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    Horizon 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Horizon 2

    Der Traum vom ultimativen Western geht weiter – wenn auch ein wenig stotternd

    Von Christoph Petersen

    „Der wohl effektivste Appetithappen der Kinogeschichte!“ Seit ich meine begeisterte Kritik zu „Horizon“ Mitte Mai mit diesem Fazit beschlossen habe, ist eine Menge passiert. Auch ich wurde vom verhaltenen Presseecho nach der Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Cannes überrascht. Viele Kolleg*innen empfanden die vielen parallel erzählten Handlungsstränge des dreistündigen Western-Epos als zu seriell. Anschließend floppte der Film an den US-Kassen so hart, dass sogar der Kinostart der ersten von drei geplanten Fortsetzungen vorerst auf Eis gelegt wurde.

    Stattdessen sollte „Horizon“ zunächst einmal im Streaming seine Fans finden, die dann hoffentlich für die Folgeteile auch Kinotickets lösen. Und so gab es auch gute Nachrichten: „Horizon“ erwies sich im VoD-Angebot als überzeugender Nummer-eins-Hit, bevor er wenig später im Abo des US-Streaming-Services Max sogar noch ein viel größeres Publikum erreichte. Außerdem erhielt ich nach dem deutschen Kinostart von „Horizon“ so zahlreich persönliche Nachrichten wie selten, in denen sich Leser*innen für die Kritik bedankten und ebenfalls nicht nachvollziehen konnten, warum der Auftakt vielerorts so schwach bewertet wurde.

    Zumindest "Horizon 2" war nie in Gefahr

    Kevin Costner hat mehr als 35 Jahre lang nie aufgegeben, für sein Traumprojekt zu kämpfen. Sogar kolportierte 38 Millionen aus seinem privaten Vermögen hat er investiert, um mit der Realisierung des geplanten Vierteilers mit einer Gesamtlaufzeit von zwölf Stunden starten zu können. Aber selbst wenn der Regisseur, Autor und Hauptdarsteller seinen Traum vom ultimativen Western offensichtlich mit der unbändigen Kraft einer kreativen Naturgewalt vorantreibt, steht die Vollendung nach diesen Rückschlägen – trotz seiner erst kürzlich wiederholten Beteuerungen, unbedingt weitermachen zu wollen – natürlich auf der Kippe.

    Nur „Horizon 2“ war nie in Gefahr, schließlich wurde die Fortsetzung bereits im Sommer 2023 abgedreht. Das Problem ist nur: Während Fans des Vorgängers sich mit Sicherheit auch die nächsten 190 Minuten der Mammut-Saga sehr gern ansehen werden, um zu erfahren, wie es wohl mit all den eingeführten Charakteren sowie der titelgebenden Luftschloss-Stadt weitergeht, dürfte es schwerfallen, bisherige Verächter davon zu überzeugen, jetzt doch noch mit auf den Wagen aufzuspringen. „Horizon 2“ leidet nämlich unter dem klassischen Mittlerer-Film-Syndrom: Nach einem spannenden Auftakt muss vieles für das große Finale vorbereitet werden. Das Resultat ist oft ein Film, der nur den Plot vorantreibt, ohne jedoch noch Raum zu haben, die spektakulären Höhepunkte zu liefern, die sich Fans erhoffen.

    Tobis / Warner Bros
    Jetzt liegt es an Kevin Costner, ob er seinen Traum mit „Horizon 3“ und „Horizon 4“ weiter gegen alle Widerstände durchzieht.

    Nachdem er die Sexarbeiterin Marrigold (Abbey Lee) – vermeintlich – in Sicherheit gebracht hat, heuert Hayes Ellison (Kevin Costner) als Aufpasser in einer Umschlagstation für Pferde an. Hier nimmt er den jungen Andres (Michael Provost), der sich bislang nur mit spontanen Boxkämpfen über Wasser halten konnte, unter seine Fittiche. Obwohl sich zwischen ihr und Oberleutnant Gephardt (Sam Worthington) eigentlich eine vorsichtige Liebesgeschichte angedeutet hatte, kehrt Frances Kittredge (Sienna Miller) mit ihrer Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail) nach Horizon zurück, um das niedergebrannte Familienheim wieder aufzubauen. Dabei sind ihr vor allem die chinesischen Siedler*innen mit ihren dampfbetriebenen Sägewerk-Maschinen eine große Hilfe.

    Der von Matthew Van Weyden (Luke Wilson) angeführte Siedler-Treck kommt seinem Ziel langsam näher. Aber Juliette Chesney (Ella Hunt) muss bis dahin unfassbare Qualen erleiden: Seit Sig (Douglas Smith) und Burke (Roger Ivens) ihren Ehemann ermordet haben, wird sie von den ungehobelten Schlägertypen quasi rund um die Uhr gedemütigt und sexuell missbraucht. Zwar bekommen das ihre Mitreisenden durchaus mit, aber alle sind viel zu ängstlich und mit sich selbst beschäftigt, um sich einzumischen. Nur die hemdsärmelige Diamond (Isabelle Fuhrman) fasst sich schließlich ein Herz, etwas zu unternehmen…

    Noch epischer als gedacht

    Giovanni Ribisi wurde im Abspann des ersten Teils bereits an dritter Stelle genannt, obwohl er erst ganz am Ende im etwa zehnminütigen Ausblick auf „Horizon 2“ auftaucht. Wobei „Ausblick“ sowieso nicht das richtige Wort ist, denn wie wir nun feststellen, kommen viele der dort angedeuteten Szenen in der Fortsetzung gar nicht vor. So auch die Auftritte von Ribisi, von dem zwar gleich in der ersten Szene enthüllt wird, dass seine Figur Pickering tatsächlich hinter den irreführenden Horizon-Flugblättern steckt, der dann aber bis zur Vorschau auf „Horizon 3“ auch diesmal wieder keine Rolle spielt. Sowieso ist die „Horizon“-Saga offenbar noch viel größer, als man es selbst nach dem ersten Film erwartet hätte.

    Natürlich haben wir alle damit gerechnet, dass Sam Worthington als Trent Gephart in „Horizon 2“ wieder eine zentrale Rolle spielen wird – allein schon wegen seiner angedeuteten Romanze zu Frances Kittredge. Aber stattdessen lässt er sich in den ersten fünf Minuten in ein anderes Fort versetzten und ist anschließend den ganzen Film nicht mehr zu sehen. Stattdessen gibt es auch diesmal wieder eine Vielzahl neuer Figuren, von denen ein Großteil am Ende auch schon wieder Geschichte sind – und in der Vorschau auf Teil 3 gibt es nicht nur ganz besonders spektakuläre Schauplätze und Konflikte zu bestaunen, sondern auch noch einen oscarnominierten „Spider-Man“-Bösewicht, von dem wir noch nicht mal wissen, was für eine Rolle er eigentlich spielen wird.

    Tobis / Warner Bros.
    Matthew Van Weyden (Luke Wilson) muss harte Entscheidungen fällen, um den Treck sicher ans Ziel zu bringen.

    Kurz gesagt: Die Amerikanische Saga wird in „Horizon 2“ noch epischer – zumindest wenn man wie ich zum Teil des Publikums gehört, der konstant mitfiebert. Wer schon mit dem Vorgänger wenig anfangen konnte, wird es eher als „noch aufgeblasener“ bezeichnen. Wobei sich der Vorwurf des „seriellen Erzählens“ diesmal tatsächlich nur noch schwer vom Tisch wischen lässt: „Horizon 2“ springt nun noch häufiger zwischen den verschiedenen Handlungssträngen hin und her, wodurch es manchmal schwerfällt, emotional voll in die einzelnen Schicksale einzutauchen. Wo der erste Teil noch längere, zusammenhängende Erzählabschnitte bot, wirkt der zweite Teil fragmentierter.

    Das heißt übrigens nicht, dass nicht auch diesmal wieder eine Menge spannender Themen angeschnitten würden, ganz im Gegenteil: Die Interaktion mit den technisch fortschrittlicheren chinesischen Immigrant*innen ist ähnlich faszinierend wie das kaum aufzulösende Dilemma, als der Treck auf einen mysteriösen Fremden trifft, der behauptet, dass ihre verwendete Karte falsch sei und sie auf ihrem eingeschlagenen Weg gerade dem sicheren Tod entgegenfahren. Auch die Miniatur einer Wegguck- und Wegduck-Gesellschaft, die mit den grausamen Geschehnissen im Treck entworfen wird, entwickelt einen schmerzhaften Punch.

    Was ist mehr?

    Aber es stellt sich eben schon die Frage, ob mehr wirklich mehr ist. Oder ob nicht doch die alte Redensart vom „Weniger ist mehr“ auch hier ihre Berechtigung hätte. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Episode rund um Costners Hayes: Zu Beginn taucht er an einem neuen Ort auf, lernt viele neue Figuren kennen, die dann am Ende aber für die weiteren Teile eher keine Rolle mehr spielen werden (dafür sorgt schon das Duell, in dem Hayes in bester Wyatt-Earp-Manier einem halben Saloon gegenübersteht). Das ist für sich genommen alles toll genug, aber am Ende wirkt es zugleich auch, als sei Hayes diesmal für drei Stunden zwischengeparkt worden, um dann in „Horizon 3“ die wirklich aufregenden Abenteuer zu erleben.

    Und Mann, oh Mann... Wie sehr freue ich mich nach dem spektakulären Ausblick der finalen Minuten jetzt gerade auf „Horizon 3“. Und wie sehr ärgere ich mich, dass es diesmal nicht nur elf Wochen, sondern mindestens ein Jahr bis zum Kinostart des nächsten Teils dauern wird. Aber selbst ich frage mich, ob es nicht besser gewesen wäre, von diesem angekündigten Feuerwerk schon ein wenig mehr bereits in „Horizon 2“ zu zünden?

    Fazit: „Horizon 2“ treibt die parallelen Handlungsfäden beständig voran, führt sogar einige zusammen, aber die echten Höhepunkte warten vor allem in den letzten zehn Minuten, wenn es wie im Vorgänger wieder eine ausführliche Vorschau auf den nächsten Teil gibt. Für uns, die wir weiter daran glauben, dass Kevin Costner hier an etwas ganz Großem (und Großartigem) dran ist, beginnt damit das Bangen und Daumendrücken! Hoffentlich ist seine fast 40 Jahre lang gereifte Vision stark genug, um sie trotz der Rückschläge bis zum Ende durchzuziehen. Geht man allein nach dem, was er auch dieses Mal wieder in epischen 190 Minuten auf die Leinwand wuchtet, spricht zum Glück vieles dafür.

    Wir haben „Horizon 2“ beim Filmfestival Venedig gesehen, wo er auch seine Weltpremiere gefeiert hat.

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