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    We Live In Time
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    We Live In Time

    Florence Pugh begeistert in unkitischigem Sterbe-Romantik-Drama

    Von Kamil Moll

    Mit ihrem kehligen Lachen, das mindestens eine Oktave tiefer als ihr normales Sprechen ist, scheint es, als könne Florence Pugh schlichtweg allem trotzen. In „We Live In Time“ ist das für die von dem „Midsommar“-Star gespielte Almut allerhand: Mit Mitte 30 wird ihr bei einer ärztlichen Untersuchung Eierstockkrebs im dritten Stadium attestiert. Eine Behandlung mit Chemotherapie und operativem Eingriff wäre kräftezehrend und zeitintensiv, ein erfolgreicher Ausgang ungewiss.

    Gemeinsam mit ihrem Partner Tobias (Andrew Garfield) muss sie sich entscheiden, ob sie in eine Therapie einwilligt oder die Krankheit akzeptiert, die ihr verbleibende Lebenszeit nicht im Krankenhaus, sondern mit ihrer Familie bringt. Und wie sollen die beiden mit ihrer gemeinsamen, jungen Tochter darüber reden? Vielleicht, so scherzt Alma, sollten sie ihr einen in die Jahre gekommenen Hund schenken. Der Tod von Haustieren bereite schließlich Kinder darauf vor, auch mit dem späteren Verlust geliebter Menschen umgehen zu können.

    Almut und Tobias müssen eine schockierende Diagnose verarbeiten. Studiocanal
    Almut und Tobias müssen eine schockierende Diagnose verarbeiten.

    Spätestens seit „Love Story“ gehört eine Mischung aus Krankheitsdrama und Beziehungsromanze zum festen Genre-Repertoire des Kinomainstreams – wirklich gelungen ist diese Verbindung hingegen nur selten, zu schwerfällig und klischeebehaftet gerät meistens die filmische Darstellung von Krankheit. Mit kommerziellen Überraschungserfolgen wie „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ und „Nur mit dir“ wanderten solche Filme irgendwann größtenteils in den Young-Adult-Bereich ab, womöglich in der Hoffnung, dass jüngere Zuschauer im postpubertären Gefühlswirrwarr für das Kitschpotenzial solcher Stoffe empfänglicher sind (für mich kann ich das rückblickend sicherlich so bestätigen).

    Umso bemerkenswerter ist es nun, dass dem Regisseur John Crowley mit „We Live In Time“ diese Balance weitestgehend gelungen ist. Maßgeblich ist dafür ein simpler Erzählkniff: Die Geschichte von Almut und Tobias erzählt er nicht chronologisch als eine sich aufs unaufhaltbare Ende zubewegende Beziehungsgeschichte. Stattdessen arbeitet er mit locker arrangierten, aufeinander bezogenen Momentaufnahmen, die zwischen den zaghaften Gefühlen einer beginnenden Liebe und den tiefer verwurzelten Emotionen einer längeren Partnerschaft pendeln.

    Eine unkitschige Leichtigkeit

    Ihr erstes Aufeinandertreffen beginnt dabei wie der klassische Stoff einer romantischen Komödie: Almut fährt den auf die Fahrbahn laufenden Tobias mit ihrem Auto an. Im Bademantel irrte er nachts herum, Schokokekse mampfend, die ihm den langwierigen Scheidungsprozess mit seiner Frau erträglicher machen sollten. Tags darauf sehen sie sich in Almas neu eröffnetem Restaurant wieder: Sie versucht sich an einer britischen Variation bayerischer Gerichte (in etwa: Weißwürste mit Zitronensenf), er arbeitet seit Neuestem bei einem Unternehmen für Frühstückszerealien. Was sich daraus ergibt, zeigt der Film anhand einzelner Augenblicke und vom Ende her gedacht, unsentimental und empfindsam zugleich.

    Haute Cuisine und industrielle Frühstücksproduktion: Das ist ein unmittelbar einleuchtender, wenig subtiler Gegensatz, wie man ihn so oder nach ähnlichem Muster zuhauf in Groschenromanen findet – für große Filmmelodramen und romantische Komödien, sei es von Douglas Sirk oder Nora Ephron, seit jeher die beste Grundlage. Der Regisseur John Crowley, der sich bereits mit „Brooklyn“ als Routinier für gut temperierte Liebesfilme empfahl, beherrscht sichtlich den Wechsel zwischen Tonfällen, und so ist gerade eine unkitschige Leichtigkeit, wie sie selten geworden ist bei Kinodramen, die klare Stärke von „We Live In Time“.

    Zwischen Almut und Tobias funkt es. Studiocanal
    Zwischen Almut und Tobias funkt es.

    Die beiden Hauptdarsteller*innen spielen ihre Rollen mit einer geradezu heiteren Behutsamkeit und ungekünstelten Vertraulichkeit, insbesondere Florence Pugh verleiht ihrer Figur dabei eine lebendige widerständige Robustheit. Erst in der zweiten Hälfte kann der Film auf einige unnötige Zuspitzungen nicht verzichten: Ohne es Tobias zu sagen, willigt Alma, gesundheitlich bereits gezeichnet, in einer Teilnahme am Bocuse d’or-Wettbewerb ein, einer Art kulinarischen Olympiade, bei der sie Vereinigte Königreich vertreten soll. Den daraus resultierenden Konflikt wickelt Crowley möglicherweise etwas zu routiniert und vorhersehbar ab, aber das möchte man einem Film, der ansonsten zu den gelungeneren Vertretern eines melodramatischen Kinos der letzten Zeit gehört, eigentlich trotzdem recht gerne verzeihen.

    Fazit: Zwischen Beziehungsromanze und Krankheitsdrama gelingt John Crowley mit „We Live In Time“ ein routiniertes Melodram, das von einer erfreulich unkitschigen Leichtigkeit getragen wird.

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