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    Good Boy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Good Boy

    Hundehaltung der etwas anderen Art

    Von Thorsten Hanisch

    Es hätte so schön werden können! Und das bezieht sich nicht nur auf Sigrid (Katrine Lovise Øpstad Fredriksen), die über eine Handy-App einen absoluten Traumprinzen (sprich: gutaussehenden Millionenerben) kennenlernt, der sich dann aber als absoluter Alptraum entpuppt. Sondern auch auf das Publikum, das sich lange Zeit an einer der wohl bizarrsten romantischen Komödien seit Ewigkeiten erfreuen darf, dann aber von einem konventionellen, nicht wirklich schlüssigen Horrorschlussdrittel enttäuscht wird.

    Die norwegische Produktion „Good Boy“ von Viljar Bøe verknüpft die Fallstricke des Online-Datings mit dem Fetisch-Phänomen Pupplay, belässt es dann aber nicht bei einem skurrilen Rollenspiel, sondern steigt hinab in die ganz finsteren Abgründe, wo die folgende bedenklich-biedere Botschaft zumindest gefährlich nahe liegt: Sexuelle Abweichler*innen sind im Endeffekt einfach nur krank im Kopf!

    Nach einer vielversprechenden ersten Nacht mit ihrer Internetbekanntschaft macht Sigrid (Katrine Lovise Øpstad Fredriksen) am nächsten Morgen eine skurrile Entdeckung.

    Die Psychologiestudentin Sigrid lernt über Tinder den super-attraktiven und süß-schüchternen Christian (Gard Løkke) kennen. Schon wenig später folgt die junge Frau ihrem Traumprinzen nach Hause – und dann wohnt der auch noch in einer umwerfenden Villa! Aber wie spätestens seit „Shades Of Grey“ allseits bekannt ist: Traumtypen mit dem Vornamen Christian haben einen Haken! So auch dieser: Der Millionärserbe lebt nämlich mit einem als Hund verkleideten Mann namens Frank (Nicolai Narvesen Lied) zusammen. Und Frank trägt nicht nur ein Hundekostüm, sondern führt sich auch auf wie einer. Und zwar rund um die Uhr!

    Trotz der Versicherung, dass das alles nichts Sexuelles an sich habe, ist Sigrid natürlich erst einmal wie vor den Kopf gestoßen. Doch ihre Mitbewohnerin redet ihr ins Gewissen, sie solle sich doch nicht so anstellen. Schließlich habe doch jeder seine Schrullen. Außerdem hat der Typ ein Vermögen auf dem Konto! Sigrid lässt sich überreden und stimmt schließlich sogar einem gemeinsamen Wochenende mit Christian und Frank in einem abgelegenen Ferienhaus im Wald zu – mit drastischen Folgen…

    50 Shades Of Norway

    Der Hinweis auf den Weltbestseller „Shades Of Grey“ kommt nicht von ungefähr: Hier wie dort verliebt sich eine Literaturstudentin in einen wohlhabenden, attraktiven Mann namens Christian – und obwohl in beiden Filmen BDSM-Praktiken eine zentrale Rolle spielen, kommen sie trotz des kinky Themas am Ende doch erstaunlich konservativ daher. Dabei macht das alles in „Good Boy“ eine ganze Weile lang wirklich Spaß: Katrine Lovise Øpstad Fredriksen wirkt als etwas plumpe, aber gutherzige Studentin Sigrid überaus sympathisch –zumal Gard Løkke als Millionärserbe derart einnehmend daherkommt, dass man schnell gewillt ist, die seltsame Sache mit dem Hund tatsächlich einfach als harmlosen Spleen abzutun.

    Auch die Chemie untereinander passt. Die beiden Darsteller*innen harmonieren wunderbar, man kauft die aufkeimende Liebesbeziehung problemlos ab und ist gespannt, wie’s mit dem sicherlich sonderbaren, aber trotzdem irgendwie auch süßen Trio weitergeht. Verschiedene Szenarien sind da denkbar: Ist die Beziehung zwischen Christian und Frank doch enger als gedacht und das Ganze wird zum (tierischen) Eifersuchtsdrama? Probiert sich Christian womöglich ebenso als Hund und Sigrid muss am Ende mit zwei Kötern Gassi gehen? Steckt im Hundekostüm vielleicht ein Außerirdischer mit finsteren Plänen?

    Christian stellt Frank vor, als ob es ganz normal wäre, dass er sich einen Mann im Hundekostüm als Haustier hält.

    Wie auch immer: Die bizarre Grundidee hätte jede Menge Potential zum Freidrehen gehabt, doch statt sich zum Irrsinn zu bekennen, entscheidet sich „Good Boy“ im Schlussdrittel für eine konventionellen Psychopathen-Nummer, die den gerade mal 76 Minuten langen Film zwar nicht komplett runterzieht, aber dennoch enttäuscht. Zumal die Nachvollziehbarkeit der Geschehnisse durch eine groben Drehbuchholprigkeit ausgehebelt wird, weswegen die Schlusspointe längst nicht so böse wie beabsichtigt wirkt: Denn das Ganze endet nur so, weil sich Sigrid in einem Moment ausgesprochen dämlich verhält.

    Und dann ist da noch der Umstand, dass Sigrids Mitbewohnerin zwar für mehr Offenheit plädiert, die brave Studentin mit ihren Vorbehalten gegenüber alternativer Sexualität dann aber doch Recht behält und das Drehbuch bierernst noch einen draufsetzt: So wird am Ende sogar Spanking mit Folter gleichgesetzt. Es ist schon ein ausgesprochen seltsames Bild, was der Film vermittelt – und es würde nicht wundern, wenn BDSM-affine Zuschauer*innen sich von „Good Boy“ am Ende ebenso vor den Kopf gestoßen fühlen werden wie einst von „50 Shades Of Grey“.

    Fazit: Die norwegische Produktion „Good Boy“ wartet mit einer ungewöhnlichen, herrlich bizarren und äußerst vielversprechenden Story-Idee auf. Aber dann mutiert der Film von einer wunderbar bizarren, äußerst vergnüglichen Romcom auf der Schlussgeraden doch noch zu einem banalen Psychothriller mit einer fragwürdig-biederen Sexualethik.

     

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