Freude ist ein Alpha-Typ
Riley (Kensington Tallman) kommt in die Pubertät und in ein höhergestelltes Eishockeyteam. Das bringt in ihrem Kopf einiges durcheinander.
Am Ende von „Alles steht Kopf“ (2015 von Pete Docter) erhält Rileys Schaltzentrale eine neue Steuerkonsole. Darauf befindet sich eine rote Pubertätswarnlampe, die von Freude (Amy Poehler) als „wahrscheinlich unwichtig“ bezeichnet wird. Neun Jahre Weltzeit und zwei Jahre Rileyzeit später, sie ist nun 13, blinkt die Lampe.
Bei Disney steht der Begriff Familie ganz oben. Das Tugendhafte muss nach der Bewältigung von Konflikten die Überhand gewinnen. Warum nicht mal Pubertät?! Ein neues Genre kann das natürlich nicht sein, ganz im Gegenteil, Coming-of-Age ist seit Jahrzehnten hoch im Kurs. Ein wahres Highlight unter den Realfilmen: „Boyhood“ (2014 von Richard Linklater), der das tatsächliche Heranwachsen der Hauptfigur (ebenso des Darstellers) bis zum Gang ans College verfolgt. Linklater absolvierte in jedem der 12 Jahre ein paar Wochen Drehzeit. Das hat, auch wegen der inhaltlichen Qualität, einen Erinnerungswert gesetzt.
2015 war die Produktion der Disney-Tochter PIXAR „Alles steht Kopf“ (Original: „Inside Out“) mit der besonderen Visualisierung der Emotionen von Riley sowie ihrer Eltern ein richtig farbenfroher Kinoknaller, besucht von einem Publikum aller Altersklassen. Der Nachfolger setzt das mehr als gelungene Konzept fort. Die Bürde des zuvor erlangten Erfolgs wiegt schwer.
Mit einer äußerst amüsanten wie brachialen Hirnbaustellen-Actionsequenz bricht quasi über Nacht eine neue Zeit für Riley an, weitere Emotionen ergattern einen Platz an dem wiederum ausgetauschten Pult, auf dem es vor Schaltern, Tasten und Hebeln nur so wimmelt. Regisseur Kelsey Mann zeigt in seinem Langfilmdebüt zugleich, dass sich ein Prozess vollzieht und allmählich verfestigt. Der Filmemacher verwebt die gesteigerte psychische Komplexität problemlos mit der unkomplizierten Geschichte, denn er folgt dem bewährten Prinzip, nicht allen aussagekräftigen Figuren die gleiche Leinwandpräsenz zu erlauben. „Riley ist ein guter Mensch“, wird ständig wiederholt, Freude bleibt ihre wichtigste Emotion. Der herrlich inszenierte hyperaktive Gegenspieler von Freude wird Zweifel (Maya Hawke), in der neuen Lebensphase der echten Teenagerin ein nachvollziehbar dominantes Gefühl. Aber für wen nachvollziehbar? Eine große Portion des Einspielergebnisses wird über Kinder erreicht, die das Alter von Riley längst nicht erreicht haben. Die Situation in Teil 1, Umzug, Verlust von Freunden und des gewohnten Umfelds, ist den jüngeren Zuschauern eher verständlich oder von diesen bereits erlebt worden. Was soll’s?! Sogar die Großen müssen nicht alles verstehen, z.B. warum ausgerechnet Brokkoli in beiden Teilen so schlecht wegkommt.
„Alles steht Kopf 2“ ist immer noch bunt wie turbulent. Der Humor, von Wortkomik bis Slapstick, ist zurückhaltender geworden, das Fantasieland nicht mehr allzu bedeutend, aber ja, es passt zur aktuellen Riley. Damit führt Kelsey Mann seinen hervorragend konstruierten Erstling in ein emotional ergreifendes Finale.