Es gibt nur wenige Filme, die nicht nur mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ oder „absolut sehenswert“ zu versehen sind, sondern es darüber hinaus schaffen, für eine ganz bestimmte Generation zu stehen, die ja immer auch fest an einen zeitlichen Kontext gekoppelt ist. Filme, die in „ihrer“ Zeit spielen, die für viele aber eben auch „unsere“ ist. Filme wie Cameron Crowes „Singles“, der wie kaum ein anderes Werk ein gefühlvolles Abbild der 90er Jahre entwirft. Der es auf grandiose und amüsante Weise schafft, von den Irrungen und Wirrungen einiger Mittzwanziger rund um die Suche nach der großen Liebe zu erzählen, und doch viel mehr ist, als eine weitere gut gemeinte Beziehungskomödie. Angesiedelt in Seattle, einer Stadt, der seinerzeit große Aufmerksamkeit zukam und unfreiwillig musikalische Richtlinien neu setzte, fängt „Singles“ auch perfekt die allseits grassierende Grunge-Ära ein und bietet demnach einen Soundtrack, der vielen heute noch die Tränen in die Augen treiben dürfte.
Linda (Kyra Sedgwick) ist enttäuscht von den Männern. Sie muss immer wieder die Erfahrung machen belogen zu werden, wenn sie selbst sich gerade emotional öffnet und glaubt, nun endlich ihren Traummann gefunden zu haben. Steve (Campbell Scott) wiederum scheint sich zunächst keine großen Illusionen mehr zu machen die Richtige zu finden. Er konzentriert sich auf seinen Job als Nahverkehrsplaner und lernt dann doch nach kurzer Zeit eben Linda auf einem Konzert kennen und lieben. Beide gehen daraufhin, unsicher ob ihrer gesammelten Erfahrungen, eine Beziehung miteinander ein. Steve kümmert sich außerdem um seine Freundin Janet (Bridget Fonda), die den umtriebigen Musiker Cliff (grandios: Matt Dillon) liebt und diese Liebe zu ihm manifestiert sehen will, indem sie sich die Oberweite vergrößern lässt. Dann ist da noch die schräge Debbie (Sheila Kelley), ebenfalls mit Steve, Janet und Cliff befreundet, die die Männer für sich über ein ganz spezielles Kontaktanzeigenvideo begeistern will. Doch in der Folge muss die gesamte Clique erkennen, dass der Weg zur Zweisamkeit ein steiniger bleibt, der von emotionalen Rückschlägen, falschen Entscheidungen und großen Missverständnissen gesäumt ist.
- No matter where you are, I can still hear you when you dream – (Smashing Pumpkins)
Was diesen Film so außerordentlich macht, ist gar nicht mal unbedingt, was der Plot vordergründig zu erzählen hat, sondern vielmehr die Art und Weise wie er das tut. „Singles“ besticht nämlich vor allem durch seine Liebe zum Detail und die charmanten Kleinigkeiten, mit denen sich die Protagonisten ihre kleine Welt zurechtlegen, und die sich doch als wichtig erweisen auf der Suche nach dem Partner fürs Leben. Da referiert zum Beispiel Linda zum Anfang des Films, dass sie gerne ihren Garagentüröffner als Symbol des Vertrauens an den Richtigen weitergeben würde und Janet sucht eigentlich den Mann, der auf ein Niesen „Gott segne dich“ anstatt ein plumpes „Gesundheit“ antwortet. Diese kleinen „Macken“ repräsentieren die leise Hoffnung, dass da draußen jemand ist, der ähnlich tickt wie sie selbst, und funktionieren darüber hinaus auch als wichtiger Gradmesser eines „Für oder Wider“, da die Kernfrage doch immer bleibt: „Passt dieser Mensch da wirklich zu mir?“
So stehen die vermeintlichen Singles also vor uns, brechen immer wieder den filmischen Raum auf, um ohne Umschweife direkt dem Zuschauer ihre Gedanken und Selbstzweifel mitzuteilen, die zwischen den Zeilen den Kummer darüber durchschimmern lassen, warum das mit der Liebe ständig so komplizierte Wege gehen muss. Doch letztlich ist das wahre Leben halt kein Hollywoodfilm, da ist eben nicht alles so klar und einfach. Da muss sich der verpeilte Grunger Cliff nicht nur mit seinem Peniskomplex auseinander setzen (seine Band hört auf den Namen „Citizen Dick“), sondern sich auch fragen, was er denn eigentlich für Janet empfindet. Debbie muss erfahren, dass die Suche nach dem Mann des Lebens auch körperlicher Anstrengungen bedarf und Steve und Linda stehen ebenfalls schnell vor großen Problemen, die ihre noch junge Beziehung auf eine harte Probe stellen soll und dafür Sorge tragen, dass man als Zuschauer neben all den mitfühlenden Lachern auch des Öfteren heftig schlucken muss.
Dabei ist die große Leistung von „Singles“, dass die Handlungen der Figuren stets nachzuvollziehen sind und dadurch glaubwürdig bleiben. Es gibt so viele Situationen in diesem Film, die man so oder so ähnlich aus eigener Erfahrung kennt, oder sich eben ganz und gar niemals wünscht. Doch wenn sich Steve und Linda nach längerer Trennung mit den Worten wieder sehen: „Was hat dich denn so lange aufgehalten?“ – „Ich habe im Stau gesteckt“ ist das einfach nur großartig, und kann bezüglich der Herangehensweise an treffsichere Dialoge eigentlich für den gesamten Film gelten.
- All my life, waiting for somebody – (Paul Westerberg)
Hervorzuheben ist außerdem der grandiose Soundtrack, der von den frühen Smashing Pumpkins über Pearl Jam, Alice in Chains (mit Liveauftritt im Film) bis hin zu den unvergessenen Mother Love Bone alles vereint, was damals für viele Musikfans allein von Seattle aus weltweit diesen unglaublichen Hype ausgelöst hat. Crowe ist vor allem daran gelegen, am Beispiel des erfolglosen Cliff auch die lokale Musikszene der Stadt selbst zu skizzieren, indem die Konzerte seiner Band in abgehalfterten Hinterhofhallen stattfinden und von der Presse gnadenlos verrissen werden. Es ist halt nicht alles Gold, was aus Seattle kommt, auch nicht Anfang der 90er Jahre. Nebenbei gönnt Crowe dann doch noch Chris Cornell (damaliger Sänger von Soundgarden) und Eddie Vedder (Sänger, Pearl Jam) ihren Kurzauftritt, um dem Ganzen den nötigen „Grunge-Appeal“ zu geben.
Das alles eingebettet in eine Beziehungskomödie, die so viel mehr ist als eben eine Beziehungskomödie, macht „Singles“ zu einem der Highlights weit über seine Zeit hinaus. Es geht ums Suchen und Finden, Festhalten und Loslassen, um (un)erfüllte Liebe und allem dazwischen. Als Zuschauer lacht und weint man in jeder Sekunde mit und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ausgerechnet ein Pantomime mit seinen Worten (!) nicht recht behalten mag. Der sagt nämlich in einer Szene kurz und knapp: „Die Liebe verschwindet, Baby.“ Vom Gegenteil sollte sich jeder selbst überzeugen. Wer darüber hinaus erleben will, wie sich die (Grunge-)Generation der 90er anfühlte oder selbst Teil von ihr war, muss „Singles“ gesehen haben, da er einen auf eine nostalgische Reise in die eigenen Vergangenheit schickt. Alle anderen sollten ihn sich anschauen für das, was er eben auch ist: ein unaufgeregter, nichtsdestotrotz extrem witziger und ehrlicher Film.