Kuschelkomödie nach erprobtem Rezept
Von Gaby Sikorski„Zwergschulen“ wurden früher die Miniaturausgaben von Schulen genannt, in denen sämtliche Grundschulkinder aller Jahrgänge gemeinsam unterrichtet wurden. Bis weit in die 1960er Jahre waren diese offiziell „Einklassenschulen“ genannten Einrichtungen in den ländlichen Gebieten Deutschlands sehr verbreitet – jedes Dörfchen hatte seine eigene Schule. Heute gibt es solche Mini-Schulen nur noch vereinzelt in abgelegenen, schwer erreichbaren Regionen oder kleinen Inseln. Trotzdem üben eine gewisse Faszination aus, was sich auch daran zeigt, dass sie immer mal wieder in Filmen thematisiert werden. Nachdem sich die französische Komödie „Es sind die kleinen Dinge“ kürzlich um die Mini-Schule in einem verschlafenen Bretagne-Dörfchen drehte, führt uns „Willkommen in den Bergen“ nun nach Italien, mitten in den wunderschönen Abruzzen-Nationalpark, in das winzige Bergdorf Rupe.
Hier herrscht tiefer Winter, der Schnee liegt meterhoch, und schon die Anfahrt wird für den neuen Lehrer Michele (Antonio Albanese) zur Herausforderung. Er hat, genervt vom Desinteresse seiner römischen Schul-Kids, nach 35 Jahren im Schuldienst einen erfolgreichen Versetzungsantrag gestellt und freut sich schon auf die Arbeit mit motivierten Kindern. Aber die weitgehend unberührte Natur der Bergwelt stellt sich schnell als feindlich heraus: Michele bleibt, umgeben von heulenden Wölfen, mit seinem Stadtauto im Schnee stecken. Seine Chefin, die Schuldirektorin Agnese (Virginia Raffaele), muss ihn retten. Sie kennt das schon, offenbar ist Michele nicht der erste Lehrer, der mit schlechten Reifen und unpassender Garderobe im Winter in die Berge kommt.
Die meisten seiner Vorgänger*innen blieben nur kurze Zeit, und auch bei Michele sieht es so aus, als ob er nicht lange durchhalten wird. Aber der römische Neuankömmling passt sich an – an das karge Leben auf dem Berg ebenso wie an die Gewohnheiten der weitgehend knorrigen Bevölkerung, wobei er von den Kindern mächtig unterstützt wird, nicht nur beim Ofenanzünden. Als die Schule geschlossen werden soll, fasst Michele gemeinsam mit Agnese einen irrwitzigen Plan, um sie doch noch im Dorf zu erhalten…
Liebenswerter Idealist aus der Stadt trifft auf desillusionierte Provinzler, heißt hier (mal wieder) das Motto. Die Geschichte beschäftigt sich dann auch zunächst vor allem mit den Problemen des ehemaligen Städters, der sämtliche romantischen Erwartungen an seine neue Wirkungsstätte verliert, bis er sich endlich angepasst hat und in der Lage ist, den dorfüblichen Gruß – ein einfaches „O“ – ebenso glaubwürdig herüberzubringen wie die hiesige Standardbegründung für alles und jedes: „Das machen die Berge.“ Vieles, nicht nur der deutsche Verleihtitel, erinnert anfangs an „Willkommen bei den Sch’tis“, wo ebenfalls ein Städter in die Provinz kommt und sich Culture-Clash-mäßig mit einer neuen Umgebung arrangieren muss. Auch die meisten Leute in Rupe haben nur ein Ziel: so schnell wie möglich weg von hier!
Regisseur und Autor Riccardo Milani versucht in seinem erzählerischen Überschwang und einem nicht zu leugnenden sozialen Engagement möglichst viel in der Story unterbringen, was die italienische Öffentlichkeit aktuell beschäftigt: Zu den angesprochenen Themen zählen neben Landflucht und Armut unter anderem in lockerer Folge Umwelt- und Naturschutz, Homosexualität, Eheprobleme, Flüchtende, Bildungsnotstand, Kapitalismuskritik und Bau-Korruption. Dabei ist Riccardo Milani, der selbst aus den Abruzzen kommt, zugute zu halten, dass er seine Anliegen zumindest gut verpackt, nämlich entweder in hübsch ausgedachten Nebengeschichten oder als kleines Bonbon bzw. als Gag zwischendurch.
Zu den Versatzstücken aus dem Baukasten „Wie schreibe ich eine Wohlfühlkomödie fürs große Publikum?“ gehört natürlich auch ein veritabler Schurke. Der sitzt als geldgeiler Bürgermeister im benachbarten Städtchen und muss mit allen Mitteln bekämpft werden.
Was den Film trotz einer gewissen Holzschnittartigkeit auszeichnet, sind vor allem die guten schauspielerischen Leistungen in einem mit vielen Laien besetzten Cast, wobei neben den beiden zentralen Stars besonders die Kinder zu erwähnen sind. Virginia Raffaele spielt die Direktorin – wobei man sich fragt, warum eine Schule mit nur sieben Kindern neben einer Vollzeit- und einer Teilzeitlehrkraft auch noch eine Direktorin braucht. Was Virginia Raffaele aus ihrer Rolle macht, ist dabei aber aller komödiantischen Ehren wert. Agnese ist ständig in Action und 24/7 ansprechbar – eine leicht verbissen wirkende, energische Frau, die mit Kraftausdrücken alles andere als sparsam umgeht. Private Probleme – ihr Mann betrügt sie ständig – verhandelt sie schon mal per Handy in der Öffentlichkeit. Virginia Raffaele schafft es tatsächlich, diese Persönlichkeit nicht nur interessant, sondern auch liebenswert zu gestalten.
Damit ist sie bestens als Partnerin für den gewieften Komödianten Antonio Albanese („Alles nur Theater“) geeignet, der den hingebungsvollen und über sich selbst hinauswachsenden Lehrer Michele spielt – ebenso wie Agnese ist er das Musterbeispiel einer altruistischen Lehrkraft, aufopferungsvoll bis zur Selbstaufgabe. Beide gemeinsam kämpfen um den Erhalt ihrer Schule, und nicht ganz überraschend ergänzen dann auch noch eine Liebesgeschichte und ein märchenhaftes Happy End den Komödien-Baukasten. Allerdings gibt es eben auch eine Besonderheit: Der Film spielt zu großen Teilen im Winter und im Tiefschnee – und das ist vor allem für (ja meist sommerliche) italienische Komödien eine Ausnahme. Vielleicht handelt es sich dabei sogar um eine kleine augenzwinkernde Hommage an Fellinis „Amarcord“, nur mit mehr Wölfen.
Fazit: Für den ganz großen Abräumer reicht es nicht, obwohl der Film in Italien zu den letztjährigen Kinokassenmagneten gehörte. Trotzdem gibt es genügend positive Aspekte, die den Wohlfühlfilm zur gar nicht mal so anspruchslosen und bis auf den süßlichen Schluss ziemlich vergnüglichen Kinounterhaltung machen.