Die Nazi-Killerin metzelt wieder
Von Lutz GranertEin Einspielergebnis von etwas über 200.000 Dollar an einem Startwochenende in den US-Kinos ist eigentlich kein Grund zum Jubeln – zumindest nicht unter normalen Bedingungen. Im Juni 2020 jedoch war das unter dem Einfluss der Corona-Pandemie anders – und „Becky“ mauserte sich auch durch hohe Abrufzahlen bei der anschließenden Digital-Auswertung zu einem kleinen Independent-Hit. Anscheinend traf der reichlich kuriose und mit einigen grafischen Gore-Einlagen gewürzte Revenge-Thriller um eine 13-Jährige, die Nazis um „King Of Queens“-Star Kevin James den Garaus machte, einen Nerv.
Eine Fortsetzung war so nur eine Frage der Zeit. Seinen größten Reiz bezieht „Becky 2 – She’s back!“, so der etwas holprige deutsche Verleihtitel von „The Wrath of Becky“, dabei aus der Weiterentwicklung seiner titelgebenden Hauptfigur, die wieder reichlich wütend von Kinderdarstellerin Lulu Wilson („Annabelle 2“) verkörpert wird. Darüber hinaus weist das innerhalb von dreieinhalb Wochen hastig zusammengeschriebene Skript des Regie-Duos Matt Angel und Suzanne Coote („Hypnotic“) jedoch dieselben Schwächen auf wie schon das Drehbuch des genauso mittelmäßigen ersten Teils.
Nach einer Odyssee durch mehrere Pflegefamilien hat Becky (Lulu Wilson) bei der älteren Dame Elena (Denise Burse) ein neues Zuhause und im örtlichen Diner auch einen Job als Kellnerin gefunden. Eines Tages kommen mit Anthony (Michael Sirow), DJ (Aaron Dalla Villa) und Sean (Matt Angel) drei Anhänger der rechtsradikalen Terrororganisation „Noble Men“ in das Lokal. Deren tumbe Anmachversuche kontert die inzwischen 16-jährige Vollwaise eiskalt.
Das kann das Männer-Trio nicht auf sich sitzen lassen: Bei ihrem „Hausbesuch“ ermorden sie Elena, knocken Becky aus und nehmen ihre Dogge Diego als Geisel. Als Becky wieder zu sich kommt, schwört sie Rache – und kommt ganz nebenbei den Attentatsplänen des „Noble Men“-Anführers Darryl (Seann William Scott) auf die Spur...
Gore-Fans ist aus „Becky“ sicher eine besonders brutale Szene in bester Erinnerung geblieben. Comedy-Superstar Kevin James schnippelt als Bösewicht in einer grotesk langen Funsplatter-Einlage an einem heraushängenden Sehnerv herum. So eine Gewaltspitze half, um über eigentlich ziemlich viel Leerlauf und ein geringes Erzähltempo hinwegzutäuschen. Beide Probleme hat nun auch das Sequel. Matt Angel und Suzanne Coote entlarven in ihren teils unnötig ausgewalzten Dialogpassagen zudem nur selten das tumbe Weltbild idiotischer US-Nazis, die gegen emanzipierte Frauen hetzen und ihre Söhne Adolf oder gleich nach ihrer Mutter taufen.
Das „Mehr ist mehr“-Credo anderer, weitgehend inhaltsgleicher (und substanzarmer) Fortsetzungen hätte „Becky 2 – She’s back!“ tatsächlich gutgetan. Doch mit dem aufs letzte Filmdrittel beschränkten Töten von gerade einmal einer Handvoll Unholden hat die wutschnaubende Teenagerin, die dieses Mal im orangen Overall daherkommt und im Wald gut getarnte Fallen aufstellt, einfach recht wenig zu tun. Die blutigen Over-the-top-Gore-Szenen des ersten Teils bleiben dabei trotz einiger hübscher Ideen (etwa ein Pfeil, der bei einem von Daryls Schergen quer durch den Mund saust) unerreicht.
Während „American Pie“-Star Seann William Scott als neuer gegen sein bekanntes Image besetzter Bösewicht kaum nennenswertes Profil entwickelt, bleibt Lulu Wilson als rotzfreches Teenager-Gör die Sympathieträgerin. Dabei entwickelt sie ihre Figur durchaus stimmig weiter. Den Reifeprozess, welchen Becky in den zwei Jahren seit den Geschehnissen des ersten Teils durchlaufen hat, zeichnet sie (inklusive kurzem Gastspiel bei einer frommen Heile-Welt-Pflegefamilie) mit ironischem Unterton witzig nach. Sie hat sich inzwischen zu einer jungen und selbstbewussten Frau gemausert, die – etwa wenn ihr von einem Gast sexistische Kosenamen verpasst werden – immer wieder tough gegen ausgeprägten Machismo antritt.
Gepaart mit rotzigen Sprüchen für ihre Peiniger und strategischem (aber nicht immer zum erwünschten Ziel führenden) Vorgehen bei ihrem Rachefeldzug kauft man ihr die Heroine sogar mehr ab als noch im ersten Teil. Da metzelte sie als wutschnaubendes Nervenbündel impulsiv einfach mal drauflos. Kein Wunder also, dass Matt Angel und Suzanne Coote in ihrem ansonsten mit müden „John Wick“-Reminiszenzen kokettierenden, holprigen Skript am Ende alle Optionen für einen möglichen dritten Teil offengelassen haben, der einen tatsächlich originellen Spin verspricht.
Fazit: Der Rachefeldzug von Lulu Wilson fällt in „Becky 2 – She’s back!“ erwachsener aus als im ungleich anarchischer anmutenden Erstling. Das Tempo des Revenge-Thrillers stockt aber durch zu viele Dialoge immer wieder, sodass der Unterhaltungswert geschmälert wird.