und in Los Angeles und das auf höchstem Niveau. Lawrence Kasdans „Grand Canyon“ aus dem Jahre 1991 schließt sich dieser Reihe renommierter Filme nahtlos an.

    „Eine Geschichte über Freundschaft und andere Naturwunder.“

    Mack (Kevin Kline) ist Rechtsanwalt. Er ist verheiratet mit Claire (Mary McDonnell). Ihre leblose Ehe köchelt auf Sparflamme. Die Liebe zu ihrem Sohn Roberto (Jeremy Sisto) garantiert die Balance. Mack lernt Simon (Danny Glover) kennen, als dieser ihn aus einer misslichen Lage rettet. Mack ist befreundet mit Filmproduzent Davis (Steve Martin). Als er angeschossen und ausgeraubt wird, beginnt Davis den Sinn seiner Gewaltfilme zu hinterfragen. Sehr zur Freude von Claire. Claire findet ein ausgesetztes Baby und darin einen neuen Sinn ihres Lebens. Mack gefällt dies nicht. Er freundet sich langsam mit Simon an. Mack hat eine Affäre mit seiner Sekretärin Dee (Mary-Louise Parker). Dee hat eine Kollegin namens Jane (Alfre Woodard). Mack versucht sie mit Simon zu verkuppeln. Es kommt zu Veränderungen in den Leben dieser verschiedenen Menschen. Und hier und da geschieht sogar ein kleines Wunder…

    Autos von Lexus haben einen sehr guten Ruf. Doch ausgerechnet mit solch einem vermeintlich sicheren Wagen bleibt der reiche Mack in einem der Vorstadt-Ghetto von L.A. stehen. Schwarze Gangstas lassen nicht lange auf sich warten. Zum Glück taucht Simon gerade noch rechtzeitig als Retter in der Not auf. Damit fängt die Geschichte über unterschiedliche Schicksale in L.A. an. Die verschiedenen Storys, die in „Grand Canyon“ erzählt werden, überlappen oder laufen nebeneinander her, haben eine Verbindung, manchmal, aber nicht immer. In Simon (schwarz und arm) und Mack (weiß und reich) treffen zwei verschiedene Welten aufeinander. Sie kommen sich freundschaftlich näher und sind bereit, die gesellschaftlichen Grenzen zu ignorieren, respektive zu überwinden. Warum ein Film über das Großstadtleben in L.A. ausgerechnet „Grand Canyon“ heißt, zeigt sich am Ende.

    Simon (Danny Glover): „You ever been to the Grand Canyon? Its pretty, but thats not the thing of it. You can sit on the edge of that big ol' thing and those rocks... the cliffs and rocks are so old... it took so long for that thing to get like that... and it ain't done either! It happens right there while your watching it. Its happening right now as we are sitting here in this ugly town. When you sit on the edge of that thing, you realize what a joke we people really are... what big heads we have thinking that what we do is gonna matter all that much... thinking that our time here means didly to those rocks. Just a split second we have been here, the whole lot of us. That's a piece of time so small to even get a name. Those rocks are laughing at me right now, me and my worries... Yeah, its real humorous, that Grand Canyon. Its laughing at me right now. You know what I felt like? I felt like a gnat that lands on the ass of a cow chewing his cud on the side of the road that you drive by doing 70 mph..“

    Es ist kein Zufall, dass „Grand Canyon“ bei den Golden Globes, der Writers Guild of Amerika und den Oscars jeweils für das beste Drehbuch nominiert wurde. Das durchdachte Skript ist der große Trumpf des Films. So genannte Episodendramen (und das ist „Grand Canyon“) brauchen ganz besonders ein gutes Skript und gute Darsteller, sonst funktionieren sie nicht. Das Drehbuch von „Grand Canyon“ ist außerordentlich gut. Die Dialoge vermitteln Tiefgang und Humor. Das Bild, das der Film von unserer Gesellschaft zeichnet, ist realistisch, manchmal düster und am Ende doch hoffnungsfroh. „Grand Canyon“ spricht Missstände an, verliert aber seine Wärme nicht. Auch wenn halbwegs große Themen wie Gewalt, Gefühlskälte, Rassismus oder Einsamkeit besprochen werden, bleibt das Episodendrama eher persönlich und hält sich an das Leben der Protagonisten Mack (Kline), Simon (Glover), Claire (McDonnell), Dee (Parker) und Davis (Martin). Den dunklen Seiten des Lebens setzt „Grand Canyon“ Hoffnung, Freundschaft und (neu- oder wiederentdeckte) Liebe entgegen. Das Drehbuch der Eheleute Kasdan deckt viele Facetten ab. Schade, dass es nur bei den besagten Preisnominierungen geblieben ist.

    In weiteren Kategorien hat „Grand Canyon“ sowohl bei den Golden Globes, als auch bei den Oscars keine Berücksichtigung gefunden. Dafür gab es 1992 in Berlin den Goldenen Bären der Berlinale. Warum der Film bei den vielen US-Preisjurys keinen größeren Anklang gefunden hat, bleibt ein Mysterium. Denn das anspruchsvolle, nachdenklich stimmende Drama hat alles, was einen außergewöhnlichen Film ausmacht. Diesen anderen, wichtigen Punkt für ein gelungenes Episodendrama erfüllt „Grand Canyon“ nämlich auch: Die Darsteller agieren großartig. Sie alle bringen Leben in die sorgfältig gezeichneten Charaktere und Geschichte. Auch wenn die meisten aus Verhältnisse stammen, die wir Westeuropäer nicht zwingend kennen, erscheinen sie uns doch lebensnah. Der Film dreht sich um die Rollen von Kevin Kline und Mary McDonnell als auseinandergelebtes Ehepaar und Danny Glover als neu gewonnener Freund. Die Rolle von Steve Martin ist nicht ganz so groß, dafür aber sind seine Auftritte als Filmproduzent umso markanter. Mit diesen Leuten kann sich das Publikum identifizieren, nicht zuletzt dank eben ihren exzellenten, vielschichtigen Schauspielleistungen.

    Lawrence Kasdans Regiekunst muss sich hinter seinen Schreibfertigkeiten (und denen seiner Frau) nicht verstecken. Kameramann Owen Roizman („Wyatt Earp“, Network, French Connection) bringt L.A. in ausgesprochen ansprechende Bilder auf Zelluloid. Kasdans sichere Hand tut ihr übriges dazu, um die richtige Stimmung zu erzeugen. „Grand Canyon“ schaut edel aus und braucht sich vor den ganz Großen Hollywoods nicht zu verstecken. Gleiches gilt für James Newton Howards (Batman Begins, The Village) wunderbaren Soundtrack. Formal und inhaltlich entspricht „Grand Canyon“ allen hohen Ansprüchen, die der Zuschauer an ein Drama über das Leben und ihren Sinn stellen kann. Es lohnt sich, diesen typischen 90er-Jahre-Film im neuen Jahrtausend wiederzuentdecken. „Grand Canyon“ ist eine Filmperle, die an dieser Stelle jedem Freund anspruchsvoller Unterhaltung ans Herz gelegt sei.

    Davis (Steve Martin): „That's part of your problem: you haven't seen enough movies. All of life's riddles are answered in the movies.“

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